«Das ist ein Höhepunkt in meinem Leben»

  31.08.2021 Interview

Die beiden einheimischen Jodlerinnen haben am Sonntag an der Jodlermesse «Bhüet euch» – sie stammt aus der Feder von Marie-Theres von Gunten – mitgesungen.

ANITA MOSER

Glauben Sie an Gott?
Katharina von Siebenthal (KvS):
Auf jeden Fall. Gott ist überall.
Corinne von Grünigen (CvG): Ich glaube, dass es eine höhere Macht gibt … – ob das «Gott» ist, kann ich nicht beantworten.

Was bedeutet Jodeln für Sie?
KvS:
Jodeln ist für mich Glücks- und Heimatgefühl. Man kann so viel Freude, Achtsamkeit,Glück und Trauer mitfühlen in einem Lied.
CvG: Jodeln ist für mich Seelentherapie. Beim Jodeln kann ich komplett vom Alltag abschalten. Erholung pur für das dauernd sich drehende Gedankenkarussell. Einmal wöchentliche fahre ich den weiten Weg nach Interlaken zur Chorprobe. Obwohl die Chorprobe nach einem langen Arbeitstag körperlich anstrengend ist, komme ich innerlich erholt aus der Chorprobe heim.

Hören Sie auch andere Musik?
CvG:
Interessanterweise bin ich privat gar nicht so sehr in der volkstümlichen Musik zu Hause. Je nach Stimmung höre ich alles. Hauptsache, das Stück hat eine Melodie, die mich anspricht, dann ist die Stilrichtung eigentlich zweitrangig.
KvS: Oh ja … Es wäre ja langweilig, nur einseitig Musik zu hören. Klassische Musik brauche ich auch. Wir haben ja das grosse Glück hier im Saanenland, die Konzerte live geniessen zu können. Tolle Schlager gehören auch zu meinem Leben.

Seit wann jodeln Sie?
KvS:
Ich habe vor zehn Jahren mit Jodeln angefangen, bei Barbara Klossner in der Musikschule Saanenland-Obersimmental. Dann folgten Jodelkurse bei Marie-Theres von Gunten. An der Musikschule nahm ich zusätzlich Stunden für Stimmbildung bei Beatrice Villiger sowie Klavierunterricht bei Felicitas Hänni, um Noten lesen zu können und die Töne im Ton zu hören.
CvG: Mit Jodeln begann ich vor gut zehn Jahren aus lauter Neugier. Dann packte mich das Virus und ich nahm an der Musikschule Unterricht bei Barbara Klossner. Daraus wiederum ergaben sich weitere Kontakte und Projekte. Die konstante Stimmbildung gehört seit Jahren zu meinem Leben. Singen ab einem gewissen Niveau ist wie bei einer sportlichen Betätigung: Es braucht Training/Übung und ab und an eine Anleitung, wenn man sich verbessern möchte.

Woher kommt das Interesse? Haben Sie schon immer gerne gesungen/gejodelt?
KvS:
Gesungen habe ich immer gerne. Im elterlichen Restaurant im Baselbiet ging es vielmals lustig zu und her, wenn meine Mutter zu singen begann … da stimmten die Gäste sofort mit ein. Mit meinen Kindern – und nun mit den Grosskindern – sang und singe ich gerne Kinderlieder. Ich war irgendwie immer glücklich beim Singen.
CvG: Schon als Kind habe ich gerne und viel gesungen: zu Hause, in der Schule, jahrelang in der Pfadi und später in einem Gospelchor. Heute tut mir Singen einfach gut, auch wenn es mit «Aufwand» verbunden ist – wie jedes andere Hobby übrigens auch.

Wie merkt man, dass man jodeln kann?
KvS:
Man muss es unbedingt ausprobieren. Ich habe damals Barbara Klossner ein Lied vorsingen dürfen, um zu sehen, ob ich die Musikschule besuchen darf. Ihren Kommentar werde ich nie vergessen: «Ja, ja, da chame scho öppis mache.» Und das habe ich auch probiert, bin ins kalte Wasser gesprungen. Es hat sich gelohnt. Wer nicht wagt, der nicht gewinnt.
CvG: Am besten ausprobieren, ob einem dieser teilweise urchige Gesang mit Kehlkopfschlägen auf der einen Seite und den sinnigen oder auch lustigen Texten gefallen. Die einen bekommen das Jodeln bereits mit der Muttermilch eingeflösst und haben meist eine natürliche Begabung für die speziellen Klänge. Die anderen lernen es – wie ich zum Beispiel. Und beides ist doch okay.

Welche Voraussetzungen braucht es, um jodeln zu können. Anders gefragt: könn(t)en alle jodeln?
CvG:
Voraussetzung ist sicher, dass man gerne singt. Jodeln kann grundsätzlich jeder lernen. Es braucht ja nicht immer zwingend Publikum zu haben. Man kann auch nur für sich jodeln lernen. Hauptsache, es gefällt, was man tut.
KvS: Eventuell schon. Man kann alles lernen. Beim Jodeln ist es wichtig, dass man den Kehlkopfschlag beherrscht, den Registerwechsel. Das heisst, von der Kopfstimme in die Bruststimme zu wechseln und umgekehrt. Und wenn man das einigermassen kann, geht es immer weiter: Vokalisation üben, Texte deutlich sprechen und auswendig lernen, Melodienbögen machen beim Singen, Mundstellung locker offen … Es sollte ja schön und nicht grell tönen. Man muss Freude haben an den Tönen und – was wichtig ist: Nie zu faul sein zum Üben!

Haben Sie einen Lieblingsjodel?
CvG:
Nein, ein bestimmtes Lied habe ich nicht. Dies ist immer von der jeweiligen Stimmung abhängig oder beim Zuhören des jeweiligen Interpreten. Genauso, wie einem ein Mensch optisch gefallen kann, sind Stimmen äusserst unterschiedlich und gefallen sehr individuell.
KvS: Nicht nur einen … Das Jodellied «Zyt ha» von Marie-Theres von Gunten, welches ich das erste Mal am Eidgenössischen Jodlerfest 2011 in Interlaken hörte, schlug wie ein Blitz in meine Seele ein und hat sich da verankert. Seither bin ich begeistert von den sinnlichen Liedern von dieser Komponistin. Ich singe diese mit grosser Freude an den Jodlerfesten.

Wann jodeln Sie? Bei der Hausarbeit, in der Badewanne?
KvS:
Im Kopf immer … Manchmal merke ich es nicht mal mehr. Wenn ich mit Leuten unterwegs bin, kann es passieren, dass mir jemand sagt, ich solle still sein. Üben in der Badewanne geht nicht, da die Haltung nicht optimal ist. Ich übe meistens vier- bis fünfmal pro Woche, am besten am späteren Nachmittag. Einsingen geht auch beim Haushalten. Aber zum Singen stehe ich vor dem Notenständer und lese von der Partitur ab. Es braucht manchmal schon Ausdauer und Disziplin. Da ich nicht in einem Chor bin, singe ich alleine.
CvG: Einfach so «frisch vo der Läbere wäg» jodle ich nur, wenn ich alleine irgendwo in den Bergen unterwegs bin. Meistens an einem laut rauschenden Bergbach, damit ich mich getraue, so richtig laut zu jodeln! Ansonsten übe ich zu Hause, wenn gerade der Hund nicht zuhören kann, denn er will immer mitjodeln – und das bringt mich nur zum Lachen, aber ganz bestimmt nicht zum Jodeln!

Singen Sie zum ersten Mal an einer Jodlermesse mit?
KvS:
Ja, hier in Saanen schon. Ich durfte aber schon im Dezember 2019 in Tokyo mit einem japanischen Chor unter der Leitung von Marie-Theres von Gunten bei der Jodlermesse mitsingen. Es war beeindruckend, wie die Japaner das Schweizerdeutsch (fast) beherrschten.
CvG: Die Jodlermesse «Bhüet euch» gehört zum fixen Repertoire des Oberländerchörlis Interlaken. Daher habe ich das Werk schon mehrmals in verschiedenen Kirchen und mit unterschiedlichen Organisten singen dürfen. Die eindrücklichsten Aufführungen sind für mich persönlich aber eindeutig die in der Mauritiuskirche Saanen in Kombination mit dem virtuosen Organisten Wolfgang Sieber.

Was bedeutet die Teilnahme an der Jodlermesse im Saanenland für Sie?
KvS: Es ist unglaublich schön und ich bin dankbar, dass ich mitsingen darf. Dies ist ein Höhepunkt in meinem Leben.
CvG: Ich freue mich sehr, dass ich hier vor einheimischem Publikum singen darf. Die Kirche Saanen hat einen wunderbaren Klang, ist optisch ein wahres Bijou und ausserdem ist die Orgel ein seltenes Kunstwerk! Also alles in allem ist es eine grosse Ehre, hier singen zu dürfen.

Was ist speziell an «Bhüet euch»?
KvS:
Diese Messe ist ein Meisterstück des Jodelns, in jeglicher Hinsicht. Das Zusammenspiel zwischen Orgel, Musik, Gesang und Text – dies berührt die Seelen und Herzen. Daraus schöpft man Kraft. Was Marie-Theres von Gunten leistet, ist einzigartig. Sie dirigiert nicht nur, sie singt auch mit. Was das an Können und Energie abverlangt, ist unwahrscheinlich.
CvG: Das Spezielle ist sicher die Kombination von Orgelmusik, Jodelgesang und katholischer Messe. Diese drei so unterschiedlichen Richtungen zu einem Werk zu vereinen, zeugt von unglaublicher Musikalität und Können.

In welchen Formationen sind Sie engagiert?
CvG:
Mit meiner guten Freundin Deborah Reber singe ich seit Jahren im Duett. Begleitet werden wir vom äusserst musikalischen Akkordeonisten Rolf Steiner. Wir treten als Formation «Stärneblueme» auf und haben auch schon an Jodlerfesten teilgenommen. Coronabedingt durften aber auch wir leider in den letzten eineinhalb Jahren nicht üben und auftreten. Umso mehr freut es uns, dass wir endlich wieder gemeinsam musizieren dürfen. Ausserdem bin ich seit ein paar Jahren als Jodlerin im Oberländerchörli Interlaken aktiv.
KvS: Ich bin nirgends engagiert. Aber durch meinen Besuch in Japan wurde ich angefragt, an der Jodlermesse mitzusingen. Ich habe grosse Freude und verspüre Dankbarkeit, dass ich diese Jodlermesse in Saanen organisieren durfte. Ein grosser Dank gilt unserer Sponsorin Babette Herbert. Sie teilt unsere Freude zum Jodeln und singt selber auch. Und nicht zuletzt danke ich den Verantwortlichen des Menuhin Festivals, denn es ist nicht selbstverständlich, dass die Jodlermesse ins Menuhin Festival Programm aufgenommen wurde.


SPONSORIN BABETTE HERBERT

Die Kollekte des Gottesdienstes ist für die Heilpädagogische Schule Gstaad bestimmt, kommt dem Ferienlager zugute. «Die Kinder freuen sich jeweils auf dieses Lager und die Eltern haben dann wieder etwas Zeit für sich selber», betonte Peter Klopfenstein. Im Anschluss an den Gottesdienst waren alle ins Landhaus eingeladen,«um mit den Jodlerinnen und Jodlern noch einen Moment zusammenzusitzen und die Jodlermesse zusammen ausklingen zu lassen».

Babette Herbert hat sämtliche Kosten für die Aufführung der Jodlermesse übernommen. «Ich habe immer mit meinen Kindern und Enkeln gesungen und wir tun das gemeinsam auch heute noch», erklärte sie im Gespräch. Zum Jodeln sei sie durch Freundinnen aus dem Saanenland gekommen. «So entstand auch der Kontakt zu Katharina und Gottfried von Siebenthal.«Es war schwer für mich, auf ‹Schwizerdütsch› zu singen, aber heute fühle ich mich wohl dabei, sehr wohl.» Das Jodeln mit den einheimischen Freunden wärme ihr das Herz und schaffe eine gute Nähe zu den Menschen, die hier zu Hause seien.

Die erste Jodlermesse im Jahr 2014 wurde von Katharina und Gottfried von Siebenthal initiiert. «Gemeinsam mit Freunden aus dem Saanenland haben wir – überwältigt von diesem wunderbaren Erlebnis – beschlossen: Wir versuchen, die Messe in einem regelmässigen Turnus wieder aufzuführen. In verdankenswerter Weise sahen das Menuhin Festival mit Christoph Müller die Jodlermesse als wünschenswerte Ergänzung ihres Programms und so durften wir sie nun schon zum vierten Mal gemeinsam hören.» Ohne die Mithilfe des Festivals und Katharina von Siebenthals organisatorischem Einsatz sowie der Unterstützung unserer hiesigen Jodelfreundinnen ginge das allerdings nicht, so Babette Herbert. Und auf die Frage, weshalb sie sich als Sponsorin engagiere, erklärte sie: «Ich habe bei Marie-Theres von Gunten in ihren Jodelkursen viel lernen dürfen und lerne auch hier im Saanenland viel von Barbara Klossner in der Musikschule. Es schafft Verständnis, Nähe und Vertrauen zu den Menschen hier im Saanenland. Das brauche ich, denn ich lebe hier sehr gern. Und wir zeigen während der Festspielzeit auf, was in den Seelen und Herzen vieler Menschen vor Ort so vorgeht während des Jahres. Dazu kommt, dass die Zuhörer immer grosszügig spenden, sodass die Heilpädagogische Schule wieder mit ihren Kindern Ferien machen kann und deren Eltern entlastet werden. Das ist wunderbar, wir sind sehr dankbar dafür, denn das liegt uns am Herzen!»

ANITA MOSER

Von der Jodlermesse wurden Bild- und Tonaufnahmen gemacht. Die CD ist erhältlich in der Buchhandlung «Au Foyer» in Saanen.

 


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