Alte Fotografien machen Geschichte

  27.07.2021 Kultur, Schönried

Die Dorforganisation Schönried präsentiert aktuell in der Schönrieder Filiale der Saanen Bank alte Fotografien und Postkartenmotive. Ein Durchgang durch die Ausstellung, die zufälligerweise 75 Jahre nach der Gründung des Verkehrsvereins Schönried stattfindet, gibt einen guten Überblick über die bauliche und touristische Entwicklung des Kurortes.

MARTIN GURTNER-DUPERREX
«Der Bau der MOB-Linie um 1905 war sicherlich die Grundlage für die spätere touristische Entwicklung Schönrieds», ist Matthias Reichenbach, Vorstandsmitglied der Dorforganisation Schönried und Landwirt, überzeugt. Es sollte aber noch ein paar wirtschaftlich schwierige Jahrzehnte dauern, bis es so weit war, denn die Bahnstation Schönried – übrigens hart erkämpft wie der «Contour Reichenbach» in Gstaad – habe vorerst wirtschaftlichen Interessen wie zum Beispiel dem Holz-, Viehund Futtermitteltransport gedient, so Reichenbach. Zufälligerweise genau 75 Jahre nach der Gründung des Verkehrsvereins Schönried, der anlässlich der Umstrukturierung von Gstaad Saanenland Tourismus zur Dorforganisation Schönried mutierte, findet in der Schalterhalle der Saanen Bank eine Fotoausstellung über die Anfangsjahre des Kurorts statt.

Kartensammlung der Tante
«Die Dorforganisation war von der Saanen Bank angefragt worden, ob sie in ihrem geräumigen Schalterraum der Filiale in Schönried, die nächsten Sommer umgebaut werden soll, eine Ausstellung organisieren könne», erzählt Matthias Reichenbach. Da ihm von seiner Tante Gertrud Romang eine reichhaltige Postkartensammlung aus dieser Zeit zur Verfügung steht, schlug er eine Ausstellung von alten Fotos von Schönried vor. Er wurde vom Vorstand beauftragt, diese auch gleich zu organisieren und aufzustellen. Sie zählt mit den von Elsbeth Frautschi und Müller Medien Gstaad zusätzlich zur Verfügung gestellten Bildern über hundert vergrösserte Fotos.

Die bis zum Beginn der Umbauarbeiten der Filiale dauernde Ausstellung wird je nach Saison abwechslungsweise mit Sommer- oder Winterfotos bestückt sein. Interessant ist, dass die Exposition am alten Standort des Verkehrsvereins Schönried stattfindet, der die Räumlichkeiten während vieler Jahre mit der Berner Kantonalbank geteilt hatte. Die Fotosammlung zeigt eindrücklich, wie sich Schönried ab Mitte der 1940er-Jahre innerhalb von drei Jahrzehnten von ein paar wenigen Häusern und dem Bahnhöfli zum Kurort mauserte, wobei der Verkehrsverein eine nicht zu unterschätzende Rolle spielte.

Knatsch mit Kurtaxen
«Die obligatorischen Kurtaxen mussten damals der Gemeinde Saanen abgegeben werden, wenn kein lokaler Verkehrsverein bestand», erklärt Matthias Reichenbach. Um diese Abgaben selber verwalten und nutzen zu können, wurde 1946 auf Initiative des umtriebigen Schönrieder Posthalters und Gemeinderats in Saanen, Walter Germann, der Verkehrsverein Schönried gegründet.

Sehr resolut förderte dieser die Entwicklung des Tourismus in der Bäuert, denn die wirtschaftliche Situation der Bevölkerung war nach zwei Weltkriegen und Preiseinbrüchen bei den landwirtschaftlichen Produkten alles andere als rosig. Mit dem 1904 eröffneten Hotel Bahnhof, der Pension Alpenrose, die seit 1907 Touristen empfing, und vor allem dem Bau des Horneggli-Skilifts 1944 waren bedeutende Grundsteine schon gelegt worden.

Bauboom, Fürstenpaar und Bergbahnen
Während der Besichtigung der Fotoschau lässt sich die bauliche und touristische Entwicklung des Orts gut mitverfolgen: Bereits ab den 1950er-Jahren kam es zu einem Bauboom von individuellen Ferienchalets, 1954 wurde das Hotel Ermitage mit seinem Schwimmbad gebaut. Ein paar Jahre später sorgten die Ferienheime und die ersten grossen Appartementhäuser auf der Brüggmatte wegen ihres Baustils für Kritik. Schliesslich waren es ab 1957 die wiederholten Ferienaufenthalte des Fürstenpaares von Monaco, die den Ruhm Schönrieds endgültig besiegelten.

Da die parkierten Autos von Skitouristen schon bald die Hauptstrasse verstopften, mussten Parkplätze bereitgestellt werden und die Errichtung einer Autoeinstellhalle neben dem Ermitage im Jahr 1964 wurde unumgänglich. Sie wurde Ende der Achzigerjahre durch das heutige Parkhaus ersetzt.

Die Errichtung der Bergbahnen – der Horneggli-Skilift funktionierte bereits ab 1959 im Sommer als Sesselift und die Kurvenbahn auf den Rellerligrat eröffnete 1970, damals noch als Sesselbahn – sind weitere grosse Meilensteine in der Entwicklung des Kurorts. Etwas wehmütig hingegen berichtet Matthias Reichenbach vom Scheitern des Baus des eigenen Hallenschwimmbads, welches während der Sechzigerjahre ein Dauerthema war, und natürlich von der Schliessung der Rellerlibahn.

Für die Zukunft sähe er es gerne, wenn die Bahn in irgendeiner Form wieder auferstehen würde. Als weitere grosse Herausforderung der nächsten Jahre sieht er den erforderlichen Neubau der Gondelbahn aufs Horneggli. Auch diese Projekte werden in ein paar Jahren ein Teil der ausserordentlichen Geschichte Schönrieds sein … oder vielleicht auch nicht.

Öffnungszeiten: von Montag bis Freitag während der Schalterzeiten der Saanen Bank Schönried, 8.30–12 Uhr/ 14–17 Uhr, Mittwoch 8.30–12 Uhr. Die Ausstellung dauert bis zum Sommer 2022.


AUS DER FESTBROSCHÜRE «25 JAHRE VERKEHRSVEREIN SCHÖNRIED 1946 –1971»

1946 Gründungsversammlung Verkehrsverein Schönried
Festlegung Kurtaxe: 20 Rappen pro Logiernacht, Kinder unter 12 Jahren frei
1947 Budget: Ausgaben von 2000 Franken, 2400 Franken Einnahmen durch Kurtaxen Erstellung von 10 Ruhebänken Bewilligung von Fr. 20.– für 1.-August-Feier Einrichtung eines Telefons in Privathaushalt für Ferienwohnungsvermittlung Anbringung von Wegweisern und Ortsnamentafeln Errichtung Schweizer Skischule
1948 1000 Stück Ferienchalet-Listen im Druck Probeweise Kehrichtabfuhr dreimal pro Woche
1949 Entwurf von Werbeprospekten Abfahrtsmarkierungen und Zaunablegen im Winter
1950 Erste Probleme mit parkierten Autos von Skitouristen Konsumfiliale in bäuerlichen Kreisen unerwünscht
1951 Eröffnung eines Barbetriebs als schädlich für die Jugend eingestuft Telefonkabine und Sanierung der Toiletten beim Bahnhof
1952 5000 Werbeprospekte in Auftrag gegeben Staubbekämpfung: Teerung von Strassen
1953 Parkplatz beim Bahnhof Diskussion: Ferienheime schädlich für den Ort? 1955 Bau des neuen Schulhauses nach langem Kampf (ursprünglich zwischen Schönried und Saanenmöser vorgesehen) Bewilligung von Fr. 500.– für Schulklavier
1956 Kein Geld für Werbeplakate Kostenvoranschlag für Tennisplatz und Eisbahn
Kurtaxenerhöhung: 30 Rappen für Erwachsene, 20 Rappen für Kinder ab
12 Jahren
Errichtung Tennisplatz, Beitrag an die Eisbahn des Hotels Ermitage
1957 Erster Aufenthalt des Fürstenpaars von Monaco
Schwimmbad Hotel Ermitage: nur mittwochs und am Wochenende öffentlich
Einsprache gegen Bauart des Ferienheims Lengnau
Beitrag zur Beleuchtung des Slalomhangs
1958 Erster Einsatz einer Schneeschleudermaschine
Verwirklichung des Neubaus des Bahnhofs früher als geplant
Beteiligung an PTT-Werbestempel für Schönried
Bewilligung von 22 Lampen für die öffentliche Beleuchtung
Kurtaxenerhöhung von 10 Rappen
1960 Vereinbarung Bürogemeinschaft mit der Kantonalbank
Appartementhaus in der Waldmatte wegen Baustils in der Kritik
1961 Schweizerische Klubmeisterschaften organisiert vom Skiclub Schönried
Plan zum Bau weiterer Appartementhäuser auf der Brüggmatte führt zu Kritik
1964 Bau einer Autoeinstellhalle mit Beständeschauplatz neben Hotel Ermitage
Verbot für Pferde auf dem Spazierweg Moos
1965 Schlittelbahn im Weyermaad
1966 Hallenbadprojekt auf der Brüggmatte
Jahresbudgetbetrag Verkehrsverein 70’000 Franken
Kurtaxenerhöhung auf 80 Rappen
1970 Hotel-Immobiliengesellschaft Zürich distanziert sich vom Bau eines Hotels/Hallenbads
Bau der Rellerlibahn

 


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