Wenig Schnee, lange Laufstrecken, aber auch sehr, sehr viel Sonne

  02.05.2022 Sport

Die Patrouille des Glaciers 2022 startete mit wiederholten Verschiebungen im Zeitplan, hielt herausfordernde Bedingungen bereit und endete mit vielen zufriedenen Gesichtern im Ziel.

Es war endlich mal wieder ein Schweizer Team, das die Strecke von Zermatt nach Verbier am schnellsten zurücklegte. Martin Anthamatten, Rémi Bonnet und Werner Marti legten die 57,5 Kilometer und 4386 Meter positive Steigung in nur 6 Stunden, 35 Minuten und 56 Sekunden zurück. Und damit war ein Teilnehmer, dessen Wurzeln im Saanenland liegen, schon mal sehr würdig in Erscheinung getreten. «Werner Marti ist der Sohn des auf der Grundpost aufgewachsenen William Marti», erklärt Hanspeter Grundisch die familiären Hintergründe des Siegerteammitglieds. Doch auch jene Patrouilleteilnehmenden, die bis heute im Saanenland daheim sind, haben an der diesjährigen Patrouille des Glaciers Grosses geleistet.

Nur nicht nervös werden
Die Startzeiten beider Rennphasen wurden aus sicherheitsrelevanten Gründen um 24 Stunden nach hinten verschoben. Die Wetterprognosen verhiessen jeweils nichts Gutes. Schlechtwetterlagen bedeuten nicht nur ein zu hohes Risiko für die Teilnehmenden auf der Strecke. Auch der Abtransport im Falle einer Verletzung oder eines grösseren medizinischen Problems wäre so nicht gewährleistet. Dazu kam die Tatsache, dass trotz der vorausgegangenen Schneefälle zahlreiche Passagen wenig Schnee aufwiesen. Das hatte längere Laufstrecken als gewöhnlich zur Folge. Von der 57 Kilometer langen Strecke mussten diesmal zwölf gelaufen werden. Auch die Kälte entpuppte sich hier und da als Gegenspieler und teilweise mussten gefühlte minus 25 Grad Celsius (auf Tête Blanche) ausgehalten werden. «Aber auch sehr viel Sonne und wunderbare Aussichten» wurden von den Teilnehmenden bestätigt. Und so war dann das Wetterglück doch auf Seiten der Patrouillen und der Veranstalter. «Wir sind um fünf Uhr gestartet, da war es noch dunkel», beschreibt Richard Müller, Mitglied im Team Saanen, das Erlebnis. «Aber schon bald brach der Morgen an und der war so schön, dass er zum Geniessen einlud.»

Kaum vorstellbar, dass man bei diesen Strecken und Steigungen überhaupt von Genuss sprechen kann. «Das gemeinsame Erlebnis ist auf jeden Fall ein echter Genuss», sind sich Hanspeter Grundisch und Richard Müller einig.

«Doch, doch, die Läuferinnen und Läufer geniessen durchaus auch die wunderbare Umwelt», versichert Grundisch: «Namentlich, wenn es jemandem aus der Patrouille vorübergehend nicht ganz so gut geht und mit kurzen Erholungsphasen die Moral wieder stabilisiert wird, hat man Zeit für Musse, es sei denn, man trage zusätzlich dessen Ausrüstung.»

Während der Gstaader Grundisch mit Heidi Perreten-Müssigmann und Elisabeth Brand seine 18. Patrouille des Glaciers absolvierte, war Richard Müller dankbar, dass er und seine Tochter Daria dank Ersatzfrau Luisa Orlik doch noch ins Rennen gehen konnten, nachdem Samuel Rieder als ursprünglich geplantes Teammitglied aus gesundheitlichen Gründen absagen musste.

«Luisa hat viele Touren in diesem Winter gemacht, fit war sie auf jeden Fall», erklärt Richard Müller nach dem Rennen und fügt voller Respekt hinzu: «Aber jeder, der dieses Rennen in Angriff nimmt, ist auch mental vorbereitet, hat die Patrouille des Glaciers den ganzen Winter lang im Hinterkopf. Aber sie hat das auch ohne diesen lange währenden Hintergedanken super gemacht, sie hat für ihre Spontaneität nicht büssen müssen. Wir hatten ein super Rennen.»

Zwischen sechs und neun Stunden
Die drei gelangten in 6 Stunden und knapp 23 Minuten von Arolla nach Verbier. Das Team Saanenland GPBG, dem Hanspeter Grundisch angehörte, startete im gleichen Rennen und brauchte für die 29,6 Kilometer und 2200 gestiegene Höhenmeter 8 Stunden und knapp 34 Minuten.

Marcel Jauner, ebenfalls aus dem Saanenland, kämpfte sich mit dem Team St. Moritz neben seinen Teamkollegen Peter Frick und Bergführer Daniel Josef Steiner ebenfalls durch dieses Rennen. Nach 7 Stunden und 51 Minuten erreichten sie ihr Ziel.

Das Team JUMAHAKA, bestehend aus Hannes Bach und Max Rieder, beide aus dem Saanenland, sowie dem Bergführer Julian Beermann, startete im zweiten Rennen über die kürzere Distanz. Auch sie blieben unter der Siebenstundenmarke und kamen nach 6 Stunden und 39 Minuten in Verbier ins Ziel.

Auf der grossen Runde
Sonja Herrmann aus Grund bei Gstaad hatte sich mit ihren Teamkolleginnen Marinette Martin und Sophie Andrey auf den langen Weg von Zermatt nach Verbier gemacht. Auch ihre Anreise war turbulent, wurde doch auch diese Startzeit kurzfristig um einen ganzen Tag nach hinten verschoben. Und dann am Samstagabend durfte das Team SMS in Zermatt endlich auf die Strecke. Nach 13 Stunden und 37 Minuten kamen die drei Athletinnen in Verbier an. Was für eine Leistung, die auch unter den Teilnehmenden gewürdigt wird. «Die Patrouillen spornen sich übrigens auch gegenseitig an», freut sich Grundisch: «Den überholenden ‹Zermattern› wird regelmässig zu ihrer herausragenden Leistung gratuliert.»

Zielankunft nicht selbstverständlich
Rund 40 Prozent aller gestarteten Teams kamen nicht bis ins Ziel. Gründe dafür war zum Beispiel die gesundheitlich bedingte Aufgabe des Rennens oder die Disqualifikation wegen verpasster Durchgangszeiten. «Die Höhe ist nicht zu unterschätzen und macht sich in der Leistungsfähigkeit durchaus bemerkbar», weiss Richard Müller zu berichten. Das Couloir der Rosablanche umfasst rund 1100 Tritte und die wären wohl schon auf Meereshöhe anstrengend. «Das war der Punkt, an dem ich dachte, dass ich das unmöglich schaffe», erinnert sich Sonja Herrmann. «Das Problem ist, du siehst, wohin du musst. Der ganze Aufstieg über die Stufen zeigt sich dir auf einen Schlag.» Das sei für die Moral nicht unbedingt förderlich gewesen. «Aber du gehst dann eben einfach los. Und plötzlich nimmst du das Publikum am Rand der Strecke wahr, das jeden Schritt von dir feiert.» Tatsächlich hatten zahlreiche Zuschauer den Aufstieg in Angriff genommen, um die Athletinnen und Athleten an dieser Passage lautstark zu unterstützen. «Das berührte mich extrem», sagt Sonja Herrmann rückblickend. «Genau wie die Gratulationen, als wir die 1100 Tritte hinter uns gebracht hatten. Du kennst niemanden, aber alle gratulieren. Dann brichst du nicht ab, dann willst du das Rennen im Ziel beenden.»

Auf die Frage, wie man sich auf eine Patrouille des Glaciers am besten vorbereitet, fasst Richard Müller schnell zusammen: «Nach dem Rennen ist vor dem Rennen.» Es muss tatsächlich ein sehr beeindruckendes Erlebnis sein, denn viele der Teilnehmenden sind «Wiederholungstäter».

PD/JENNY STERCHI


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