Vom Skilehrer zum Skischulleiter und umgekehrt

  07.06.2022 Interview, Volkswirtschaft, Wintersport, Saanen, Schönried

Johny Wyssmüller leitete mehr als drei Jahrzehnte die Geschicke der Skischule Saanen-Schönried. Im August gibt er dieses Amt an Fabrice Thormann ab. Im ersten Teil des Interviews berichtet Johny Wyssmüller über Erfahrungen aus der Vergangenheit und Pläne für seine Zukunft. Anschliessend erklärt sein Nachfolger Fabrice Thormann seine Ideen und seinen Plan für die Leitung der Skischule. Im dritten Teil beschäftigen sich beide mit Fragen zur Skischule als Unternehmensmodell und ihren Zukunftschancen.

JENNY STERCHI

Wie viele Jahre standen Sie an der Spitze der Skischule Schönried?
Dreiunddreissig.

Was machten Sie jeweils während des Sommers?
Es gab neben dem jährlichen Geschäftsabschluss und den Vorbereitungen auf die neue Saison nicht allzu viel Zeit für andere Aktivitäten. Dazu kam das Restaurant Kuhstall, das ich in den letzten 16 Jahren aufbauen und weiterentwickeln durfte.

Für wie familienverträglich halten Sie das Amt des Skischulleiters?
Im Winter ist es mit langen Präsenzzeiten im Skischulbetrieb sicher herausfordernd. Dafür ist es im Sommer um einiges lockerer.

Wie haben sich die Nachfrage und Erwartungen an den Skiunterricht entwickelt?
Die zunehmende Kurzfristigkeit bedingt hohe Flexibilität. Früher, ohne Mail und Handy, war vieles einfacher zu organisieren. Es brauchte keine zehn Mails, die in Ping-Pong-Manier hin und her geschickt werden, um Skiunterricht zu buchen. Insbesondere im Privatunterricht sind die Kunden oftmals viel ungeduldiger, manchmal wohl auch gestresster. Dank der Transportanlagen im Anfängerbereich, wie Babylifte und später das Förderband, fiel das mitunter mühsame Hochsteigen weg. Für die Gäste bedeutete dies, mehr als doppelt so schnell die Voraussetzungen zu erarbeiten, die es fürs «Bezwingen» der grossen Piste braucht. Dazu hat natürlich auch das Material, insbesondere der Carvingski, beigetragen.

Wie oft standen Sie während der Saison selbst auf den Ski?
Zu wenig.

Womit werden Sie sich im kommenden Winter beschäftigen?
Die Führung des Restaurants Kuhstall wird Zeit in Anspruch nehmen. Dazu werden Einsätze bei Sport Timing Schönried als Timekeeper an Skirennen kommen. Und natürlich werde ich wieder Ski fahren. Sollte die Nachfrage bestehen, auch mit Gästen.

Wie können Sie Fabrice Thornmann bei seiner für ihn neuen Aufgabe unterstützen?
Fabrice kann mich jederzeit zu allen Aufgaben um Rat fragen. Ich werde ihm unterstützend beistehen.

Fabrice Thormann, was reizt Sie an der Funktion des Skischulleiters?
Die Position des Skischulleiters bietet eine sehr vielfältige Palette an Aufgaben. Was mich am meisten reizt, ist die Chance, Innovationen und neue Projekte auf der soliden Grundlage zu entwickeln, die Johny in den letzten Jahren aufgebaut hat.

Worauf müssen oder dürfen sich die Schönrieder Skilehrerinnen und -lehrer mit Ihnen an der Spitze einstellen?
Was den Teil «Arbeit» betrifft, ist es mein Ziel, die Saison so gut wie möglich vorzubereiten, sodass die Schneesportlehrer in einem optimalen Umfeld arbeiten können. Während meines Masterstudiums in Sport- und Freizeitmanagement, das ich an der Universität Lausanne absolviert habe, konnte ich meine Diplomarbeit über die Neupositionierung des Angebots von Snowsports Saanenland schreiben. Dies ermöglichte es mir, einen Masterplan über die Bedürfnisse und Erwartungen der im Saanenland weilenden Wintergäste zu erstellen. Darüber hinaus notiere ich seit drei Jahren alle Entwicklungsideen, die mir während meines Skiunterrichts in den Sinn kommen. Heute habe ich einen klaren Plan im Kopf, den ich Schritt für Schritt und entsprechend den aktuellen Bedürfnissen umsetzen werde.

Und wie sieht dieser Plan aus?
Während der Saison verpflichte ich mich zum einen dazu, für meine Skilehrerinnen und Skilehrer so zugänglich wie möglich zu sein. Für mich sind Kommunikation und Zuhören die Schlüssel zum Erfolg einer Struktur, die sich nur entwickeln kann, wenn alle am gleichen Strang ziehen. Ausserdem lege ich grossen Wert auf die interne Ausbildung der Skilehrer. In meiner Funktion als Kids-Experte (seit 2017) und als neuer Ski-Experte (2022) im Education Pool von Swiss Snowsports werde ich versuchen, meine Erfahrungen kontinuierlich einzubringen, damit die technischen Leiter die Schneesportlehrkräfte gezielt und qualitativ hochwertig ausbilden können. Sie müssen auch damit rechnen, mich ab und zu auf der Piste zu sehen – mit Helm, im Gegensatz zu Johny (lachend und augenzwinkernd in Richtung Johny Wyssmüller). Ich bin überzeugt, dass die Tatsache, dass ich sowohl auf den Pisten als auch im Büro bin, es mir ermöglichen wird, zu bemerken, was während der Saison gut läuft oder eben angepasst werden muss.

Was machen Sie den Sommer über?
Ich bin weiterhin als Staff-Verantwortlicher für das EFG Swiss Open Gstaad beauftragt. Ein Job, bei dem ich auch lerne, mich selbst zu organisieren, die Helfer zu verwalten und – wer weiss – vielleicht neue Schneesportlehrer für den nächsten Winter zu rekrutieren! Im August werde ich dann die Stelle des Skischulleiters übernehmen.

Wie lange sind Sie schon als Skilehrer für die Skischule Schönried im Einsatz?
Der Schneesport war schon immer eine Leidenschaft von mir und meiner Familie. Mit eineinhalb Jahren machte ich meine ersten Schritte auf den Ski vor dem Chalet meiner Grosseltern in Schönried. Ich bin in Neuenburg aufgewachsen, aber wir kamen fast jedes Wochenende zum Skifahren ins Saanenland. Als ich dann 17 Jahre alt war, nahm ich Kontakt mit Johny auf und so kam es, dass ich in der Saison 2011/12 bei Snowsports Saanenland anfing zu arbeiten. Die letzte Saison war also die elfte als Skilehrer und die sechste als Ausbilder.

Können Sie sich vorstellen, ebenso lange wie Johny als Skischulleiter unterwegs zu sein?
Ich habe grosse Bewunderung für die Arbeit, die Johny geleistet hat. Nur die Zukunft wird es zeigen. Solange ich das Gefühl habe, dass ich einen Mehrwert bieten kann und das Umfeld von Snowsports Saanenland mich unterstützt, bin ich bereit, jede Herausforderung anzunehmen.

Was gehört denn eigentlich alles in den Aufgabenbereich eines Skischulleiters?
Johny Wyssmüller:
Die Skischule ist ein KMU, das in einer kurzen Zeitspanne des Jahres den gesamten Umsatz generieren muss. Dazu braucht es unternehmerisches Denken und Handeln. Ein Generalist ist für das breite Aufgabenspektrum gegenüber einem Spezialisten sicher besser gerüstet.
Fabrice Thormann: Dies erfordert ein sehr vielfältiges Bereichsmanagement
– Kunden, Schneesportlehrer und Büromitarbeiter, Marketing und Kommunikation, Interessengruppen, Material, Buchhaltung, Finanzen, Events. Um Johnys Worte aufzugreifen, würde ich sagen, dass diese Stelle für einen Generalisten mit umfassenden Kenntnissen des Umfelds, in dem die Schweizer Skischulen angesiedelt sind, geeignet ist.

Aus der Skischule Schönried hört man selten bis nie von Personalmangel oder ausbleibenden Kunden – die beiden letzten Jahre mal unbeachtet. Was machen Sie anders als andere Skischulleiter?
Johny Wyssmüller:
Bereits früh setzten wir auf Ausbildung und Weiterbildung unseres Staffs mittels Kursen und internen Trainings. Bei den Gästen ist eine oft jahrelange Kundenbindung gewachsen, die durch die Mund-zu-Mund-Propaganda gut funktioniert und sich gut entwickelt..
Fabrice Thormann: Das ist Johnys Leistung. Ich hoffe, dass die gleiche Feststellung im April 2023 gemacht wird.

Es ist das Zeitalter der Unverbindlichkeiten. Gibt es Ihrer Ansicht nach dennoch Möglichkeiten, um sowohl Lehrkräfte als auch Kunden längerfristig zu binden?
Johny Wyssmüller:
Aus- und Weiterbildung der Lehrkräfte in allen Belangen bringen Qualität und Flexibilität für die Gäste in unserer einmaligen Gegend.
Fabrice Thormann: Ja, natürlich. Die Treue der Kunden wie auch der Schneesportlehrer ist ein Schlüsselpunkt für die Stabilität der Struktur. Die Qualität unserer Dienstleistungen ist entscheidend.

Wie können die Skischulen den zukünftigen Herausforderungen – Stichwort Schneemangel – begegnen? Vielleicht haben Sie beide die Idee.
Johny Wyssmüller:
Der Winter ist durch nichts zu ersetzen, jedoch sind und werden die schneelosen Monate immer in der Überzahl sein. In Zusammenarbeit mit den hiesigen Leistungsträgern, wie Gstaad Saanenland Tourismus, den Bergbahnen Destination Gstaad sowie den Hotels und so weiter, gilt es, neue gästespezifische Angebote zu präsentieren. Im Bereich von Sportveranstaltungen ist besonders in der Low Season noch Luft nach oben.
Fabrice Thormann: Wichtig ist, dass wir unsere Angebote ständig neu beurteilen, um sie an die aktuelle Situation anzupassen.

 


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