Eine gelungene Premiere

  22.08.2022 Kultur, Tradition, Gstaad, Saanenland, Konzert

Die Alphorngruppe Gstaad besteht seit 13 Jahren. Am vergangenen Samstag hat die Formation zu ihrem ersten Konzertabend eingeladen. Gastformationen waren die Jodlergruppe «Echo vom Flösch» aus dem Obersimmental und das Orchestre Régis Henchoz aus dem Pays-d’Enhaut.

ANITA MOSER
Nicht von ungefähr wählte die Alphorngruppe Gstaad die Werkstatt der Reuteler Holzbau AG als Konzertsaal für ihre Premiere. Einerseits ist Arnold Reuteler Mitglied der Alphorngruppe Gstaad, andererseits ist die Werkstatt bei schlechtem Wetter auch das Übungslokal. Bei schönem Wetter wird jedoch draussen geübt.

Nach und nach füllte sich die Halle am vergangenen Samstagabend. Die Gastgeber hatten ein abwechslungsreiches Programm zusammengestellt. Sie spielten in verschiedenen Formationen – als ganze Gruppe, als Duo oder Trio. Im Wechsel traten die Frauenformation «Echo vom Flösch» aus dem Obersimmental und die Drei-Generationen-Familienkapelle des Orchestre Régis Henchoz aus dem Pays-d’Enhaut – mit Grossvater Bernard, Sohn Régis und den zwei Enkeln Ami (14-jährig) und Isaac (13) – auf. Für die Verpflegung nach dem Konzert war gesorgt und zur Musik der Familienkapelle wurde auch noch das Tanzbein geschwungen. «Das war eine gelungene Premiere», war man sich einig.

Gegründet anno 2009
Gegründet wurde die Alphorngruppe Gstaad vor 13 Jahren. «Auf das Kantonal-Bernische Jodlerfest, das 2009 in Gstaad stattfand. Für die Organisation brauchte es einen Trägerverein», erklärte Präsident Stefan Karnusian. Die Stammformationen bilden drei Frauen und vier Männer: Käthi Ludi, Julia Reichenbach, Petra Schläppi. Ruedi König, Stefan Karnusian, Arnold Reuteler und Philippe Chevalier.

Vom Punker zum Alphornbläser
Stefan Karnusian bläst seit bald zwanzig Jahren Alphorn. Eigentlich sei er über das Curling dazu gekommen – Stefan Karnusian ist auch ein leidenschaftlicher und erfolgreicher Curler. 1997 seien sie nach Kanada gereist, um Curling zu spielen. Thomas Bürki (†) habe das Alphorn seines Schwagers mitgenommen – Alphorn und Schweiz gehörten doch zusammen. Unterwegs zum Flughafen hätten sie mit Üben begonnen. «Ich habe Töne herausgebracht», erinnert sich Karnusian. Zugute kam ihm, dass er bereits als Schulbub ein Blechinstrument gespielt hatte, wenn auch nur kurz. «In Kanada waren wir natürlich die Grössten…» Er habe sich danach aber vorgenommen, dass er, wenn er das nächste Mal nach Kanada reise, richtig Alphorn spielen könne. Gesagt, getan. Er hat bei Fritz Frautschi einen Dreitageskurs belegt und danach Stunden genommen. «Ich gehe immer noch in die Musikschule, mittlerweile zu Dominik Ziörjen.»

Was ihm das Alphornblasen bedeutet? Er lacht: «Freizeitbeschäftigung kann ich nicht sagen – ich habe ja fast keine Freizeit vor lauter Hobbys…» Und ernsthaft: Ihm gefalle das Zusammensein, das Gemütliche, das Urchige, das Traditionelle. Und er ergänzt schmunzelnd: «Dafür, dass ich mit 18 ein Punker war…»

Profimusiker Philippe Chevalier ist musikalischer Leiter
Musikalischer Leiter der Alphorngruppe Gstaad ist Philippe Chevalier. Er hat als einziger der Gruppe Musik – Trompete – studiert, war von 1960 bis 1970 am Konservatorium. «Ich habe klassische Trompete gespielt», erzählt Chevalier. Zum ersten Mal Alphorn gespielt hat er an einem 1. August auf dem Golfplatz – und zwar mit Stephan Karnusian. Das war allerdings nicht geplant. Jemand habe ihm ein Alphorn ausgeliehen. «Von der Trompete zum Alphorn ist es kein grosser Unterschied», relativiert er. Durch Stephan Karnusian sei er zur Alphorngruppe Gstaad gestossen. «Die Ambiance war genial», schwärmt er. Er habe mit der Gruppe am Kantonalfest in Wangen an der Aare teilgenommen «und es hat mich gepackt, hat mir den Ärmel reingenommen.» Nachdem Tobias König als Dirigent aufgehört habe, habe man ihn für dessen Nachfolge angefragt. Erst habe er abgelehnt. Er habe sein Leben lang «befehlen müssen. Ich wollte nur spielen, ein Bier trinken, eine Pizza essen und fertig», erzählt er über seine damalige Gemütslage. Etwa ein halbes Jahr habe er sich gesträubt, letztlich dann doch zugesagt und es bisher nicht bereut. Aber er wolle nicht nur dirigieren, sondern auch mitspielen. «Wir spielen nicht nur traditionelle Stücke», erklärt Chevalier. «Und wir sind noch nicht bei 100 Prozent», sagt er mit einem Blick auf seine Truppe, aber das Potenzial sei vorhanden.

Fast, wie wenn andere Yoga machen
Julia Reichenbach, eine der drei Frauen in der Formation, spielt seit rund zwölf Jahren Alphorn. An einem Geburtstagsfest habe jemand Alphorn gespielt und da habe sie es auch mal probieren wollen, erzählt sie. Sie habe nicht mal Noten lesen können. «Ich konnte nichts, ausser Töne erzeugen.» Nun nimmt sie – wie die meisten der Gruppe – regelmässig Musikstunden bei Dominik Ziörjen. Alphorn spielen sei für sie fast so, wie andere Yoga praktizierten. «Du musst herunterkommen, deine Wurzeln spüren, Boden haben, ruhig sein, wie ein Schafhirt auf dem Berg oben», zieht sie einen Vergleich.

Käthi Ludi bedeutet vor allem das Zusammensein in der Gruppe viel. Sie habe in jungen Jahren viel musiziert, habe Blockflöte, Gitarre und Altflöte gespielt, erzählt sie. Als junge Mutter habe sie dann aber ihr Hobby zurückgestellt. «Als die Kinder ausgeflogen sind, wollte ich wieder etwas für mich machen.»

Das Eidgenössische als nächstes Ziel
Die Alphorngruppe Gstaad nimmt auch an Wettbewerben teil. So vor wenigen Wochen am Bernisch-Kantonalen in Ins. Zum Teil wurden sie mit einer 1 benotet, im Trio mit einer 2, in der Gruppe hätten sie etwas Pech gehabt, erzählt Stephan Karnusian. Ihr nächstes Ziel ist die Teilnahme am Eidgenössischen Jodlerfest 2023 in Zug.

Video unter https://tinyurl. com/24rtyt6n


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