Gefühlsbetontes Eintauchen in sinfonische Schönheiten

  05.09.2022 Kultur

Mit Beethovens Violinkonzert und Mahlers vierter Sinfonie war der gefühlsbetonte, stimmungsgeladene Musikabend im Rahmen des Menuhin Festivals perfekt. Eine Topbesetzung in allen Bereichen hielt das Publikum im Festivalzelt Gstaad über zwei Stunden lang in Atem; es verhielt sich mucksmäuschenstill.

LOTTE BRENNER
Ein wundervolles Solokonzert für Violine – mit einer wundervollen Geigerin – eröffnete den ausdrucksvollen Abend «Wien 1901 – Beethoven 250» im Festivalzelt Gstaad. Es gibt kaum ein Solokonzert für Violine, das den Klangcharakter des Instruments so vielseitig und tiefgründig zum Ausdruck bringt, wie das Violinkonzert von Ludwig van Beethoven in D-Dur, op. 61. Die Violinistin Bomsori Kim, Menuhins Heritage Artist, wurde mit ihrem gefühlvollen Geigenton – gepaart mit musikalischem Tiefgang – dem grandiosen Meisterwerk mehr als gerecht.

Nach den vier leisen Paukenschlägen, die den ersten Satz sanft einleiten, folgen leuchtende Gesänge, oftmals sehr zurückhaltend, im ersten Satz nur von Bläsern und Pauke präzis begleitet. Auch im zweiten Satz wird das Thema von den Streichern zunächst pianissimo angegangen, bevor Hörner, Klarinetten und das Fagott trillernd das Violinspiel verzieren. Dabei bringt Bomsori Kim die Sopranstimme der Violine sensibel zum Singen. Kraftvoll und heiter, mit einem mitreissenden Finale, endet das wunderschöne Konzert.

Mit der Sarabande aus der zweiten Partita von Johann Sebastian Bach verabschiedete sich die beeindruckende Solistin vom begeisterten Publikum. Die grosse Aussagekraft von Bomsori Kim wurde unterstützt durch das hr-Sinfonieorchester Frankfurt, unter dem Dirigenten Alain Altinoglu, das sowohl äusserst zurückhaltend, mit zarten Bläserpassagen oder filigranen Streicher-Staccati wie monumental, mächtig und gross auftrat: Mit allen Voraussetzungen für die nachfolgende vierte Sinfonie in G-Dur von Gustav Mahler.

Ungewöhnliche Techniken
Gustav Mahler geht in seiner vierten Sinfonie ungewohnte Wege. So erzeugt er mit einer falsch eingestellten Geige (je nach Intervall von einer Quarte auf eine Quinte) «volkstümliche Elemente», was den Konzertmeister, der in diesem Konzert mit wunderschönen Solopartien bedacht wird, veranlasst, je nach dem geforderten Intervall die jeweilige Geige (aus drei bereitgestellten Instrumenten) zu wählen. Verschiedene Perkussionsarten und unter anderem auch Glockentöne werden eingesetzt, um die Vorstufe des Paradieses möglichst intensiv zu illustrieren – lieblich unberührt, oft fast nur gehaucht, dann wieder ganz gross emotional, mit schrillen Akzenten. Die märchenhafte Lyrik dieses Werks bereitet die Zuhörer wunderbar auf das himmlische Leben vor, das am Schluss der Sinfonie in Form der Vertonung von «Des Knaben Wunderhorn» nach Clemens Brentano ausgelebt wird.

Dieser harmonische Ausklang mit der hinreissenden Sopranistin Chen Reiss – deren Stimme für diesen Part wie gemacht ist – hinterliess einen fast sakralen, wohltuend friedlichen Nachhall.


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