Glückliches Huhn, leckeres Ei

  10.10.2022 Gstaad

Das Tierwohl steht für den Tierschutzverein Saanenland an oberster Stelle. So auch für den Vizepräsidenten Kobi Zeller, der eine Hühnerfarm im Grund betreibt. Gemeinsam mit Präsident Rolf Steiner und dem Verein hat er einen informativen Tag der offenen Tür im Hennenstall veranstaltet.

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«Gack, gack, gack, gaaack!», schallte es aus allen Ecken, als Kobi Zeller mit einer Gruppe Interessierter seinen Hennenstall betrat. Wer noch nie in einem war, ist überrascht, wie menschlich sich das Gegacker von Hühnern anhört. Kein Wunder wird eine lebendige Diskussionsrunde mit einem Hühnerstall verglichen. Die Hühner von Kobi-Ei im Grund reklamierten, weil so viele fremde Leute gleichzeitig in ihrem Zuhause waren. Zeller stupste sie immer wieder zurück, damit sie hinter der Gruppe blieben. Als wir den Ausgang ansteuerten, zeigte sich auch wieso: Sie nutzten die Chance, als ihr Halter unaufmerksam war, und pickten mit ihren Schnäbeln auf die Schuhe der Eindringlinge. «Legt euch nicht mit uns an», war aus dem Gegacker zu entnehmen.

Ein Verhalten, dass allerdings klar gegenüber den Fremden zum Vorschein kam. Bei Kobi Zeller sah es anders aus: Wollte er eine Henne ergreifen, um etwas zu demonstrieren, lief sie nicht hysterisch davon, sondern liess sich ohne Widerstand fassen. Der Umgang zeigt, wieso: Zeller spricht mit ihnen und behandelt sie behutsam. Er kümmert sich um das Wohl der Tiere, und das war auch das Thema des Besuchstags.

Veranstaltung statt Generalversammlung
Der Tierschutzverein Saanenland veranstaltete gemeinsam mit Kobi-Ei einen Tag der offenen Tür, an dem die Interessierten einen Einblick in die Hühnerfarm erhielten und Fragen zur Freilandhaltung stellen konnten. «Wir haben in den letzten Jahren bemerkt, dass immer weniger Leute an unsere Generalversammlung gekommen sind. Wir haben uns deshalb für die zukünftige schriftliche Durchführung entschieden, organisieren aber dafür ein- oder zweimal pro Jahr einen Anlass, bei dem wir Mitglieder und Interessierte zusammenbringen und über den Tierschutz und unsere Aufgabe informieren können», erklärte Präsident Rolf Steiner (siehe Kasten). Der Tag der offenen Tür bei Kobi-Ei sei die erste Veranstaltung. «Die Familie betreibt die Hühnerfarm bereits seit 30 Jahren. Wir alle fahren immer wieder vorbei, sehen die Hühner, kaufen auch vielleicht die Eier. Was aber dazwischen geschieht, weiss eigentlich niemand. Wir wollten deshalb einen Einblick gewähren vom Eierlegen bis hin zur Verpackung.»

Ein weiterer Grund, weshalb sich der Tierschutzverein für die Hühnerfarm entschieden habe, sei die vergangene nationale Abstimmung über die Massentierhaltung. «Wir wollten zeigen, wie Tiere natürlich gehalten werden, genügend Auslauf bei Tageslicht erhalten und wie sie sich ihrem normalen Verhalten entsprechend entwickeln und bewegen können», erklärte Steiner. Das Interesse schien vorhanden zu sein: Trotz Wettermisere war der Bauernhof immer gut besucht – kaum beendete Kobi Zeller die eine Führung, schon begann die neue. Rund 60 Leute hätten dem Anlass beigewohnt, wie der Präsident angab.

Fun Facts über das Huhn
Zeller, der auch Vizepräsident des Tierschutzvereins Saanenland ist, führte die Besuchenden vom Hennenstall zur Eierverpackung bis hin zur Eierweiterverarbeitung, beispielsweise der Trennung und Abfüllung von Eiweiss und Eigelb, um den Leuten die Eierproduktion und die Haltung von Hühnern näherzubringen. Einige spannende Fakten über das Huhn gefällig? Während des Winters kann Zeller die Hühner nicht in den Schnee lassen, weil sie diesen aufpicken. «Es sammelt sich Wasser im Bauch an, sie haben keinen Hunger, essen das Legefutter nicht und folglich legen sie keine Eier mehr», erklärte Zeller. Zudem kann ein Huhn gar nicht schlucken, weshalb im Stall alle Wasserschälchen erhöht aufgehängt sind, damit die Henne nur das Wasser den Rachen hinunterfliessen lassen kann. «Ein weiterer positiver Effekt: Das Wasser bleibt immer sauber», so der Halter.

Das Huhn sei ein sehr soziales Tier, das stets seine eigene kleine Gemeinschaft innerhalb der Herde um sich habe. Auch Hierarchien seien vorhanden. «Ich habe jeweils zwei Herden unterschiedlichen Alters.» Manchmal komme es vor, das eine neugierige, jüngere Henne über den Zaun fliege. «Die Älteren ärgern sich und schliessen sie aus. Man findet sie oftmals alleine in einer Ecke vor und folglich retten wir sie», erzählte Zeller. Eben: ein Tierschützer.


WO STEHT DER TIERSCHUTZVEREIN IM EINSATZ?

Der Tierschutzverein Saanenland ist dem Schweizer Tierschutz STS angegliedert, der nationalen Organisation. «Damit verpflichten wir uns gegenüber den vorgegebenen Reglementen und Vorgaben», erklärt Rolf Steiner, Präsident des Tierschutzvereins Saanenland. Der grösste Teil des Aufgabenbereichs beziehe sich auf Katzen. «Wilde Katzen gebären ihre Jungen oftmals bei Bauernhöfen oder Holzstapeln. Wenn wir eine Meldung erhalten, sammeln wir sie ein und bringen sie zum Tierarzt.» Dieser kontrolliert die Jungen, die der Tierschutzverein regional weitervermittelt oder den Tierheimen in Bern und Thun übergibt. Die Muttertiere würden untersucht, kastriert und wieder freigelassen. «Die Wildkatzen fühlen sich in der Freiheit am wohlsten und sie können auch überleben», erklärt Steiner. Durch die Kastration werde allerdings die Wildkatzenpopulation kontrolliert. Der weitere Aufgabenbereich, den der Tierschutzverein wahrnimmt, ist die Kontrolle von gemeldeten Missständen. «Erhalten wir die Information, dass an einem Ort mit Katzen, Hunden oder Nutztieren nicht richtig umgegangen wird, suchen wir in einem ersten Schritt das Gespräch mit dem Halter», so Steiner. Oftmals stelle sich heraus, dass alles in Ordnung sei und jemand eine bestimmte Situation missverstanden habe. «Wenn es sich aber tatsächlich um einen Tierschutzfall handelt, versuchen wir im Gespräch, etwas zu erreichen.» Zeige sich die Person allerdings nicht einsichtig, melde der Tierschutzverein den Fall bei der Polizei oder dem kantonalen Veterinäramt. «Da wir keine Exekutivbehörde sind, können wir nicht selbst aktiv werden», erklärt Steiner.

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