Einmal für die Kinder, immer für die Kinder

  18.10.2022 Saanenland

Ein Geschenk kann auch eine Verpflichtung sein. Vor allem, wenn es sich um ein zweckgebundenes 80-jähriges Ferienheim handelt. So muss die Stadt Solothurn ihr Ferienheim für fast vier Millionen Franken sanieren – zur Freude der Schulkinder.

KEREM S. MAURER Um «ärmlichen und schwächlichen» Solothurner Schulkindern etwas Gutes zu tun, wurde anno 1894 die Schülerfürsorgekommission gegründet. Sie verfolgte von Anfang an die Idee, eines Tages ein eigenes Ferienheim zu bauen. Doch vorerst wurde im Winter 1894/95 eine Suppenanstalt ins Leben gerufen. Dazu heisst es im entsprechenden Jahresbericht: «Wie im Laufe des strengen Winters für bedürftige Kinder mittels einer kräftigen Suppe gesorgt wurde, soll während der Ferien den schwächlichen Kindern als Fortsetzung der Suppenanstalt ein Asyl gegeben werden, in welchem sie neben gesunder Bergluft gute Nahrung und tägliche Bewegung im Freien haben sollen.»

Saanenmöser überzeugte
Am 29. Juni 1939 schrieb die «Solothurner Zeitung» im Rahmen ihrer Berichterstattung über die offizielle Einweihungsfeier des Solothurner Ferienheims in Saanenmöser, man habe in den Jahrzehnten nach der Gründung der Schülerfürsorgekommission einen Fonds über 100’000 Franken geäufnet. Dazu seien noch je 15’000 Franken von einer Schüleraufführung und einer Sammlung im Frühling 1937 gekommen. Zusammen mit der Zusicherung von Subventionen in der Höhe von 45’000 Franken von den Kantonen Bern und Solothurn sowie der Gemeinde Saanen habe man mit dem 152’000 Franken teuren Bau eines Ferienhauses beginnen können.
Doch warum in Saanenmöser? Der erwähnte Bericht beantwortet diese Frage so: «Der Jura bietet bei dem geringen Höhenunterschied eine zu kleine klimatische Differenz; Saanenmöser aber eignet sich nicht nur zum Sommeraufenthalt, sondern ist auch ein wichtiger Wintersportplatz und weil man daran dachte, gerade auch im Winter Kinder aus unserer nebelreichen Stadt an die Bergsonne zu schicken, entschied man sich für diese Wahl.»

Liegen waren unbeliebt
«Das Haus sieht eigentlich noch genau so aus wie auf den Fotos der Einweihung. Räume und Raumaufteilung blieben praktisch unverändert», erklärt die Schuldirektion der Stadt Solothurn. Dazu noch einmal ein Auszug aus dem Einweihungsbericht: «Durch einen Vorraum, in welchem im Winter die Schier abgestellt werden, gelangt man in die Garderobe zum Wechseln der Schuhe. Neben der Zentralheizung liegen ein grosser Trockenraum und die Badeeinrichtungen.» Tatsächlich gibt es bis heute nur eine Duschanlage, die von Mädchen und Jungen genutzt wird. «Erst duschen die Mädchen eine Stunde, dann sind die Jungs dran», erklärt Andrea Hauswirth, die seit zehn Jahren als Hauswartin waltet. «Im ersten und zweiten Stock befinden sich die hübschen Schlafzimmer, die Zimmer für die Kolonieleitung und zwei grosse sonnige Liegehallen», heisst es im Einweihungsartikels weiter. Der Autor weist darauf hin, dass die erwähnten Liegen nie besonders beliebt waren und infolgedessen in einen Schul- und einen Pingpong-Raum umfunktioniert wurden.

Nicht den eigenen Kopf durchsetzen
Am 30. August 1988 titelte die Solothurner Zeitung zum 50-jährigen Bestehen des Ferienheimes: «Tausende von Solothurner Kinder beherbergt» und beschreibt das Ferienlager als wichtiges Gemeinschaftserlebnis. Weil die Familien kleiner und die Möglichkeiten für «gemeinsames Tun und Spiel» abnähmen, hätten Ferienlager als Gelegenheit, in einer grösseren Gemeinschaft zu leben, an Bedeutung gewonnen. «Rücksicht nehmen auf andere, nicht immer seinen Kopf durchsetzen können, etwas zum gemeinsamen Wohl beitragen, teilen müssen, kommt manch einen wenigstens am Anfang recht hart an. Letztlich spricht aber doch alle das Leben in einfachen Verhältnissen an, es gibt wohl nur wenige Schüler, die dieses Erlebnis missen möchten.» Dass die Solothurner Schulkinder bis heute Freude am Lagerleben haben, zeigt der Blick in die jüngste Vergangenheit.

«Juhu! Wir gehen ins Klassenlager!»
Grussbotschaften von Solothurner Kindern, die das jährliche Musiklager ihrer Musikschule besuchen, zeugen von zufriedenen Kindern, die fantasievoll ihre Erlebnisse schildern. Genauso wie Stimmen aus dem Skilager 2018: «Der bunte Abend mit der Olympiade und Disco war toll!», kurz und bündig unterschrieben mit «alle». Andere lauten: «Wir fanden die Nächte spannend, witzig, kuschelig und bequem» oder «Das Zusammensein in der Gruppe hat mir gut gefallen». Im Lagertagebuch der 3. und 4. Klasse Wildbach vom April 2019 heisst es: «Juhu! Wir gehen ins Klassenlager!» und «Das Putzen war gar nicht so schlimm, wie ich angenommen habe.»

Jetzt wird saniert
Offenbar hat sich der Wunsch der Schülerfürsorgekommission, den Kindern etwas Gutes zu tun, erfüllt. Und diese Kommission wollte, dass dies so bleibt. Als sie sich auflöste, schenkte sie das Ferienheim der Stadt Solothurn, welche dieser Schenkung 1971 einstimmig zustimmte. Im Schenkungsvertrag wurde festgehalten, dass das Ferienheim von den Solothurner Stadtschulen weiterbetrieben werden muss und nur zu Zwecken der Jugendförderung und Erholung verwendet werden darf. Die Einwohnergemeinde der Stadt Solothurn übernahm die Vereinbarungen mit der Verpflichtung, sie etwaigen Rechtsnachfolgern zu überbinden. In der Folge zog man eine Veräusserung des Ferienheims in Erwägung. Doch auf Antrag der Gemeinderatskommission (GRK) lehnte der Gemeinderat die Überprüfung eines Verkaufs im September 2007 ab.

«Nach über 80 Jahren ist eine Gesamtsanierung unumgänglich. Das Gebäude entspricht bezüglich Hindernisfreiheit, Brandschutz, Erdbebensicherheit und ökologischen Aspekten nicht mehr den aktuellen Sicherheitsbestimmungen und Vorgaben», schrieb der Gemeinderat auf seiner Website. Am 24. Januar 2021 stimmten 75 Prozent der Solothurner Stimmberechtigten dem Gesamtsanierungskredit in der Höhe von knapp vier Millionen Franken zu. Auf dass auch in Zukunft die Solothurner Schulkinder – auch wenn diese heute nicht mehr ärmlich und schwächlich sind – dem winterlichen Nebel ihrer Stadt entfliehen und sich in der Bergsonne des Saanenlandes erholen können.


FERIENHEIME IM SAANENLAND

Rund 20 Ferienheime stehen mitunter an bester oder schönster Lage im Saanenland. Viele von ihnen sind im Besitz von auswärtigen Schulen oder Vereinen, andere sind seit Generationen im Besitz einheimischer Familien. Die meisten dieser Häuser wurden ursprünglich als Gruppenunterkünfte gebaut, andere dienten jedoch erst landwirtschaftlichen Zwecken, bevor sie in Herbergen umfunktioniert wurden. So unterschiedlich ihre Geschichten auch sind, eines haben sie gemeinsam: Wer einmal in einem Ferienlager im Saanenland gute Zeiten erlebt hat, kommt irgendwann wieder hierhin zurück. So sind Ferienheime mehr als nur Herbergen, sie sind Lebensschulen, Erinnerungsstätten und manchmal auch Sehnsuchtsorte. In loser Folge porträtieren wir einige von ihnen.

KEREM MAURER


SOLOTHURNER FERIENHEIM

Total 61 Schlafplätze

1. OG (Platz für 24 Personen):
3 mal sechs Betten
1 mal 3 Betten
1 Leiterzimmer für 2 Personen

2.OG (Platz für 32 Personen):
3 mal sechs Betten
1 mal 3 Betten
1 Leiterzimmer für 2 Personen
1 Leiterzimmer für 1 Person
1 Schlafraum für 8 Personen

3. OG: (Platz für 5 Personen)
3½-Zimmer-Wohnung
2 Leiterzimmer für je 2 Personen
1 Aufenthaltsraum mit 1 Bett

1 Duschenraum im Keller, Waschräume im 1. und 2. OG, Terrassen und Balkone. Ein grosser Fussballplatz, Tischtennistische und Spielgeräte. Geeignet als Lagerort für alle Schulstufen in jeder Jahreszeit.


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