Frauenfrühstück oder die etwas andere Sprechstunde

  07.11.2022 Saanen, Gesellschaft, Saanenland

Vergangenen Samstag schaffte ich es wieder mal, an ein Frauenfrühstück zu gehen. Wie die letzten Male war es ein Kampf mit der Zeit, bis ich – zusammen mit ca. 120 anderen Frauen – im schönen Landhaussaal vor einem schön dekorierten und grosszügig gedeckten Zmorgetisch sass.

Nach dem Stress der letzten Stunde und während mir zwei Teamfrauen einen Milchkaffee einschenken, habe ich nun Zeit mich zurückzulehnen, mich umzuschauen und mit meinen Tischnachbarinnen ein wenig zu «dorfen». Meine Augen suchen die Referentin und finden sie. Ich weiss nur, dass sie Armee-Seelsorgerin und Pfarrerin in einer reformierten Kirche ist. Sonst bin ich gespannt, wer sie ist und was sie uns an diesem Morgen zu erzählen hat. Um «Äckegstabi» zu vermeiden, drehen sich für den Vortrag alle um 90 Grad nach vorne und hören nun gespannt Sabine Herold zu. Sie erzählt wenig von sich selbst und steigt rasch ins Thema ein: Mein Leben betrachten. Okay, das ist etwas schwierig. Ich werde jetzt nicht die 40 Jahre meines Lebens in den nächsten 60 Minuten betrachten können. Herold weiss das und schlägt vor, dass wir uns einfach kurz überlegen, wofür wir in unserem Leben dankbar sind. Ich lasse mein Leben Revue passieren und finde viele schöne Erinnerungen. Auch an die schwierigen Dinge muss ich denken. Ich merke aber, dass ich dafür auch dankbar bin. Denn dadurch bin ich irgendwie reifer geworden. Die Pfarrerin ermutigt uns, dass schon bei unserer Zeugung und bei unserer Geburt einer präsent war, der uns haben wollte, der ein grosses Ja zu unserem Leben sagt. Ein grosses Ja zu unserem Leben als Ganzes mit allen Freuden und allem Leid. Schon in den ersten Büchern der Bibel zeigt sich Gott als einer, der von Anfang an dabei war und uns mit unserem Leben nicht allein lässt. Sabine Herold zitiert Fragen, die Gott dem Menschen stellte und immer noch stellt: «Wo bist du? Wo kommst du her? Was ist mit dir? Wo willst du hin?» - Das klingt so, als wäre Gott ein Seelsorger. Als könnte ich zu ihm in die Sprechstunde gehen und mit ihm über die grossen Themen des Lebens sprechen. Genau darauf möchte die Armee-Seelsorgerin hinaus: Wir dürfen gerade mit dem Schwierigen unseres Lebens zu Gott in die Sprechstunde gehen und es mit ihm zusammen betrachten. Uns von ihm berühren lassen. Sein Ja für unser Leben wahrnehmen und das Leben als Ganzes annehmen. Das Ziel ist, dass wir nach der Sprechstunde unsere Hände und unser Herz wieder frei haben für das, was kommt. Dass wir wieder Kraft und Freude haben, Hindernisse zu überwinden und über Mauern zu springen.

Passend dazu brachte uns Sabine Herold einen besonderen Leckerbissen mit: Sie erzählte uns von Menschen aus der Bibel, deren Name Programm war. Dabei lud sie uns ein zu überlegen, ob die Geschichten mit uns zu tun haben könnten. Ihre Faszination für alle diese Geschichten von Menschen war deutlich zu spüren. Es war wirklich auch spannend, wie diese Menschen hiessen und was die damals hebräischen Namen alles beinhalteten. Das Leben war mit der Namensgebung gewissermassen schon vorprogrammiert. So erzählte sie von Jakob (=Betrüger, Überlister), der tatsächlich ein Betrüger war und gerne auf seinen eigenen Vorteil bedacht war. Auch einige Male Gott «dripfuschte», weil er meinte, er müsse ihm nachhelfen. Dann kam einmal ein Moment der grossen Angst bei Jakob. Genau da kam plötzlich ein Fremder, der mit ihm kämpfte und mit ihm redete. Und er gab ihm einen neuen Namen: Israel. Was soviel heisst wie «Gott bestimmt». Später begriff Jakob, dass Gott selbst ihm begegnet war. Ein Wendepunkt im Leben Jakobs, wo er vom Betrüger zu einem Mann wurde, der Gott das Zepter seines Lebens übergab.

Lea, die erste Frau von Jakob, war auch eine Spannende: Ihr Name heisst «arbeitsam, müde» – man könnte sagen: langweilig. Doch im Nachhinein zeigte sich, dass sie die Gesegnete war: Ihr Selbstwertgefühl war am Boden, weil ihre jüngere Schwester von ihrem Mann mehr geliebt wurde als sie. Diese Schwesternkonkurrenz muss sehr schwer für sie gewesen sein. Aber: Sie war sehr kinderreich, ihre Schwester starb bei der Geburt des zweiten Sohnes. Bemerkenswert ist auch, dass sie indirekt im Stammbaum von Jesus aufgelistet ist! Also doch beachtet, gesegnet und am Schluss verewigt!

Ben-Jamin wurde bei der Geburt von seiner sterbenden Mutter Ben-Oni genannt: der Sohn des Unglücks. Doch Vater Jakob änderte den Namen um zu Ben-Jamin (= Sohn des Glücks). Sabine Herold hatte noch mehr Namensgeschichten auf Lager: Noemi (= die Liebliche), die nach all dem, was sie erleiden musste, Mara genannt werden wollte (= die Bittere). Hanna, deren Name «Gebeugte» aber auch «Begnadigte» heisst: Sie konnte keine Kinder bekommen und war dadurch tief unten. Nachher aber wurde sie «begnadigt», indem sie einen Sohn und später noch mehr Söhne zur Welt bringen durfte. Nach diesem Namen-Exkurs mit der immer wiederkehrenden und spannenden Frage «Was hat die Geschichte mit mir zu tun?» durften wir uns überlegen: Welcher Name oder welcher Titel steht über meinem Leben? Welchen Titel setze ich darüber? Was würde Gott schreiben? Eines versicherte uns Sabine Herold noch: Gott schreibt «wertvoll, kostbar, geliebt». Aber alles verrät sie uns nicht, sie weiss es auch nicht. Zum Schluss weist sie uns darauf hin: In der Bibel steht, dass jede Einzelne von uns bei Gott noch einen anderen Namen hat als unseren Rufnamen (Offenbarung 2, 17). Herold glaubt, dass es ein wunderschöner Name sein wird, der uns wohltun wird, wenn wir ihn eines Tages zum ersten Mal hören werden.

Mit frischer Zuversicht und irgendwie gestärkt stand ich auf und musste noch kurz zum Büchertisch «schnöige» gehen. «Herzenszeit mit Gott» von Sabine Herold, das könnte was sein für mich. Und das Kinderbüechli «Unterwegs mit dem guten Hirten» für meine Tochter und mein Gottimeitli.

Und nun schnell wieder heim und zurück zum Alltäglichen. Aber die Auszeit hat gut getan und mir neue Impulse gegeben, wie ich meine wertvolle Zeit gestalten und vielleicht neue Prioritäten setzen könnte. Zum Beispiel «Sprechstunde bei Gott» fest in die Agenda eintragen?

DANIELA ROMANG-BIELER

Sabine Herold ist in der Lockdown-Phase bekannt geworden durch ihre regelmässigen Ermutigungsmails. Für Interessierte: E-Mail [email protected].


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