Zarter Klang – grosse Inhalte
30.10.2023 NachbarschaftJaël präsentierte viel Neues neben einigem Alten – von allem war das Publikum restlos begeistert. Damit lassen sich die beiden Konzerte vom letzten Samstag zusammenfassen.
JENNY STERCHI
Die im Vorfeld in der Presse angekündigten ...
Jaël präsentierte viel Neues neben einigem Alten – von allem war das Publikum restlos begeistert. Damit lassen sich die beiden Konzerte vom letzten Samstag zusammenfassen.
JENNY STERCHI
Die im Vorfeld in der Presse angekündigten «gefühlvoll-fragilen» und «episch-kraftvollen» Momente lieferte Jaël am Samstagabendkonzert. Die Fabrik3770 hatte mit der reformierten Kirche in Zweisimmen einen Ort gefunden, an dem Jaël genau diese präsentieren konnte.
Magische Stimme
Mal pur mit Gitarrenbegleitung, mal mit sphärischen Klängen untermalt und mal ergänzt durch Töne vom Xylophon mit Geräuschen, die denen eines Glockenspiels ähnelten. Jaëls Stimme war immer da. Sie stieg in den Konzertabend ein mit Liedern ihres aktuellen Albums «Midlife». Die Idee hinter den Kompositionen darauf sei, wie sie dem Publikum selbst verriet, eine Art Bilanz aus Rückschau und Zukunftsplänen, eine Reflektion ihrer Persönlichkeit. Aber ganz klar mit der Absicht, Altes abzuschliessen und Neuem gelassener zu begegnen.
Im Laufe des Abends moderierte Jaël jedes Stück ehrlich und mitunter spitzbübisch an und gab dabei viel von sich Preis. Mit Liedern wie «Shuffle the cards» oder «Little Bit» – ein Erbe aus der Zeit mit «Lunik» – überzeugte sie mit ihren Musikerkollegen auf der Bühne komplett.
Begleitet von Cédric Monnier am Klavier, erhielt Jaëls Stimme mit dem Backgroundgesang des Gitarristen Domi Schreiber und des Bassisten Marco Blöchlinger zudem ein ruhendes, aber stabiles Fundament. Beide schienen genau zu verstehen, wann die Sängerin was mit ihren Liedern zu erzählen hatte. Die Einheit auf der Bühne, bedeckt mit einem riesigen Teppich, liess keinen Zweifel daran, dass die vier das Gleiche wollten. Gemeinsam Musik machen und erzählen.
Auseinandergesetzt
In dem Song «IiTii», ebenfalls zu hören auf dem Album «Midlife» und einer der wenigen, aber wunderbaren Mundartstücke, berichtet die Sängerin von der augenblicklich unwirtlichen Situation auf der Erde. In Anlehnung an den Film «E.T.», einem Kinoklassiker aus den 1980er Jahren. Ein ausserirdisches Wesen versuchte sich darin, mit den Gegebenheiten auf der Erde zu arrangieren, liess sich am Ende aber doch vom Ufo wieder abholen.
Wie sich am Ende des Konzertes herausstellte, hat nicht nur Jaël mitunter das Bedürfnis, sich von der Erde abholen zu lassen. Das Gefühl, die Gesellschaft wird ihr zunehmend fremder und die Hoffnung, dass es irgendwo anders besser geht, trafen offenkundig den Nerv des einen oder der anderen.
Nicht nur für Kinder
Der Nachmittag mit Jaël gehörte den Kindern. Bei der musikalischen Lesung mit dem Titel «Sensibeli steut sich vor» kamen die jungen Zuhörerinnen und Zuhörer ganz nah an die Sängerin, die selbst Mutter zweier Kinder ist, heran.
Und das war auch gut so. Denn es ist eine Geschichte der leisen Töne. Was über das «Sensibeli» zu erzählen war, brauchte keinen Lärm und keine krachende Lautstärke. Jaël beschrieb und besang alle Entdeckungen, die das «Sensibeli» so macht, in weichem Berndeutsch. Dabei halfen Cédric Monnier und Domi Schreiber mit ihren Instrumenten.
Und die Kinder in Zweisimmen tauchten ein. Deren Eltern, die sich in den hinteren Kirchenbänken platziert hatten, ebenso. Beim «Putztag» waren die kleinen Konzertbesucher kaum mehr einzufangen. Da kam das Lied der Raupe gerade recht. Und mir nichts, dir nichts hatten sich die Kinder zusammengekauert und mit farbigen Tüchern bedeckt. Genau wie die Raupe, die sich im Laufe des Liedes in einen prächtigen Schmetterling verwandelte. So taten es die Jungen und Mädchen vor der Bühne auch und flatterten eifrig mit den Flügeln aus eben jenen Tüchern.