Kolumne: Blick in die Welt - Schwarzer Mann im Weissen Haus

  30.01.2009 Leserbeitrag, Politik

von Gaudenz Baumann, ehem. Leiter der Auslandredaktion "Aargauer Tagblatt"

Mit dem 44. Präsidenten der USA ist erstmals ein Schwarzer ins Weisse Haus in Washington eingezogen. Der frühere deutsche Bundeskanzler Helmut Schmidt sagte in einem Interview, das zu seinem 90. Geburtstag am 23. Dezember letzten Jahres vom ARDFernsehen gesendet wurde, dass wohl kaum je zuvor ein amerikanischer Präsident «ein beschisseneres Erbe angetreten » habe als Barack Obama. Gleichzeitig erinnerte der «grand old man» der deutschen Politik unter Hinweis auf Obamas Charisma an Präsident John F. Kennedy: Drei Jahre nach dessen Wahl im November 1960 befanden sich die USA im Vietnam-Krieg! Wirtschaftlich eine ähnliche Ausgangsbasis wie Obama – Rezession, vergleichsweise hohe Arbeitslosigkeit und schlechte Stimmung der Konsumenten – hatten auch John F. Kennedy anno 1961 und Ronald Reagan im Jahr 1981 bei ihrer Amtseinsetzung. Reagan zählt heute zu den grossen amerikanischen Präsidenten, derweil George W. Bush als derjenige in Erinnerung bleiben dürfte, dem der Irak-Krieg vieles vermasselte. Zweifellos lastet das Erbe der zuletzt äusserst unpopulären Regierung Bush schwer auf den USA und liess den Ruf nach «Change» (Wandel) zur zentralen Wahlkampf-Forderung Obamas werden.

Doch in vier Jahren, wenn es um seine Wiederwahl geht, werden dem jetzigen Hoffnungsträger im Weissen Haus Schlagworte wie «Wandel» und «Hoffnung» (Hope) nicht mehr viel nützen, weil die Wählerschaft dann an der Urne über die von ihm und seiner Regierung erzielten Resultate abstimmen wird. Zwar hat sich Obama mit einem überwiegend soliden Team umgeben. An der globalen Wirtschaftskrise wird jedoch auch die Obama-Administration, von der wahre Wunder erwartet werden, nicht vorbeisehen können, wenn es um die Realisierung respektive Finanzierung von Wahlkampfversprechen (Ausbau des Sozialstaates, Sanierung der Infrastruktur, Stärkung des Militärs, neue Energiepolitik – und Konjunkturpaket samt Steuererleichterungen) geht. Wie dem auch sei: Nicht nur der neue VBSChef Ueli Maurer ist ein «Bundesrat unter Beobachtung», auch Präsident Obama («Yes we – nicht: I – can!») wird es nicht an kritischen Beobachtern fehlen. Ob mit der Wahl Barack Obamas ein neues Zeitalter, das so genannte Obamazän, angebrochen ist, weil «ein neuer Heiland» am Firmament erschienen ist, wie es in einem satirischen Jahresrückblick des ZDF-Fernsehens hiess – später in diesem Jahrhundert! Eines ist jedoch jetzt schon klar, auch wenn ein hartnäckiges Anti-USA-Ressentiment uns andauernd etwas ganz anderes einzutrichtern versucht: Wer bisher noch an der amerikanischen Demokratie und ihrer Selbstreinigungskraft gezweifelt hat, erhielt in der Wahlnacht eine Antwort, wie Obama in seiner Siegesrede voller Stolz betonte. Und es stimmt auch ohne Einschränkung, was die NZZ ihrer Leserschaft zum Jahresausklang mit auf den Weg ins neue Jahr gab: «Die Freiheit ist noch immer im Westen zu Hause. Sie wurde und wird hauptsächlich von aussen bedroht.» Hoffentlich war es kein schlechtes Omen, dass Barack Obama seinen Amtseid am 20. Januar 2009 auf derselben Bibel leistete wie 148 Jahre zuvor Präsident Abraham Lincoln, der ebenfalls aus Illinois stammte. Lincoln, der als einer der bedeutendsten amerikanischen Präsidenten gilt, wurde am 15. April 1865 von einem Fanatiker ermordet; John F. Kennedy ereilte dieses Schicksal am 22. November 1963.


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