Eine Bühne für Marionetten und Scherenschnittcollagen

  18.07.2016 Kultur

KULTUR Der Glasbodenraum im Heimatwerk dient noch bis am 3. September als Bühne für Marionetten von Elisabeth Galler, die Wände zieren farbige Scherenschnittcollagen von Käti Raaflaub. Es ist die zweite gemeinsame Ausstellung der zwei einheimischen Künstlerinnen, jedoch die erste im Saanenland.

ANITA MOSER
Die Vorbereitungen für die Ausstellung im Glasbodenraum des Heimatwerks und Museums Saanen habe die beiden Künstlerinnen viel Kraft gekostet, betonte Christa Cairoli, Präsidentin des Heimatwerks Saanen, an der Vernissage am vergangenen Freitag. «Aber der Aufwand hat sich gelohnt», meinte sie mit einem Blick in den Glasbodenraum.
Die beiden Künstlerinnen Elisabeth Galler und Käti Raaflaub verbindet eine lange, gemeinsame Geschichte. 1985 haben sie zum ersten Mal zusammen ausgestellt – aber nicht im Saanenland, sondern im Leukerbad. Über 30 Jahre später stellen die beiden nun gemeinsam in ihrer Heimat aus.

«Ich kann nur staunen»
Die 88-jährige Hildegard Vogel ist für die Ausstellung extra von Horw/LU angereist. Seit Jahren feiern sie und Elisabeth Galler am gleichen Ort Weihnachten. Dass ihre Bekannte Marionetten herstelle, eine Künstlerin sei, habe sie erst vor einem Jahr erfahren. «Ich kann nur staunen», so Hildegard Vogel. Wie ihr ging es an der Vernissage noch vielen.
Vom «Marionettenfieber» gepackt wurde Elisabeth Galler während ihrer Ausbildung zur Kindergärtnerin. Damals ist ihre erste Marionette entstanden. «Eine bewegliche Holzfigur herstellen zu können, faszinierte mich», sagte sie. Mit der Materie Holz ist sie als Tochter eines Schreiners seit ihrer Kindheit vertraut. Elisabeth Galler habe mit ihrem Beruf als Kindergärtnerin und mit ihrer Begabung und Passion als Marionettenbauerin zwei Leidenschaften vereinen können, so Christa Cairoli. «Sie hat viele Bilderbücher in Marionettentheater umgeschrieben und die Marionetten dazu selber gemacht.» So erstaune es nicht, dass sich die Kindergärteler regelrecht in die Figuren der Bücher verliebt hätten und auch den Erwachsenen, die in den Genuss gekommen seien von den Marionettentheatern, sei es nicht anders ergangen, so Cairoli. «Und so hat Elisabeth Galler angefangen, ihre Marionetten zu verkaufen.» Nicht ohne jedoch von jeder Marionette ein Foto zu machen, damit «ein Teil der Figur bei ihr bleibt».


150 Arbeitsstunden
Rund150 Stunden Arbeit stecken in einer Marionette. Elisabeth Galler stellt sie von A bis Z selber her, keine gleicht der anderen, jede hat ihren eigenen Charakter. Als Vorlage dienen Fotos von echten Personen. «Aus Zeitschriften habe ich Bilder von Gesichtern ausgeschnitten. Gesichter mit möglichst vielen Arten von Blickwinkeln, Ausdrücken, Haltungen, Charakterzügen, Kopfformen», erklärte Elisabeth Galler im Gespräch. Bevor sie mit dem Schnitzen der Hände beginne, überlege sie die Haltung jeder Hand. Soll sie leicht geöffnet sein oder so, dass sie eine Flöte halten kann? «Genaues Beobachten ist unerlässlich.» Selbstverständlich müssen auch die Proportionen stimmen und die Kleidung muss zur Marionette passen. Sie sehe die Marionetten als bewegliches Kunstwerk. «Sie können stehen, sitzen, knien.» Der bekannte Jugendbuchautor schrieb über diese Figuren: «Sie leben und sie haben – so scheint mir – eine sehr verletzliche, sensible Seele». Dem ist eigentlich nichts beizufügen.

Inspiriert vom grossen Künstler Hans Jakob Hauswirth
Käti Raaflaub sei durch einen Schicksalsschlag zu ihrer künstlerischen Leidenschaft gekommen, erzählte Christa Cairoli. In den 1980er-Jahren habe sie sich nach einem Skiunfall einer KnieOperation unterziehen müssen und habe ein halbes Jahr nicht gehen oder sich bewegen dürfen. In dieser Zeit habe sie den wunderschönen Bildband «Meisterwerke des Scherenschnitts» von Hans Jakob Hauswirth geschenkt bekommen. Fasziniert habe sie den Bildband mit den Kunstwerken von diesem «riesenhaften Mann mit den groben Händen» durchgeblättert. Einem Scherenschnittkünstler, dem man nachsage, er habe auf eine Konstruktion mit Draht zurückgreifen müssen, weil seine dicken, groben Finger nicht in die Löcher der kleinen Schere gepasst hätten, «unter dessen Händen aber trotzdem so filigrane Kunstwerke entstanden sind.» Als erstes habe Käti Raaflaub versucht, einen Scherenschnitt von Hans Jakob Hauswirth zu kopieren. «Das ist ganz gut geraten und so hat sie immer mehr gewagt und mit der Zeit hat sie ihren eigenen Stil und die eigenen Arbeitsmaterialien gefunden, um unzählige, filigrane Details in ihre Kunstwerke einzubauen», betonte Christa Cairoli.


Sie selber habe als Jugendliche ins Arbeitszimmer von Käti Raaflaub «glüsslen» dürfen. «Es hat mich völlig fasziniert. Stapel von farbigen Seiten aus Zeitschriften, alles schön geordnet in jeder Farbnuance.» Käti Raaflaub habe ihre Werke in der Galerie «Au Foyer» ausstellen können; eine Journalistin, die durch das Dorf schlenderte, sei auf die Künstlerin und deren Werke aufmerksam geworden und habe 1983 in der «Annabelle» einen Bericht über die Collagenkünstlerin aus dem Saanenland publiziert..
Seit der Pensionierung ihres Mannes Wilfried im Jahr 1994 bleibe ihr nicht mehr so viel Zeit, ihrem Hobby zu frönen, verriet Christa Cairoli. «Aber auf ihrem Tisch liegen immer noch Schere und Papier parat …»

Freude an Farben
Sie habe schon immer viel und gern gezeichnet, aber mit dem Scherenschneiden habe sie spät, erst etwa mit 60 Jahren begonnen, sagte Käti Raaflaub im Gespräch. «Hans Jakob Hauswirth war eine Entdeckung. Er ist für mich immer noch der grösste.» Unter ihren Werken finden sich auch solche mit traditionellen Motiven – mit Alpaufzügen. Sie sind jedoch farbig. «Ich habe Freude an den Farben. Schwarz könnte ich nicht», sagte die Künstlerin bestimmt.

Unendlich viel Erfahrung
Die erste gemeinsame Ausstellung liege mehr als 30 Jahre zurück, so Christa Cairoli. Seit dieser Zeit seien beide Frauen unbeirrt ihren Weg gegangen und hätten unglaublich viele Leute mit ihrer Kunst beglückt. «Jetzt sind beide wieder da, ein paar Jahre älter, aber um unendlich viele Erfahrungen reicher. Und sie beglücken uns immer noch mit ihrer berührenden Gabe.»

Die Verkaufsausstellung im Heimatwerk in Saanen dauert noch bis 3. September.


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