Albert Ramos-Viñolas gewinnt sein zweites ATP-Turnier

  30.07.2019 Sport

Unbeirrt von der wetterbedingten Spielverzögerung gab Finalist Albert Ramos-Viñolas auch im Endspiel gegen Cedrik-Marcel Stebe keinen Satz ab und holte sich den Titel am J. Safra Sarasin Swiss Open Gstaad. Im Doppel siegte das belgische Team Sander Gillé und Joran Vliegen. Trotz des Regens und der Wartezeit verfolgten einige Zuschauer den Final live in der Roy Emerson Arena.

JENNY STERCHI
Was für eine verrückte Tenniswoche war das! Während sowohl Spieler als auch Zuschauer bis am Freitagmittag schweissnass die Matches erlebten, sorgte der aufkommende Regen am Finalwochenende für nasse Kleider und Verzögerungen.

Was lange währt
Für den Spanier Albert Ramos-Viñolas wurde es tatsächlich gut. Wegen des anhaltenden Regens am Sonntagvormittag mussten er und sein Finalgegner Cedrik-Marcel Stebe viereinhalb Stunden warten, ehe die beiden Linkshänder auf den Platz kommen und um den Titel kämpfen konnten.

Beflügelt von seinen Spielen in den Vorrunden startete der Deutsche Stebe voller Angriffslust mit einem Break. Doch Ramos-Viñolas reagierte mit der Präzision und der Kontinuität, die er während der ganzen Turnierwoche präsentierte. Keinen Satz gab er während des Turniers ab und auch im Final sicherte er sich den Sieg mit zwei gewonnenen Sätzen (6:3, 6:2).

Spanier zurück an der Spitze
Nachdem in den letzten beiden Jahren mit Fabio Fognini und Matteo Berrettini zwei Italiener die spanische Dominanz am Gstaader Turnier unterbrochen hatten, ging der Turniersieg diesmal wieder an einen Iberer.

Für Ramos-Viñolas war es der zweite ATP-Titel seiner Karriere. Nach dem Titelgewinn 2016 in Bastad (Schweden) folgten schwierige Monate für den Spanier, der zum vierten Mal in Gstaad spielte. Er hatte am Montag sein Auftaktspiel gegen den Schweizer Henri Laaksonen beinahe mühelos gewonnen. Auch den topgesetzten Spanier Fernando Verdasco schob er deutlich nach zwei Sätzen (6:4, 7:6) aus dem Turnier. Seine Begegnungen mit seinen Landsmännern Roberto Carballes Baena im Viertelfinal und Pablo Andujar im Halbfinal beendete der 31-Jährige ebenso siegreich. Vor den Augen seines Trainers José María Díaz spielte er souverän und durchdacht den Final.

Dank dieses Turniersiegs bewegt er sich in der ATP-Weltrangliste von Rang 99 vor auf Rang 69.

Überraschungsmann Stebe
Der zweite Finalist Cedrik-Marcel Stebe aus Deutschland war dank geschütztem Ranking (konservierte Position in der Weltrangliste nach Verletzungspause) ins Hauptfeld des J. Safra Sarasin Swiss Open Gstaad geraten. Seinen Titel als «Überraschungsmann» des diesjährigen Gstaader Turniers verdiente er sich, als er bereits in der ersten Runde den auf Position 8 gesetzten Corentin Moutet in zwei Sätzen (6:4, 6:4) bezwang und im weiteren Verlauf mit Joao Sousa einen weiteren Favoriten aus dem Turnier schickte.

Seine Leistungen während des Gstaader Turniers sind umso so höher einzuschätzen, wenn man sich die Vergangenheit Stebes ansieht. Insgesamt musste er vier Jahre lang wegen diverser Verletzungen aussetzen. Nach Problemen im Rücken und drei Operationen am Handgelenk war Stebe erst im vergangenen April zur ATP-Tour zurückgekehrt. Von aussen betrachtet war es unvorstellbar, dass die Hand des 28-jährigen Deutschen vor nur einem Jahr nach chirurgischen Eingriffen noch stillgelegt war. Umso mehr erstaunten sein kraftvolles Grundlinienspiel und sein Spielwitz in den Stoppbällen.

Die Voraussetzungen für Cedrik-Marcel Stebe in diesem Final waren ungleich denen des Spaniers Ramos-Viñolas. Sein Viertelfinalmatch musste aufgrund des einsetzenden Regens am Freitagabend abgesagt werden. Somit hatte er am Samstag zwei Partien auf dem Programm. Sowohl seinen Viertelfinal gegen Thomas Fabbiano als auch sein Halbfinalmatch gegen Joao Sousa entschied er in jeweils drei Sätzen für sich. «Vielleicht wäre das Spiel anders ausgegangen, wenn ich etwas mehr Pause gehabt hätte», erklärte Stebe an der Siegerehrung. Dennoch haderte er keineswegs mit dem Resultat und freute sich, nach so vielen Rückschlägen über eine sehr erfolgreiche Turnierwoche. Es war Stebes erstes ATP-Final in seiner Karriere. Für seine Platzierung in der ATP-Weltrangliste bedeutet die Finalteilnahme einen Sprung von Rang 455 um knapp 200 Plätze auf Rang 257.

Und was ist mit dem Doppel?
Nach dem Einzelfinal zogen sämtliche Journalisten und Fotografen für Fotos und Interviews mit dem Sieger in die Mixed-Zone. Auf das Siegerteam des Doppelwettbewerbs und seine Finalgegner, dessen Siegerehrung unmittelbar anschloss, war nur ein Kameraobjektiv gerichtet. Dabei war die Freude beim Siegerteam aus Belgien gross. Sander Gillé und sein Doppelpartner Joran Vliegen hatten bereits das Schweizer Duo Hüsler und Paul im Halbfinal aus dem Turnier befördert und dominierten auch im Final. Sie bezwangen den Österreicher Philipp Oswald und seinen Teamkollegen Filip Polasek aus der Slowakei deutlich in zwei Sätzen (6:4, 6:3). Umso überraschender und zugleich rührend war die Anfrage des Belgiers Sander Gillé, ob ihm der «Anzeiger von Saanen», einziger Pressevertreter an der Siegerehrung des Doppels, ein Foto von sich an der Siegerehrung zur Verfügung stellen könne.

Zuversicht bei Fortbestand
Unter dem Titel «Düstere Aussichten?» befragte das Schweizer Fernsehen den Turnierdirektor Jeff Collet, in welchem Zustand sich das Gstaader Tennisturnier derzeit befinde. Im ersten Augenblick suggerierte dieser Beitrag dem Zuschauer, dass das Gstaader Tennisturnier zukünftig kaum bestehen könne. Im Verlauf zog Collet jedoch eine positive Bilanz und machte deutlich, dass der Veranstalter dank grosszügiger Sponsoren und einem Stammpublikum seit 14 Jahren schwarze Zahlen schreibt und zuversichtlich in die Zukunft schaut. Auch wenn die Tribünen voller sein dürften, freut sich der Veranstalter über all jene, die jedes Jahr wiederkommen. Der Vertrag mit dem Titelsponsor J. Safra Sarasin war im letzten Jahr für drei Jahre verlängert worden und besteht ganz sicher bis 2021.

Im Olympiajahr 2020 sieht der ATP-Turnierkalender vor, dass das Sandplatzturnier in Hamburg nicht wieder zeitgleich mit dem in Gstaad ausgetragen wird. Das bedeutet, dass jene Spieler, die nicht an den Olympischen Spiele spielen, an allen drei Sandplatzturnieren in Europa in Hamburg, Gstaad und Kitzbühel teilnehmen können.

Gstaader Tennis mit eigenem Charakter
«Es gibt den Spielern ein harmonisches Lebensgefühl», ist sich Ruth Wipfli Steinegger, Präsidentin der Swiss Open Gstaad AG, im Interview mit dem Schweizer Radio sicher. Die Spieler seien in den Bergen und dennoch mitten im Dorf. Das mache die Einzigartigkeit des Turniers aus. «Sie bringen ihre Frauen mit und denen gefällt die liebliche Gegend sehr.» Dazu käme das gepflegte Ambiente und die hochgeschätzte Individualität, die die Spieler und ihre Familien jeweils in Gstaad begeistern.

Auf die Frage, warum nicht mehr Zuschauer den Weg ins Stadion finden, sagte Wipfli Steinegger: «Die Zuschauer, die kommen, sind eine bunt gemischte Truppe.» Das Gstaader Turnier lebe von der Durchmischung. «Wir haben wunderbare, treue Stammgäste auf den Tribünen ebenso wie Feriengäste, Einheimische und Mitglieder des Supporterclubs.» Die Schweizer Tenniswelt treffe sich jeweils am Turnier in Gstaad und mache den Ort zu einem Hotspot der Tennisszene. «Es ist traditionell, es ist ein Klassiker und das Wimbledon der Alpen wird weiterbestehen», versicherte Wipfli Steinegger im Radiointerview gegenüber Bernhard Schär.

Auch Alessandro Greco, Leiter des Spitzensports bei Swiss Tennis, ist überzeugt von der Bedeutung des Gstaader Turniers vor allem für den Schweizer Tennisnachwuchs. «Für die jungen Spieler ist es immer wieder wichtig, im Rampenlicht zu stehen und den Umgang mit Medien kennenzulernen. Vorher spielen sie im Hintergrund und meist ohne Zuschauer», erklärte er gegenüber dem Schweizer Fernsehen SRF. In Gstaad können demnach die jungen Tennistalente internationale Turnierluft schnuppern. Dazu komme der Vorteil, mit etablierten Spielern trainieren zu können – ganz nach der Turnierphilosophie «Stars von heute treffen auf Champions von morgen».

Und dass das Wetter der Gstaader Tenniswoche immer seinen Stempel aufdrücke, sei allen bewusst. Die Tenniswoche wurde von Bilderbuchwetter begleitet. Erst an den letzten beiden Tagen sorgte der Regen für Verzögerungen im Spielplan.

Weitere Fotos unter https://tinyurl.com/y2vsakux
Video: https://tinyurl.com/y5l6dq2g


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