Das Mischen und Abheben der Karten

  28.04.2020 Leserbeitrag

Nach jedem Spiel müssen die Karten wieder neu gemischt werden. Es ist also praktisch unmöglich, im Laufe eines Spielnachmittags zweimal haargenau die gleichen Karten zu bekommen. Und genau das macht das Jassen so spannend. Man muss sich immer wieder neu mit den Karten, die man bekommen hat, auseinandersetzen und sich überlegen, was man damit am sinnvollsten machen könnte. Auch dann, wenn man unzufrieden ist mit den Karten, die man in der Hand hält, muss man trotzdem versuchen, das Beste daraus zu machen. Ähnlich wie im Alltag, wo es auch darum geht, in jeder Situation zu versuchen, das Sinnvollste zu machen.

Alle Spieler und Spielerinnen haben je ihre eigenen Misch-Angewohnheiten. Und solange beim Mischen die Kartenbilder unsichtbar bleiben, ist eigentlich fast alles erlaubt. Auch Mischmaschinen. Gutes Mischen ist aber letztlich entscheidend für den Erfolg beim Jassen. Denn je besser die Karten gemischt werden, umso seltener ist es möglich, dass jemand viele Karten der gleichen Farbe bekommt. Wird das Mischen der Karten von Mitspielern einmal als ungenügend erachtet, dürfen sie ein Veto einlegen und der Spielgeber muss vor dem Abheben die Karten noch einmal mischen. Es soll Spielgeber geben, die dann so lange mischen, bis plötzlich einer ungeduldig sagt: «Pass auf! Beim Mischen ist auch schon einmal einer gestorben.» Beim Mischen der Karten geht es aber ganz einfach darum, faire Bedingungen für alle zu schaffen.

Im Gegensatz zum Mischen gibt es zum Abheben der Karten ganz klare Regeln. Das Abheben der Karten ist bei allen Jassarten zwingend – ausser beim Ramset. Denn nur so ist garantiert, dass niemand die unterste Karte des Stapels gesehen hat. Das grosszügige Klopfen auf den Stapel ist darum nicht zulässig. Es müssen auch immer mindestens drei Karten vom Stapel abgehoben werden.

Ob man nun gute oder schlechte Karten bekommen hat, beim Jassen weiss man immer, wer die Karten gemischt hat. Ein Mitspieler mischt und ein anderer hebt ab.

Im Leben ist es schon ein bisschen komplizierter. Da mischt nicht nur einer die Karten, sondern es sind immer mehrere, die mitmischen. Und darum ist es manchmal auch recht schwierig oder mühsam, mit den Karten, die man im Leben bekommen hat, auch gut zu spielen. Wenn man das Gefühl hat, die Lebenskarten seien schlecht gemischt worden, kann man kein Veto einlegen und verlangen, dass die Karten noch einmal neu gemischt werden. Man kann nur versuchen, mit den Karten, die man bekommen hat, das Beste zu machen. Doch wer sind die wichtigsten Mischer im Leben? Zu den ersten, die in unserem Leben mitmischen, gehören wohl die Gene, die wir erben. Aber schon kurz nach der Geburt fangen auch andere an, in unserem Leben mitzumischen. Zum Beispiel die Familie, das Land und die politische und religiöse Gesellschaft, in die hinein wir geboren werden. Auch die Gesundheit mischt immer wieder mit. Und schliesslich bringen auch wir selber immer wieder alles durcheinander. Es sind also viele, die in unserem Leben mitmischen, aber letztlich müssen wir das Spiel des Lebens immer selber spielen.

Es gibt auch religiöse Menschen, die schieben die Verantwortung für das Mischen der Lebenskarten einfach Gott zu. Aber Gott hat ganz sicher kein Interesse, unser Leben durcheinander zu bringen. Er möchte vielmehr, dass unser Leben gelingt und dass wir erfülltes Leben finden können. Darum hilft er, auch mit schlechten Karten im Leben gut zu spielen. Beim Jassen und Mischen der Jasskarten sollte man Gott sowieso aus dem Spiel lassen. Denn beim Jassen können wir niemandem die Schuld zuschieben, wenn wir schlechte Karten bekommen haben. Schliesslich wird ja nach dem Mischen auch noch abgehoben, damit auch der Spieler, der die Karten mischt, nicht weiss, wem er was gegeben hat.

ROBERT SCHNEITER


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