Abenteuer Iglu-Dorf

  26.02.2021 Saanenland

Im Februar 2021 habe ich meine Heimat Bayern verlassen und mich in das Abenteuer Gstaad gestürzt. Seitdem lasse ich mir keine Gelegenheit entgehen, das Saanenland in all seinen Facetten zu erleben. Mein erster Ausflug ging natürlich hoch in die Berge, wo ich die Nacht in einem Iglu-Dorf verbrachte. Von traditioneller Küche bis hin zu einem privaten Wellnessbereich – meine Vorstellung des genügsamen Eskimos löste sich binnen kurzer Zeit in Luft auf.

SOPHIA GRASSER
Noch nie habe ich mich so sehr auf meinen Feierabend gefreut wie an diesem Tag – natürlich nicht, weil ich der Arbeit entkommen wollte. Aufgeregt und in Hektik schmiss ich mich in meinen Skianzug, schnappte mir meine Autoschlüssel und machte mich auf den Weg in Richtung Saanenmöser. An der Talstation wartete auch schon meine Freundin auf mich, die mich begleitete. Wir besorgten uns ein Ticket und nahmen gemeinsam die letzte Gondel zum Saanersloch. Es begann bereits zu dämmern – die Aussicht war fantastisch: Der Himmel färbte sich rötlich und die letzten Skifahrer, die aus einer solchen Höhe eher Ameisen als Menschen glichen, sausten die Piste hinunter. Trotzdem kam mir die Fahrt endlos vor – meine Neugier auf das Iglu-Dorf war riesig. Oben angekommen warfen wir einen letzten Blick auf den Anreiseplan, um den Treffpunkt ausfindig zu machen. Dann zogen wir unsere Rucksäcke an, hielten die Kameras parat und stapften los.

Wir liefen geradewegs auf ein einladendes Willkommensschild zu. Doch hinter dem Eingangsbogen lag nichts weiter als ... ein meterhoher Haufen Schnee.
Wo blieben die eindrucksvollen Iglus und die Skulpturen aus Schnee und Eis, die ich auf Instagram gesehen hatte? Ich schob meine Enttäuschung schnell beiseite und steuerte auf das Holztor zu. Als ich in der Empfangshalle – oder sollte ich besser Lobby sagen? – stand, war jede Frustration verflogen. Vor der Rezeption, die vollständig aus Eis gemacht war, ragte ein beeindruckendes Kunstwerk empor: eine Muschel mit aufwendigen Ausschmückungen. Gleichzeitig stieg mir ein strenger Geruch in die Nase. Im Laufe des Abends sollte ich noch herausfinden, was es damit auf sich hatte.

Nach einem heissen Aperitif, einem leckeren Apfelpunsch, versammelte sich der gesamte Besuchertrupp draussen vor dem Dorf, um von den beiden Tourguides über den weiteren Verlauf des Abends informiert zu werden. Neben den mittlerweile allzu bekannten Instruktionen «Haltet genügend Abstand!» und «Es gilt Maskenpflicht» erzählten uns die zwei Mädels ein paar interessante Fakten über die Entstehung des Schneehotels: Die Innenräume des Iglu-Dorfes werden mithilfe von riesigen Luftballons errichtet, die wiederum mit einer gewaltigen Menge Schnee beladen werden. Nach 24 Stunden ist die gesamte Masse derart stabil, dass die Ballons darunter problemlos entfernt werden können. Spannend fand ich auch, wie die Künstler mit dem Aggregatzustand des Wassers spielten. Denn dass einige Gebilde aus glasklarem Eis und andere aus milchig-trübem Schnee bestehen, liegt am Gefriervorgang des Wassers. Hält man die Flüssigkeit in Bewegung, während sie gefriert, bleibt sie durchsichtig. Sofort schossen mir Bilder von Eiszapfen in den Kopf, die nach demselben Prinzip funktionieren müssen.


Endlich durften wir die übrigen Zimmer erkunden. Ich war bereits von der Romantiksuite überwältigt, die meine Freundin und ich aus Jux gebucht hatten: Das Bett, ein riesiger Eisblock bedeckt mit kuscheligen Fellen und zwei Schlafsäcken, nahm den gesamten Raum ein. In die gegenüberliegende Wand war ein beeindruckendes Flechtmuster eingeritzt. Bei der Luxussuite kippte mir endgültig die Kinnlade herunter: Ob Lampen, Bücher oder Gemälde – alles war aus Eis imitiert. Nicht nur das Bad repräsentierte puren Luxus, sogar ein privater Whirlpool war inklusive.

Nach einer kleinen Stärkung im beheizten Stübli stand die Schneeschuhwanderung auf dem Programm – ein ungewohntes Gefühl, auf diesen innovativen Dingern zu laufen. Die ganze Mannschaft rüstete sich also aus – und los ging der nächtliche Streifzug. Wie die Zinnsoldaten marschierten – passender wäre vermutlich «watschelten» – wir unseren Tourguides hinterher. Nach ein paar Metern blieben wir stehen. Ich traute meinen Augen nicht: Es sah aus wie im Bilderbuch. Inmitten der Dunkelheit strahlten zahlreiche helle Punkte. Zweisimmen erkannte ich aufgrund seiner Dichte sofort. Es war ein echtes Lichtermeer. Unsere Betreuer wiesen uns an, die Augen zu schliessen und die Ruhe zu geniessen – die mit Sicherheit meditativ gewesen wäre, wäre nicht ein Pistenbully einige Meter entfernt seiner Arbeit nachgegangen. Naja, halb so wild! Zurück im Iglu-Dorf lüfteten wir endlich das Geheimnis des dominanten Geruchs. Was ich eingangs als unangenehm empfunden hatte, stellte sich als unheimlich lecker heraus: Es gab ein Fondue!

Nach dem traditionellen Essen, das wir eingepackt in Winterjacke, Mütze und Handschuhen eingenommen hatten, folgte endlich der relaxte Teil: Als permanente Frostbeule freute ich mich besonders auf die Sauna und den Whirlpool. Trotz der eisigen Aussentemperaturen dauerte es nicht lange, bis ich zu schwitzen begann – in der Sauna hielt ich es deshalb nur 15 Minuten aus. Umso mehr Gefallen fanden wir an dem Jacuzzi, in dem wir es uns so richtig gut gehen liessen. Es war wie in einem Hotel. Nach dem Wechsel vom Badeanzug in den Schlafanzug ging das Zähneklappern wieder los. Jetzt hiess es: Schnell in den Schlafsack! Natürlich war ich für das Schlimmste gewappnet und hatte den dicksten Pulli, den ich finden konnte, ein Paar Kuschelsocken und einen weichen Schal eingepackt. Doch als ich eingemummelt in dem Schlafsack mit der integrierten Decke bis zur Nase lag, spürte ich kein bisschen von der Kälte. So muss sich also ein Insekt in seinem Kokon fühlen! Müde von dem langen Tag und eingewickelt in meine Schichten von Kleidung und Fellen dauerte es nicht lange, bis ich einschlief.

Nach einer kurzen, aber erholsamen Nacht wurden wir früh morgens mit einem Tee und dem Aufruf zum Frühstück geweckt. Kaffee und eine Scheibe Nutella-Brot – alles, was mein Herz begehrte. Und obwohl ich gut geschlafen hatte, freute ich mich auf mein Bett: auf meine weiche Matratze und auf meine kuschelige Frottee-Bettwäsche. Nachdem wir unsere sieben Sachen zusammengepackt hatten, machten wir uns schliesslich auf den Heimweg. Und während wir in unserer Gondel schaukelten und ich die Pisten hinunterblickte, merkte ich wieder, wie ich es vermisste, in den Urlaub zu fahren. Umso dankbarer war ich für den – wenn auch aussergewöhnlichen – Tapetenwechsel, den ich erleben durfte.


ZUR SERIE

Mein Entdeckerherz schlägt höher: Seit meiner Ankunft in der Schweiz bin ich immer wieder überrascht, was das Saanenland zu bieten hat. Da ich aus der Nähe von München komme, tauche ich zum ersten Mal in die Welt aus Gipfeln, Tälern und Bergdörfern ein und lasse mir natürlich keine Gelegenheit entgehen, jede Tradition hautnah zu erleben und jeden Fleck ausgiebig zu erkunden. Ich nehme Sie mit auf meine persönliche Reise.


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