Gäste planen in Erlebnisräumen und sprengen Grenzen!

  30.04.2021 Leserbeitrag

Das Reiseverhalten hat sich in den vergangenen Jahren verändert. Zwar bestimmt die Pandemie momentan, wohin wir reisen dürfen und eben wohin nicht. Doch entscheidet sich ein Gast für eine Destination, bewegt er sich immer seltener nur innerhalb einer Destination, sondern überschreitet politische und touristische Grenzen, um Sehnsuchtsorte zu besuchen. Die neue Mobilität, überregionales Denken und Handeln sowie die einfache Verfügbarkeit von Informationen sind einige Gründe dafür.

Weil Touristen keine Grenzen kennen, macht es auch keinen Sinn, sie zu setzen. Würden wir heute daran festhalten, würde die Wettbewerbsfähigkeit jeder Destination in den kommenden Jahren abnehmen. Diese Erkenntnis fusst nicht nur auf meiner persönlichen Beobachtung und Erfahrung, sondern stützt sich vielmehr auf wissenschaftlichen Erkenntnissen wie beispielsweise dem St.-Galler-Modell für Destinationsmanagement der dritten Generation.

Wir blicken also über die Grenzen der Destination Gstaad und die vier dazugehörigen Gemeinden hinaus und denken in Erlebnisräumen. Im Herzen dieser Erlebnisräume liegt unsere Destination mit all ihren Perlen. Darum herum gruppieren sich das Obersimmental, das Simmental, das Pays-d’Enhaut und Ormont-Dessus. Innerhalb dieser Erlebnisräume wollen wir in Zukunft denken, wenn wir an den touristischen Angeboten feilen. Wir versetzen uns in die Lage der Gäste, beobachten ihre Bedürfnisse aus ihrer Perspektive laufend und passen die Erlebnisräume entsprechend dynamisch an. Wir achten darauf, dass die unterschiedlichen Bedürfnisse der verschiedenartigen Gästesegmente und saisonale Anpassungen ebenfalls berücksichtigt werden. Beispielsweise sind im Winter andere Angebote und Regionen gefragt als im Sommer.

Am 1. Mai haben wir die neue Gästekarte Gstaad Card eingeführt. Sie basiert auf der Erkenntnis der Erlebnisräume. Im Sommer bieten wir allen Übernachtungsgästen und Zweitheimischen die Gstaad Card an, in welcher der öffentliche Verkehr und andere attraktive Erlebnisse kostenlos inkludiert sind. Eine Fahrt mit dem Zug oder dem Postauto ist viel mehr als nur Mittel zum Zweck: Eine Fahrt im Nostalgiezug und die Postautoreise zum Lauenensee beispielsweise sind für sich schon eindrückliche Erlebnisse.

Angst haben, dass unsere Gäste nun abwandern und dadurch die Wertschöpfung in unserer Region tiefer ausfällt, müssen wir nicht. Im Gegenteil, unsere Gäste erhalten ein noch attraktiveres Angebot und werden beispielsweise während dem Ferienaufenthalt in unserer Destination neben der Wispile und dem Rinderberg-Hornberg auch mal das Stockhorn besuchen. Familien werden den Wispilen-Erlebnisspielplatz geniessen oder im Freibad Saanen planschen, aber auch mal das Familienangebot in der Lenk nutzen. Wanderfreunde reisen mit dem öffentlichen Verkehr zum Jaunpass und nehmen anschliessend die Panoramawanderung via Rellerli nach Schönried unter die Füsse. Und ist das Wetter mal unsicher, scheuen sie sich nicht, sich in den Zug zu setzen und das mittelalterliche Festungsstädtchen Greyerz anzusehen oder die Schokoladenfabrik in Broc zu besuchen. Auch die bekannte Simmenfälle-Wanderung an der Lenk wird sie begeistern und die Dampfschifffahrt auf dem Thunersee sowieso. Zu Hause werden sie enthusiastisch von ihren Erlebnissen erzählen und unsere Destination Gstaad als Ausgangspunkt für perfekte Ferien promoten.

Mit anderen Worten: Diese Zusatzangebote machen den Aufenthalt der Gäste wertvoller. Wir können von den Attraktionen der anderen Destinationen profitieren und umgekehrt. Die Destinationen beleben sich gegenseitig.

Neu ist dieses Konzept nicht, jedoch sehr erfolgreich, wenn wir an die Zusammenarbeit von Lenzerheide mit Arosa denken oder von Zermatt mit Cervinia. Einen ähnlichen Ansatz verfolgt auch der Erlebnisraum Engadin. Auch in unserer Region ist der Gedanke nicht neu. Wer erinnert sich an das Weisse beziehungsweise Grüne Hochland? Die beiden Begriffe standen in den 1970er- und 1980er-Jahren unter Kurdirektor Paul Valentin stellvertretend für den Winter (weiss) und für die schneefreie Saison (grün). Das Hochland umfasste das Gebiet von Lenk, Adelboden, Frutigen über das Obersimmental, Les Mosses, Les Diablerets bis hin zum Saanenland. Die Begriffe wurden für Marketingzwecke eingesetzt, um erfolgreich Gäste in die Region zu ziehen. Eine sogenannte Kurkarte – die Punktekarte galt in allen Skigebieten – ergänzte das Angebot. Schon damals lobte die damalige Verkehrszentrale – heute Schweiz Tourismus – das Angebot als beispielhaft. Wir alle wissen, dass der legendäre Paul Valentin unter anderem mit dieser Strategie überaus erfolgreich war.

FLURIN RIEDI TOURISMUSDIREKTOR [email protected]


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