RANDNOTIZ

  31.12.2021 Leserbeitrag

Dessert underem Tisch

ANITA MOSER
«Hüt isch Silveschter und morn isch Neujohr, und wenn ds mer nid glaubsch, so zieh di am Ohr.» Heute könnte man mir getrost die Ohren lang ziehen, denn ich kann es kaum glauben, dass heute schon wieder ein Jahr zu Ende geht. Auch wenn ich – ehrlich gesagt – froh bin, dass 2021 bald Vergangenheit ist. Aus diversen Gründen. Meine Freude über den Neuanfang hält sich allerdings etwas in Grenzen. Gross sind die Fragezeichen, was alles auf uns zukommen wird. Corona, Klimawandel, Weltpolitik, soziale Ungerechtigkeit …

Apropos Fragezeichen: Ich erinnere mich gern an die Silvesterabende in meiner Kindheit. Die Erwachsenen – unsere Eltern, Tanten und Onkel mütterlicherseits – dinierten und feierten zusammen. Und wir Kinder – Cousins und Cousinen – silvsterten auch zusammen. Meine Mutter hatte für uns jeweils Dutzende belegte Brot vorbereitet. Zum Dessert gabs meistens Fruchtsalat und die restlichen Weihnachtsgutzi. Die Stunden bis Mitternacht verbrachten wir mit allen möglichen Spielen. Wer verlor, bekam eine Strafe, musste beispielsweise «Mini Lüs hei roti Pantöffeli a» zum Fenster hinausrufen. Und zwar so laut, dass man es auf der Strasse und im ganzen im Quartier hörte. Welche Schande. Was denken die Leute? Die Nacht war damals meistens ruhig, in dem 400-Seelen-Dorf wurden noch keine Böller und Feuerwerke gezündet. Am lustigsten war «Dessert underem Tisch.» Man sitzt ringsum den Tisch, die Hände unter dem Tisch. Eines holt einen Gegenstand und dieser zirkuliert unter dem Tisch von einem Händepaar zum anderen. Wer herausfindet, was es ist, gewinnt. Ich habe die fragenden Gesichter noch vor Augen oder das Geschrei noch in den Ohren, wenn öppis Gruusigs weitergereicht wurde. Wie zum Beispiel der nasse Abwäschlumpen, eine pflüttrige Seife oder sonst ein Gschlüder. Wir Mädchen liessen vor Schreck so ein Teil auch schon mal unter den Tisch fallen – während die Buben natürlich gaanz cool blieben. So unbeschwert silvestern wie wir damals – ich wünsche es Ihnen. In diesem Sinne: e guete Rutsch und es guets Nöis!

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