RANDNOTIZ

  11.02.2022 Leserbeitrag

Man wird doch noch träumen dürfen

JENNY STERCHI
Die Sonne scheint auf die Rennpiste, aber die Luft ist kalt und frostig. Es ist Januar. Die jungen Skirennfahrer, die das FIS-Rennen an den Hublen in Saanen absolviert haben, lassen sich den Rücken von den Sonnenstrahlen wärmen, kauen im Mannschaftsbus sitzend an ihrem Sandwich oder suchen sich ein Plätzchen im Container. Nein, natürlich nicht im «Ghüder»-Container! Vielmehr in einer als Aufenthaltsraum eingerichteten Blechbox neben dem Zielraum. Immerhin mit einem Fenster! Die Piste hat die jungen Herren gefordert. «Was für ein Hang» oder «Das ist eine Weltcuppiste», raunen Athleten und ihre Betreuer einander zu. Das finnische Team ist ohnehin völlig aus dem Häuschen. Zum Sieg eines ihrer Athleten kommen über acht Stunden Tageslicht notabene mit ungehindertem Sonnenschein dazu. Wenn sie jetzt noch einen Materialraum, eine Garderobe und sanitäre Einrichtungen in einem festen Gebäude zur Verfügung hätten, sie würden vermutlich schreien vor Glück. Und dann würden die Rennsportler und Betreuer sagen: «Was für ein Hang und habt ihr die Skispringer nebenan gesehen?» oder «Das ist eine Weltcuppiste und die warme Suppe in der Cafeteria ist übrigens eine Sensation.»
Zugegeben, mich fasziniert der Skirennsport, unabhängig von Wetter, Materialschlacht und Medienrummel. Mich begeistert die flirrende Spannung im Starthäuschen, der Kampf jedes Athleten in den Toren, bei dem ich als Zuschauer die Luft anhalte und diese spürbare Erleichterung, wenn die Ziellinie passiert wird. Mich trifft es zutiefst, wenn der Athlet nach einem Torfehler am Pistenrand steht, gescheitert, wütend, ungläubig. Und all das darf ich hautnah erleben, wenn an den Hublen Rennen gefahren werden. Es ist so echt, so richtig Skirennen, auf hohem Niveau. Und dann stelle ich mir vor, wie es wäre, wenn statt der Container ein richtiges Haus die Athleten und Besucher in Empfang nähme. Und wenn die Strecke gesäumt würde von Zuschauern auf den extra für sie errichteten Plattformen. Und wir alle wissen, dass nicht immer nur die Sonne scheint. Wie würden dann Aufenthaltsräume und ein befestigter Parkplatz begeistern. Und wie wäre es dann, wenn jene, die hier zu Gast waren, daheim erzählten, wie toll es am Rennen in Saanen war. Das wäre doch wirklich ein Traum!

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