«Solange der Muni noch ‹mad› ist, machen wir weiter!»

  07.05.2024 Interview

Die zehnte Ausgabe des Mad-Muni-Festivals wird von den Organisatoren als voller Erfolg gewertet. Bis in die frühen Morgenstunden wurde unfallfrei getanzt und gefeiert. Ein Interview mit dem OK-Präsidenten Dominik Marti.

KEREM S. MAURER


Die Jubiläumsausgabe zum zehnjährigen Bestehen des Mad Muni, dem einzigen und grössten Punkrockfestival im Saanenland, ist Geschichte – und hat einmal mehr eine gute Geschichte geschrieben. «Wir blicken auf drei wunderbare Tage zurück. Das Publikum war in gewohnt feierfreudiger Laune und genoss drei Tage lang qualitativ hochstehende Musik und feierte das Leben», sagt OK-Präsident Dominik Marti nach dem Festival.


Positives Fazit
Das nasskalte Wetter am Donnerstagabend konnte den volkstümlichen Auftakt mit den «Horeflue Jutzern» aus dem Saanenland und den «Ländlerfründe Walopsee» aus dem Obersimmental nicht trüben. «Wir konnten viele Besucher begrüssen, welche nicht zwingend ein Punkrockfestival besuchen würden», freuen sich die Organisatoren.


Am Freitag und Samstag ging es dann richtig zur Sache. Elf Bands heizten dem feierfreudigen Publikum tüchtig ein. «Der sehr gut besuchte Samstag hat uns einmal mehr gezeigt, warum wir dieses Fest feiern und den Aufwand gerne in Kauf nehmen», resümiert Dominik Marti. Viele positive Rückmeldungen von Besuchern, Sponsoren und Bands hätten die gute Stimmung des Publikums widergespiegelt. Am Samstag sei bis nach Mitternacht zu «Doctor Krápula» – einer kolumbianischen Band, welche aktuell durch Europa tourt – ausgelassen getanzt, gesungen und gefeiert worden. «In den frühen Morgenstunden schlossen wir ein friedliches und unfallfreies Festival 2024 ab. Kaum zu glauben, dass bereits am Sonntagabend die Spuren des Festivals nicht mehr sichtbar waren», sagt der OK-Präsident. Und weil nach dem Festival schon wieder vor dem Festival ist, freut sich das Organisationskomitee bereits heute auf die elfte Ausgabe des Mad Muni im nächsten Jahr.


Die Band «Venturas». FOTOS: MICHEL VARRIN


OK-PRÄSIDENT DOMINIK MARTI IM INTERVIEW

«Solange der Muni noch ‹mad› ist, machen wir weiter!»

Das Organisationskomitee des Mad-Muni-Festivals hat sich dem Punk verschrieben, einer Jugendkultur aus der Mitte der 1970er-Jahre. Ursprünglich hatten Punks oder Punker ein provozierendes Aussehen, eine rebellische Haltung und ein nonkonformistisches Verhalten. OK-Präsident Dominik Marti transformiert im Gespräch mit dieser Zeitung den Begriff in die Gegenwart und erklärt, wie man es schafft, zehn Jahre lang mit denselben OK-Mitgliedern ein Festival auf die Beine zu stellen.


Mitglieder des Mad-Muni-OKs v.l.: Klaus Müllener, verantwortlich für die Bands, René Walker, Bau, und Dominik Marti, Präsident. FOTO: KEREM MAURER

KEREM S. MAURER

Dominik Marti, wenn ich Bilder von Punks oder von den jungen «Toten Hosen» anschaue, sehen weder Sie noch Ihre Mad-Muni-OK-Kollegen aus wie Punks. Was bedeutet Punk für Sie?

Punk bedeutet für mich, sich selbst zu sein, aber halt in einem Rahmen, den die Gesellschaft vorgibt oder erlaubt. Auch wir sind irgendwo im System drin. Aber wir haben unser Festival, bei dem wir eine Woche lang ausleben können, was wir gerne möchten. Wir sind keine Rebellen, aber wir sind authentisch und legen grossen Wert darauf, uns nicht verbiegen zu müssen.

Das klingt nach angepasstem, beinahe konformem Punk. Dennoch schreiben Sie auf der Mad-Muni-Website «Punk is not dead». Ist das kein Widerspruch?

Ich finde den Slogan tatsächlich nicht mehr so passend, auch weil er zu oft bemüht wird. Punk ist das, was man selbst daraus macht. Es ist eine Lebensphilosophie, eine innere Haltung und sollte nicht nur auf die Musik beschränkt werden. So gesehen ist es kein Widerspruch.


«Chicken Reloaded».

Inwiefern hat sich der Punk in den vergangenen Jahrzehnten verändert?

Es gibt mittlerweile sehr viele verschiedene Strömungen innerhalb des Punks. Und er ist gesellschaftsfähig geworden. Wenn Sie den Auftritt der «Toten Hosen» letzthin im Letzigrund mit einem ihrer Auftritte in den frühen 90er-Jahren vergleichen, liegen Welten dazwischen. Aber etwas, das sich innerhalb von 50 Jahren nicht verändert, stirbt. Was bei uns seit zehn Jahren unverändert blieb, ist die Freude am Feiern.

Hat sich denn auch Ihr Musikgeschmack verändert?

Ja. Der ist viel breiter geworden. Früher, in der siebten oder achten Klasse war die Frage: Bist du Hip-Hop oder Punk? Damals war ich nur Punk. Heute höre ich auch guten Hip-Hop, sehr gerne Metal und finde auch klassische Musik gut, wenn diese experimentell ist. Nur mit Popmusik kann ich nach wie vor nichts anfangen.

Sind Sie die Punkerszene des Saanenlandes?

Wir sind auf jeden Fall Leute, welche diese Musik viel und gerne hören und haben im Saanenland in diesem Bereich sicher vieles mitgeprägt. Aber natürlich sind wir nicht die Einzigen. Wir wollten einfach für uns ein Fest machen. Anfangs ernteten wir skeptische Blicke und erfuhren Skepsis, um nicht zu sagen Widerstände unserer Kultur gegenüber. Ein Punkrockfestival passte nicht ins Saanenland, wie es vor zehn Jahren war. Aber heute ist unser Mad-Muni-Festival akzeptiert und in der Bevölkerung breit abgestützt, was ein Blick auf die Sponsorenliste bestätigt.


Fast im Spagat: «Fighter V».

Wie kommt man eigentlich auf den Namen «Mad Muni»?

Das wissen wir selbst nicht mehr so genau. Dass wir überhaupt ein Festival machen wollten, war eine Bieridee und der Name Mad Muni ist sicher auch bei einem Bier entstanden. Die Idee lag irgendwann auf dem Tisch und passte zum Saanenland. Den Muni, Saanendeutsch für Stier, gibt es hier und das englische «mad», was so viel wie verrückt bedeutet, schafft die Verbindung zum Punk. Einen tieferen Hintergrund gibt es nicht.

Wie breit ist das Musikspektrum am Mad-Muni-Festival?

Wir wollen handgemachte, qualitativ gute Musik, das ist unser Credo. Schwerpunktmässig sind wir sicher bei Punk, Punkrock und Rock. Aber wir hatten auch schon Reggae dabei. Und dieses Jahr hatten wir mit «Fighters V» eine Glamrockband und Party-Latinrock mit «Doctor Krápula» aus Kolumbien.

Gibt es Punk- oder Punkrockbands im Saanenland?

Ja, die gibt es schon. «The Fucks» ist sicher die bekannteste unter ihnen. Klaus und Jan Müllener, Andreas Hauswirth und Etienne Marmet, alles OK-Mitglieder, sind «The-Fucks»-Musiker. Daneben gibt es auch noch die eine oder andere Garagenband in diesem Bereich.

Wie viele Leute besuchen das Mad-Muni-Festival?

Wir haben Platz für rund 1000 Leute. Natürlich variiert die Anzahl von Jahr zu Jahr und ist auch vom Wetter abhängig. Aber zwischen 800 und 1200 sind es immer. Da wir ein nicht kommerziell orientierter Verein sind, muss das Mad Muni keinen Gewinn abwerfen. Wir sind zufrieden, wenn wir am Ende alle Rechnungen bezahlen können. Bleibt etwas übrig, fliesst dies in die Vereinskasse und wird ins Festival investiert. Niemand von uns verdient Geld am Mad Muni.


«Unified Move».

Dieses Jahr hatten Sie die zehnte Ausgabe, ein kleines Jubiläum. Wie hat sich das Festival seit der ersten Austragung verändert?

Früher, zu Rock-the-Village-Zeiten hatten wir noch drei Tage durchgefeiert. Später im Mad Muni waren es dann nur noch zwei Tage. Und heute geht jeder von uns zwischendurch einige Stunden nach Hause, um zu schlafen. Wir werden auch älter! Am ersten Mad Muni 2008 waren wir auf dem Flugplatz und hatten Platz ohne Ende. Wir hatten damals 300 Meter Zaun bestellt und ein 30-Meter-Zelt, das nur zu einem Drittel voll war. Heute planen wir bewusster, haben ein kleineres, aber dafür volles Zelt. Wir haben eine stabile Grösse gefunden und lassen jeweils zehn oder elf Bands auftreten.

Was hatten Sie mit dem damaligen Rock-The-Village-Festival zu tun?

Wir haben 2008 mit dem Rock-the-Village angefangen. Damals waren wir noch eine andere Gruppe von Leuten.

Nach vier Jahren haben wir uns getrennt, weil die einen von uns grösser und kommerzieller werden wollten. Diese organisierten später das Ride on Music, wir stellten das Mad Muni auf die Beine.

Wie sieht das Mad-Muni-Publikum aus, wie alt sind die Besucher?

Unsere Besucher halten unser Alter, will heissen, sie werden älter. Wir im OK sind zwischen 30 und 40 Jahre alt. Junge Besucher bis 25 Jahre haben wir sehr selten. Dadurch haben wir kaum Wachstumsboden, eher im Gegenteil, es gibt schneller mal Leute, die nicht mehr kommen. Wir haben Gäste und Einheimische. Die Gäste kommen nicht nur wegen der Musik, sondern vor allem wegen der Atmosphäre.


 

Welche Atmosphäre? Was macht das Mad-Muni-Festival zu einem besonderen Festival?

Es ist wie ein Klassentreffen. Man trifft sich jedes Jahr hier, selbst wenn man sich das ganze Jahr hindurch nie sieht. Man kennt sich untereinander. Wir haben zwei Aargauer in den 50ern, die jedes Jahr kommen, egal welche Bands auf der Bühne stehen. Oft werden schon Tickets verkauft, bevor das Lineup steht. Bei uns herrscht eine gemütliche, lockere Stimmung. Es geht um das ungezwungene Beisammensein und darum, zusammen eine gute Zeit zu verbringen.

Was war an der zehnten Ausgabe speziell? Haben Sie etwas Aussergewöhnliches geplant oder gemacht?

Nein, nicht wirklich. Unser Highlight ist der neue Bierlieferant, ein Bier, das zu uns passt. Specialevents hatten wir keine. Wir wollten an diesem Jubiläum genau das feiern, was wir seit zehn Jahren machen, und dass es uns überhaupt noch gibt.

Seit zehn Jahren bilden dieselben sieben Jungs das OK. Wie schafft man es, solange am selben Strick zu ziehen und dabei noch erfolgreich zu sein?

Wir sind sieben Freunde, die alle zur selben Zeit die Lehre gemacht haben. Und obschon nicht mehr alle in der Region leben, haben wir den Kontakt untereinander gehalten. Wir haben gelernt, uns gegenseitig aneinander anzupassen. Jeder hat seinen eigenen «Gring», macht einen Job im OK und will nicht, dass ihm jemand reinredet. Klar sind wir nicht immer gleicher Meinung, dann nehmen wir uns beim «Gring», danach raufen wir uns wieder zusammen und alles ist wieder gut. Es ist wichtig, dass wir zusammen auskommen, schliesslich geht es ums Festival und damit um viel Geld.


Am Donnerstagabend standen die «Horeflue Jutzer» aus dem Saanenland auf der Bühne.

Um wie viel Geld geht es denn bei Ihnen, wie gross ist Ihr Festivalbudget?

Wir haben ein Budget von 60’000 Franken.

Sie beginnen das Festival jeweils mit einem volkstümlichen Auftakt am Donnerstagabend. Wie kam es dazu?

Diesen volkstümlichen Abend führten wir erstmals zum fünfjährigen Jubiläum durch. Es war ursprünglich als Sponsorenanlass gedacht. Der Abend ist beim Publikum derart gut angekommen, dass wir ihn beibehalten haben. Mittlerweile ist er ein fester Bestandteil des Mad Muni.

Zehn Jahre sind in Ihrem Alter – Sie sind alle zwischen 30 und 40 Jahre alt – eine relativ lange Zeit. Machen Sie noch weiter oder ist ein Ende des Mad Muni in Sicht?

Ein Ende gibt es immer, die Frage ist: wann. Wir haben tatsächlich erst kürzlich darüber gesprochen. Die Motivation ist vielleicht nicht mehr bei allen so gross wie noch vor sechs Jahren. Wir sind eigentlich von Jahr zu Jahr etwas später dran mit Organisieren und hinken mehr hinterher als auch schon. Aber wenn wir wieder hier sind und zusammenkommen, um das Material zu rüsten, merken wir, dass das Feuer noch brennt und der Muni noch «mad» ist. Einmal wird es die letzte Ausgabe sein, ohne Zweifel. Aber solange uns das Publikum noch will, so lange machen wir weiter!


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