Fragen und Antworten zum Gesundheitsnetz Simme Saane

  28.07.2023 Region

Nachdem die ersten kommunalen Abstimmungen über das integrierte Versorgungsmodell nicht stattgefunden haben, folgt nun ein zweiter Anlauf am 25. August. Alle sieben Gemeinden des Obersimmentals und des Saanenlands befinden über die finanziellen Beiträge, die in das zukünftige Gesundheitsnetz Simme Saane fliessen sollen und damit ein Spital in Zweisimmen mit 24-Stunden-Notfall aufrechterhalten würde. Wir haben bei den betroffenen Parteien nachgefragt, um eine Auswahl der wichtigsten Fragen und Antworten zusammenzustellen.

JOCELYNE PAGE


Gesundheitsnetz Simme Saane: Worum geht es beim integrierten Versorgungsmodell?

Es geht in die zweite Runde: Nachdem die ersten Abstimmungen über das Versorgungsmodell Gesundheitsnetz Simme Saane aufgrund noch offener Fragen bei den Gemeinden und der Bevölkerung nicht stattgefunden haben, stimmen die sieben Gemeinden des Saanenlands und Obersimmentals nun kommenden Monat ab. Wir haben eine Auswahl der wichtigsten Fragen und Antworten für Sie zusammengestellt, die von den betroffenen Parteien beantwortet werden.

BERICHT: JOCELYNE PAGE/VISUALISIERUNGEN: AVS/LIV STAUB

Fragen an die Gesundheit Simme Saane AG (GSS)

Was ist ein integriertes Versorgungsmodell und worum geht es beim Gesundheitsnetz Simme Saane?

Integrierte Versorgungsmodelle gelten als Modelle der Zukunft, insbesondere für ländlich-periphere Regionen wie das Saanenland und Obersimmental, die oftmals von einer Überalterung der Bevölkerung betroffen sind. Integrierte Versorgungsmodelle haben das Potenzial, die dauerhafte Betreuung sowie die Koordination zwischen den verschiedenen involvierten Leistungserbringern zu erhöhen. Wir gehen davon aus, dass der Anteil an Patient:innen mit einem hohen Koordinationsbedarf zwischen den verschiedenen Leistungserbringenden künftig in unserer Region zunehmen wird. Im geplanten Gesundheitsnetz Simme Saane sollen das Akutspital, das Geburtshaus Maternité Alpine, die Betriebe der Alterswohnen an den Standorten Zweisimmen und Saanenland sowie die Spitex Saane-Simme unter einer organisatorischen, finanziellen und rechtlichen Dachorganisation zusammengeschlossen werden. Dieser Zusammenschluss ermöglicht es, Angebote verstärkt auf die regionalen Bedürfnisse auszurichten und eine qualitativ hochstehende Grundversorgung mit einem Akutspital sicherzustellen.

Wieso braucht die Region Obersimmental-Saanenland aus Ihrer Sicht ein solches Versorgungsmodell?

Im Saanenland und Obersimmental wächst der Bevölkerungsanteil der über 65-Jährigen. Mit dem Alter ist man auf eine koordinierte, wohnortsnahe Grundversorgung mit einem Spitalnotfall an 365 Tagen während 24 Stunden angewiesen. Zudem braucht die Tourismusregion Saanenland-Obersimmental insbesondere im Winter eine wohnortsnahe Spitalversorgung ihrer Feriengäste aus dem Inund Ausland.

Bleibt jedes Unternehmen und jede Organisation innerhalb des Versorgungsmodells einzeln erhalten?

Das Gesundheitsnetz Simme Saane ist als Holdingstruktur geplant. Das Spital Zweisimmen und die Betriebe der Alterswohnen im Simmental und Saanenland werden in zwei zu gründende Aktiengesellschaften integriert, welche von der Gesundheit Simme Saane AG (GSS) als Holdinggesellschaft gehalten werden. Diese Schwestergesellschaften werden unter der strategischen Vorgabe der GSS operativ eigenständig geführt. Die GSS wählt als Aktionärin die Verwaltungsräte der beiden Tochtergesellschaften. Mit der Maternité Alpine und der Spitex Saane-Simme wurden durch die GSS Absichtserklärungen unterzeichnet. Die Integrationsmodalitäten werden nach erfolgter Volksabstimmung vom 25. August 2023 konkretisiert. Im Rahmen der zu führenden Verhandlungen soll unter anderem mit den genannten Partnerorganisationen entschieden werden, in welche der beiden Schwestergesellschaften die Maternité Alpine und die Spitex Saane-Simme juristisch eingebracht werden oder ob für sie ebenfalls eigene Tochtergesellschaften gegründet werden sollen.

Was geschieht bei einem Konkurs?

Die Holdingstruktur schafft Sicherheit. Im Falle einer finanziellen Schieflage oder drohendem Konkurs einer der beiden Tochtergesellschaften kann diese ohne Gefährdung der anderen saniert oder abgewickelt werden.

Wer ist für das Gesundheitsnetz verantwortlich?

Träger des geplanten Gesundheitsnetzes sind die sieben Gemeinden Boltigen, Zweisimmen, St. Stephan, Lenk, Saanen, Lauenen und Gsteig. Sie bilden mit den vier Gemeinden des Niedersimmentals (Därstetten, Diemtigen, Erlenbach, Oberwil) das Aktionariat der 2019 gegründeten Gesundheit Simme Saane AG, welche für die strategische sowie operative Führung des Gesundheitsnetzes verantwortlich ist.

Und wer sitzt im Verwaltungsrat?

Dr. Stephan Hill verfügt über langjährige Erfahrungen in der strategischen Führung von Spitälern und weiteren Unternehmen im Gesundheitswesen, u.a. als Stiftungsratspräsident der Lindenhof Gruppe in Bern. Der Verwaltungsrat wurde letzten Sommer zudem mit Jean-François Andrey verstärkt. Jean-François Andrey ist seit über 20 Jahren im Spitalwesen unterwegs. Zuletzt war er CEO der Lindenhof Gruppe und anschliessend der Psychiatrischen Dienste Aargau mit rund 1450 Mitarbeitenden. Seit letzten Sommer ist der gebürtige Berner zurück in der Bundeshauptstadt als CEO der Orthopädie Sonnenhof Bern. Zudem verhandelt er seit mehreren Jahren stationäre Tarife für Privatspitäler im Kanton Bern. Heute wird die Region durch das Co-Präsidium der Bergregion Obersimmental-Saanenland (namentlich Toni von Grünigen und Albin Buchs) vertreten. Matthias Brunner, Notar aus Gstaad, bringt die juristische Expertise in den Verwaltungsrat ein.

Wie sieht das Mitspracherecht der einzelnen Parteien aus, wenn es beispielsweise um die Organisation von Tagesstrukturen, Abläufen und Arbeitspläne geht?

Die operativen Tätigkeiten werden auch künftig in den einzelnen Organisationen oder sogar Abteilungen bestimmt.

Behalten alle Angestellten und Vorgesetzten innerhalb der heutigen Unternehmen und Organisationen ihre Jobs?

Die GSS AG will alle Mitarbeitenden, die dies möchten, zu den heutigen Lohnund Arbeitsbedingungen übernehmen. Es gilt eine dreijährige Besitzstandswahrung. Angesichts des Fachkräftemangels gilt es, möglichst attraktive Arbeitsplätze mit vorteilhaften Bedingungen anzubieten. Auch die Zentralisierung bestimmter Aufgaben führt nicht zu Entlassungen, im Gegenteil: Die Herausforderung besteht darin, qualifiziertes Personal für IT, das Finanz- und Rechnungswesen oder auch für das Personalwesen zu finden. Dabei steht die GSS AG nicht unter Zeitdruck, denn die Spital STS AG stellt diese Leistungen während einer Übergangsphase von drei Jahren sicher. Falls sich ein bestimmter Bereich nicht fristgerecht aufbauen lässt, besteht die Möglichkeit, die Aufgaben vorübergehend auszulagern.

Wie sieht der Zeitplan nun aus, da der erste Abstimmungstermin verschoben wurde?

Nachdem der Gemeinderat von Gsteig im Mai 2023 befunden hatte, dass die finanzielle Beteiligung noch nicht behandlungsreif sei, einigten sich die Gemeinden darauf, für das Traktandum einen gemeinsamen Abstimmungstermin im August festzulegen. Die Verschiebung ermöglichte vertiefte Gespräche mit Kadermitarbeitenden im Spital. Zudem haben die Gemeinderätinnen und -räte aller beteiligten Gemeinden einen ersten Entwurf für einen Aktionärsbindungsvertrag genehmigt und offene Fragen konnten geklärt werden. Die Verschiebung hat aber zur Folge, dass die Übernahme um ein Jahr verschoben werden muss. Neu soll der Start des Gesundheitsnetzes Simme Saane ab 1. Januar 2025 erfolgen. Im Falle eines positiven Entscheids der Stimmbevölkerung werden die Projektarbeiten mit den Partnerorganisationen wieder aufgenommen, um eine reibungslose Übernahme sicherzustellen. Das Gesundheitsnetz Simme Saane kommt aber nur zustande, wenn die Gesamtfinanzierung sichergestellt ist. Das Kantonsparlament stimmt – sofern der Gesamtregierungsrat das Geschäft unterstützt – in der Wintersession 2023 oder der Frühjahrssession 2024 über die finanzielle Unterstützung eines Spitalneubaus ab. Der Businessplan sieht seitens des Kantons eine Bürgschaft von 20 Millionen Franken sowie eine Kreditlimite von 13 Millionen Franken vor.

Über was stimmen die sieben Gemeinden aus dem Obersimmental und Saanenland konkret ab?

Die Gemeindeversammlungen der sieben Gemeinden befinden am 25. August über einen jährlich wiederkehrenden Beitrag für den Betrieb des integrierten Versorgungsnetzes von insgesamt 1,5 Millionen Franken ab dem Jahr 2025 sowie über einen Aufbau- und Entwicklungskredit von jährlich 300’000 Franken für die Periode 2024 bis 2028. Die Beiträge der einzelnen Gemeinden werden auf Basis der Einwohnerzahl und Logiernächte festgelegt. Zweisimmen als Standortgemeinde des Spitals übernimmt vorweg einen jährlichen Pauschalbeitrag von zehn Prozent als Standortabgeltung. Effektiv fliessen die Gemeindebeiträge nur, wenn die Gesamtfinanzierung zustande kommt. Die langfristige Finanzierung des Spitals im Gesundheitsnetz ist nur möglich, wenn sich die Partnergemeinden finanziell beteiligen.

Was geschieht, sollte eine oder mehrere Gemeinden die Vorlage nicht annehmen?

In diesem Fall wird das Gesundheitsnetz mit Akutspital nicht umgesetzt und stattdessen ein ambulantes Gesundheitszentrum von der Spital STS AG aufgebaut.

Bis dato sind Hausärztinnen und Hausärzte nicht Teil des Versorgungsmodells. Wie soll die Zusammenarbeit in Zukunft aussehen?

Die GSS steht in regelmässigen Kontakt mit den niedergelassenen Hausärzt:innen und den Praxisbetreiber:innen in der Region. Der Austausch findet primär im Rahmen von Qualitätszirkeln oder an Sitzungen des überregionalen Ärztestammes statt, bei denen die GSS eingeladen wird. Im Fokus der heutigen und zukünftigen Zusammenarbeit steht eine Neuorganisation des hausärztliche Notfalldienstes mit dem Ziel, die niedergelassenen Hausärzt:innen aber auch den Spitalnotfall in Zweisimmen zu entlasten.

Inwiefern ist das integrierte Versorgungsmodell aus Ihrer Sicht sinnvoll für Hausärztinnen und Hausärzte?

Das Spital Zweisimmen bildet das Rückgrat der medizinischen Grundversorgung im Saanenland und Obersimmental. Eine Spitalschliessung bzw. Umwandlung in ein ambulantes Zentrum hätte aus Sicht der GSS AG schwerwiegende Folgen für die Hausarztversorgung. Die Unterversorgung in der Hausarztmedizin wird vom Spital Zweisimmen aufgefangen, das Spital musste hierfür das Personal aufstocken. Der Spitalnotfall gilt als Auffangbecken für erwachsene Patient:innen und Kinder sowie Gäste der Region, die kurzfristig keinen Termin in der Hausarztpraxis erhalten. Weil niedergelassene Hausärzt:innen häufig keine Kapazitäten mehr haben, behandelt der Spitalnotfall auch Bagatellen wie Husten.

Welche Rolle tragen die Hausärztinnen und Hausärzte für Sie und das Versorgungsmodell?

Hausärzt:innen spielen in der medizinischen Grundversorgung eine sehr wichtige Rolle, da sie meistens die ersten Ansprechpartner für Patientinnen und Patienten oder Gäste aus dem In- und Ausland sind. Hausärzt:innen sind zudem in Langzeitpflegeinstitutionen als Heimärzt:innen tätig und sind Ansprechpartner für die Spitex Saane-Simme. Das integrierte Versorgungsmodell Gesundheitsnetz Simme Saane ist auf eine enge und gute Zusammenarbeit mit den Hausärzt:innen angewiesen.

Welche Relevanz nimmt das Spital Zweisimmen innerhalb des Versorgungsmodells ein?

Der Zugang zu einem wohnortnahen Akutspital mit 24-Stunden-Notfall hat für viele Bevölkerungsgruppen Vorteile, beispielsweise für ältere Menschen. Im Alter nimmt der Bedarf nach Gesundheitsdienstleistungen zu. Dank dem Spital Zweisimmen können die Bewohnerinnen und Bewohner von Alters- und Pflegeheimen in der Nähe medizinisch betreut werden. Das stationäre Angebot in Zweisimmen soll mit Fokus auf die Bedürfnisse der älter werdenden Bevölkerung sukzessiv erweitert werden. Im Alter wächst zum Beispiel die Sturzgefahr; künftig sollen im Fall eines Sturzes chirurgische Eingriffe wie Hüftprothesen in Zweisimmen durchgeführt werden können. Heute müssen Patienten dafür mindestens bis nach Thun fahren. Bleibt das Spital in Zweisimmen erhalten, bleiben die Fahrzeiten auch für die Angehörigen kurz. Der soziale Kontakt von Patientinnen und Patienten zur Familie und zu Freunden fördert laut Studien den Genesungsprozess. Ebenso verbessert das geplante Versorgungsnetz die Koordination an den Schnittstellen zu Alterswohnen und Spitex.

Zudem ist das Akutspital für die Maternité Alpine aus Sicherheitsgründen unabdingbar. Im Fall einer Komplikation während der Geburt werden Gebärende ins Spital Zweisimmen verlegt, wo die Geburt im Operationsraum unter ärztlicher Leitung einer Gynäkologin in Belegarzttätigkeit durchgeführt wird. Ein Spital in der Nähe hat auch Vorteile für Familien mit älteren Kindern: Das heutige Spital hat einen kantonalen Leistungsauftrag für kleinere chirurgische Eingriffe in ambulanten Notsituationen bei Kindern ab sechs Jahren; so müssen Kinder etwa nach einer Fraktur nicht nach Thun gebracht werden.

Für die Bevölkerung, Touristinnen und Sportler lassen sich dank dem Spital etwa Skiunfälle (z.B. Beinbruch) vor Ort behandeln. Die Verlegung nach Thun oder Interlaken ist mit hohen Transportkosten verbunden und stellt die Patienten und ihre Angehörigen häufig auch vor praktische Probleme. Ebenso stellt das Spital Zweisimmen die Dialyse (Blutreinigung) für Feriengäste sicher.

Wer betreibt das Spital Zweisimmen zukünftig?

Die GSS AG, die im Auftrag der Gemeinden Trägerin der zu gründenden Spitalbetriebsgesellschaft (Tochtergesellschaft) ist. Eine entsprechende Führungsorganisation für das Gesundheitsnetz Simme Saane und den Spitalbetrieb wird nach erfolgter Volksabstimmung entwickelt, wobei die GSS auf die heutigen Führungskräfte baut.

Müssen wir mit einer Schliessung des Spitals rechnen, sollte das Gesundheitsnetz nicht zustande kommen?

In einem Schreiben vom 5. Juli 2023 bekräftigte Regierungsrat Pierre Alain Schnegg, dass auch ein Beitrag der Gemeinden erforderlich sei, um die Finanzierung des Spitalbetriebs in Zweisimmen zu sichern. Sonst könne das Spital nicht weiterbetrieben werden. Stattdessen würde ein ambulantes Gesundheitszentrum von der Spital STS AG aufgebaut. Die Stimmberechtigten stehen somit vor einer Weichenstellung zwischen einem Akutspital mit 24-Stunden-Notfall und einem ambulantem Gesundheitszentrum mit Notfallangebot.

Wie wird das zukünftige Angebot des Spitals Zweisimmen aussehen?

Das bestehende stationäre und ambulante Leistungsangebot soll über die nächsten sechs Jahre sukzessive erweitert werden. Das angestrebte künftige Angebot umfasst: Gastroenterologie (Diagnostik und Behandlung von Erkrankungen des Magen-Darm-Trakts), kleine Viszeralchirurgie (Bauchchirurgie), Urologie, Pneumologie, Orthopädie (elektive Erstprothesen wie Hüfte Knie, Schulter, Fuss und Wirbelsäulenchirurgie) und Handchirurgie. Neue stationäre Leistungsaufträge muss der Kanton erteilen. Eine Vorprüfung ist erfolgt, welche grundsätzlich positiv ausgefallen ist. Auch künftig wird es aber Fälle geben, die direkt in ein Zentrumsspital wie Thun oder ins Inselspital nach Bern verlegt werden müssen. Bei einem Herzinfarkt etwa ist der rasche Transport des Patienten nach Thun erforderlich oder bei einem Schlaganfall die Verlegung ins Inselspital nach Bern. Wie schon heute ist dafür ein gutes Rettungswesen notwendig.

Welche finanziellen Risiken für die Übernahme und den Betrieb des Spitals Zweisimmen gibt es?

Im Rahmen der Verhandlungen mit der Spital STS AG wurde eine «Due Diligence», also eine sorgfältige Prüfung des Spitals Zweisimmen durchgeführt. In Bezug auf die finanziellen Risiken gilt es Folgendes festzuhalten: Das bisher von der STS AG ausgewiesene Defizit für den Spitalbetrieb in Zweisimmen lässt sich dank der jährlich wiederkehrenden Beiträge des Kantons und der Gemeinden sowie der neuen stationären elektiven Eingriffe in der Nebensaison zur Erreichung einer höheren Auslastung schrittweise reduzieren. Dank der Umsetzung des integrierten Versorgungsmodells ergeben sich zusätzlich Einsparungen von rund einer Million Franken aufgrund von Synergien bei den unterstützenden Dienstleistungen, die heute innerbetrieblich in Thun eingekauft werden. Schlussendlich ermöglicht der Spitalneubau schlanke Abläufe und Kostenvorteile bei den Vorhalteleistungen.

Der Fachkräftemangel stellt im Gesundheitswesen schweizweit die grösste Herausforderung dar – das Risiko betrifft also nicht nur die GSS AG. Bereits heute ist die Personalsituation im Spital Zweisimmen – trotz intensiver Rekrutierungs- und Personalmassnahmen – prekär. Das Fehlen einer klaren Perspektive erschwert es, neues Personal zu rekrutieren und Mitarbeitende zu halten; der OP-Betrieb ist mangels Personals reduziert. Mit der geplanten Angebotserweiterung, dem Spitalneubau und der verstärkten Zusammenarbeit in einem breiten Versorgungsnetz verbessern sich die Zukunftsaussichten für den Standort Zweisimmen und damit auch seine Chancen auf dem Arbeitsmarkt. Wenn sich das nötige Personal nicht rechtzeitig finden lässt, hätte dies einen Einfluss auf das Projekt und für den Spitalneubau. Kooperationspartner für neue stationäre Spitalleistungen würden nicht gefunden. Der Businessplan liesse sich deshalb nicht realisieren. Gespräche mit der Spital STS AG werden nach der Volksabstimmung vom 25. August aufgenommen. Gespräche mit Fachärzt:innen, die sich eine Belegarzttätigkeit in Zweisimmen vorstellen könnten, werden ebenfalls nach den Abstimmungen wieder aufgenommen. Der jährlich wiederkehrende Beitrag des Kantons Bern in der Höhe von 2 Millionen Franken muss alle vier Jahre durch den Grossen Rat (als Verpflichtungskredit) genehmigt werden. Es besteht keine Gewähr, dass der Grosse Rat diesen Betrag auch später weiterhin beschliessen wird. Wobei dieses politische Prozedere auch in anderen Bereichen, wie z. B. bei Subventionen in der Landwirtschaft angewendet wird. Die Umsetzung des integrierten Gesundheitsnetzes Simme Saane erfordert unerwartet hohe, betriebsnotwendige Investitionskosten (u.a. Spitalneubau und Informatik). Hierfür wurden im Businessplan Reserven eingebaut, um vorgesehene Mehrkosten auffangen zu können.

Inwiefern beteiligt sich der Kanton finanziell?

Der Kanton finanziert gemeinwirtschaftliche Leistungen zur Unterstützung integrierter Versorgungsnetzwerke und zur Sicherstellung der Grundversorgung mit 2 Millionen Franken pro Jahr. Die Spital STS AG und die GSS haben gemeinsam einen Antrag zuhanden des Kantons gestellt, um bereits ab 2023 Zugang zu diesen Geldern zu erhalten. Hiermit sollen unter anderem die notwendigen Projektarbeiten finanziert werden. Die Spital STS AG leistet 7,5 Millionen Franken gesamthaft über drei Jahre (2025–2027). Einen Teil wird als Barmittel zur Finanzierung von laufenden Kosten ab Betriebsbeginn an die GSS ausgeschüttet. Der Rest wird als Kontokorrent zur Finanzierung von Support-Service-Leistungen (z.B. Personalwesen, Finanz- und Rechnungswesen, ICT etc.) geführt.

Sie gehen davon aus, dass der Spitalneubau rund 27 Millionen Franken kosten wird. Sind die Rückbaukosten des heutigen Spitals mit einberechnet?

Nein, die Rückbaukosten sind in den 27 Millionen Franken nicht inbegriffen. Die Rückbaukosten von 4 Millionen Franken werden im Businessplan aber berücksichtigt. Dieser Betrag beruht auf Schätzungen eines Bauexperten.

An der damaligen Informationsveranstaltung in Saanen wurde die Summe von 27 Millionen Franken für einen Neubau in Frage gestellt, und zwar, ob dieser Betrag für ein solches Bauprojekt ausreiche. Was sagen Sie dazu?

Die Kosten von 27 Millionen Franken für den Spitalneubau sind nicht eine Schätzung, sondern eine Vorgabe: Das neue Spital in Zweisimmen wird so geplant und konstruiert, dass das Kostenziel eingehalten wird. Dies entspricht dem sogenannten «Design-to-Cost-Ansatz». Die 27 Millionen sind laut Businessplan tragbar und ermöglichen die benötigte Geschossfläche. Im Businessplan sind kalkulatorische Abschreibungen von 1,1 Millionen Franken für den Spitalneubau auf die Nutzungsdauer von 25 Jahren einberechnet.

Wie wird der Spitalbetrieb aufrechterhalten während der Neubauphase?

Der Neubau wird neben dem bestehenden Spitalgebäude erfolgen und wird den laufenden Spitalbetrieb nicht beeinträchtigen.


Die Businesspläne:

Spital Zweisimmen

Als Datenbasisjahr dient das Geschäftsjahr 2019 (Betriebsbuchhaltung der Spital STS AG). Der Businessplan rechnet mit einer Steigerung der Fallzahlen im Spital von 162 Fällen für die Jahre 2025 bis 2027 oder mit rund 60 zusätzlichen Fällen pro Jahr. Mittels Kooperationen etwa mit der Spital STS AG in Thun und mit einem Belegarztmodell soll das stationäre Leistungsangebot erweitert werden. Das ergänzende Leistungsangebot benötigt einen kantonalen Leistungsauftrag. Eine Vorprüfung mit grundsätzlich positivem Entscheid durch das Gesundheitsamt ist erfolgt. Die erwartete Fallzahlsteigerung ergibt sich aus stationären Fällen von Patienten aus dem Niedersimmental, Obersimmental und Saanenland, die heute in Thun erfolgen. Aufgrund der demografischen Entwicklung, ist mit einer Zunahme an Leistungen, die eine stationäre Nachversorgung im Spital brauchen, zu rechnen. Im Spital wird mit einem konstanten Basispreis (Anmerkung: dieser wird zwischen den Spitälern und den Krankenkassen verhandelt) von 9900 Franken gerechnet. Im Businessplan wurden die jährlich wiederkehrenden Beiträgen der Gemeinden (1,5 Millionen Franken) sowie die Beiträge für den Aufbauund Entwicklungskredit (0,3 Millionen Franken) für die Jahre 2024 bis 2028 einberechnet. Auch die jährlich wiederkehrenden Beiträge des Kantons (2 Millionen Franken) sind im Businessplan berücksichtigt.

Aufgrund der zusätzlichen stationären Leistungen und der künftigen zentralen Geschäftsstelle wurden die Personalkosten im Geschäftsjahr 2025 pauschal nach dem Vorsichtsprinzip um 0,8 Millionen Franken erhöht. Ebenfalls eingerechnet sind die kalkulatorischen Abschreibungen (1,1 Millionen Franken pro Jahr) des Spitalneubaus auf die Nutzungsdauer von 25 Jahren. Im Weiteren sind jährliche Anlagenutzungskosten von über 0,7 Millionen Franken enthalten.

Maternité Alpine

Als Datenbasisjahr dient das Budget 2023 der Genossenschaft Maternité Alpine. Im Geburtshaus Maternité Alpine wird keine Fallzahlsteigerung angestrebt. Es wird ebenfalls mit einem Basispreis von 9900 Franken (analog Spital) gerechnet.

Spitex Saane-Simme

Als Datenbasisjahr dient das Budget 2023 des Spitex-Vereins Saane-Simme. Auf der Ertragsseite wird ein jährliches Wachstum im Patientenertrag von 1,5 Prozent berechnet. Die anderen Ertragspositionen bleiben konstant.

Alterswohnen (Bergsonne/Maison Claudine Pereira)

Als Datenbasisjahr dient das Budget 2023 der Alterswohnen STS AG. Auf der Ertragsseite wird ein jährliches Wachstum im Patientenertrag von einem Prozent berechnet. Die anderen Ertragspositionen bleiben konstant.

Bei allen vier Organisationen bzw. Unternehmen wurden die Personal- und Sachkosten im Businessplan pro Jahr um 0,8 Prozent aufgrund der Teuerung erhöht (Ausnahme ist das Jahr 2022, als mit 4 Prozent gerechnet wurde).


Fragen an die kantonale Gesundheits-, Sozial- und Integrationsdirektion (GSI)

Wie beurteilen Sie das Vorhaben des integrierten Versorgungsmodells Gesundheitsnetz Simme Saane?
Für die Zukunft des stark defizitären Spitalstandorts Zweisimmen wird seit Langem – in enger Zusammenarbeit mit der Gesundheits-, Sozial- und Integrationsdirektion und den lokalen Partnern der Region – eine langfristige Lösung gesucht. Ein integriertes Versorgungsmodell schafft die strukturellen Grundlagen für solch eine langfristige Sicherung der medizinischen Grundversorgung und bietet die Möglichkeit, durch den Einbezug und in Zusammenarbeit mit den lokalen Partnern Synergien zu nutzen. In Regionen mit einem kleinen Einzugsgebiet sind die oft wenigen Leistungserbringer noch stärker auf eine vergleichsweise enge Zusammenarbeit angewiesen und übernehmen in der Regel unterschiedliche Funktionen der medizinischen Grundversorgung. Der Aufbau eines Integrierten Versorgungsmodells ist daher positiv zu beurteilen.

Wieso ist dieses Modell Ihrer Meinung nach das Richtige für die Region?
Das Modell, das von der GSS AG umgesetzt werden soll, entspricht den Anliegen und Bedürfnissen der Region. Mit der Übernahme des Betriebs des Spitals Zweisimmen durch die GSS AG würde einem Wunsch der Region Rechnung getragen, sich aktiv für die langfristige Sicherung der medizinischen Grundversorgung zu engagieren und die nötige strategische Verantwortung für den Spitalstandort zu übernehmen.

Haben Sie innerhalb des Kantons ein gleiches Modell?
Nein, im Kanton Bern gibt es kein vergleichbares Modell, in welchem die Gemeinden die strategische Verantwortung für einen Spitalstandort innehaben. Allerdings werden verschiedene Arten von integrierten Versorgungsmodellen und Gesundheitsnetzwerken aufgebaut, beispielsweise die Réseau de l’Arc SA im Jurabogen, wo eine vollintegrierte Gesundheitsorganisation entstehen soll.

Welche Bedeutung hat das Spital Zweisimmen auf kantonaler Ebene?
Das Spital Zweisimmen steht auch als Beispiel für die medizinische Grundund Notfallversorgung in eher peripheren Regionen. Das gilt für den Kanton Bern genauso wie für die gesamte Schweiz. Sollte das Versorgungsmodell – das von der Gesundheit Simme Saane AG umgesetzt werden soll – Erfolg haben, kann das Modell für andere periphere Regionen nützlich sein, die vor ähnlichen Veränderungsprozessen stehen.

Sollte das Gesundheitsnetz Simme Saane nicht zustande kommen, kommt auch ein Verkauf des Spitals Zweisimmen nicht zustande. Was wird geschehen? Und was passiert mit dem Spital Zweisimmen?
Sofern die Finanzierung des Betriebs durch die GSS AG nicht sichergestellt werden kann – was auch einen finanziellen Beitrag der Gemeinden bedingt – und die stationäre Spitalversorgung in Zweisimmen nicht weiterbetrieben werden kann, soll von der STS AG ein ambulantes Gesundheitszentrum aufgebaut werden. In den vergangenen Jahren haben sich Art und Umfang der medizinischen Versorgung stark verändert. Ehemals stationäre Leistungen werden dank des medizintechnischen Fortschritts zunehmend in den ambulanten Sektor verlagert und ein stationärer Aufenthalt ist heute häufig nicht mehr nötig.

Inwiefern beteiligt sich der Kanton finanziell an der Finanzierung eines Spitalneubaus und am Betrieb des Spitals selbst?
Die GSI hat einen jährlichen Beitrag an das Gesundheitsnetzwerk über rund zwei Millionen Franken in Aussicht gestellt. Ein entsprechender Antrag liegt der GSI vor. Zudem wird zurzeit die Gewährung eines Darlehens und einer Bürgschaft an die GSS AG geprüft. Das entsprechende Geschäft wäre dem Grossen Rat vorzulegen.

Gibt der Kanton eine Defizitgarantie, sollte der Spitalbetrieb nicht kostenneutral geführt werden können?
Nein, der Kanton Bern spricht keine Defizitgarantie aus.


Fragen an die Spitex Saane-Simme

Sollte das Gesundheitsnetz Simme Saane zustande kommen, werden auch Sie Teil davon sein. Wie beurteilen Sie das Versorgungsmodell?
Für ein integriertes Modell sind die Schnittstellen unter allen Beteiligten sehr wichtig. Die Spitex versorgt etliche Klient:innen nach einem Spitalaufenthalt, nach einer Überweisung der Hausärzte oder als Neukunden nach einem Altersheimaufenthalt. Auch organisiert die Spitex Übertritte ins Spital oder Altersheim mit. Der direkte und unkomplizierte Kontakt zu unseren Partnern ist ein wesentlicher Bestandteil einer guten Zusammenarbeit. Ein Versorgungsmodell, wie die GSS es vorsieht, wird zu einer besseren Behandlungsqualität und effizienteren Prozessen führen. Alles was vor Ort – also in der Region – abgewickelt werden kann, ist von Vorteil für die betroffenen Klienten, in Bezug auf die Betreuung sowie die finanzielle Belastung. Distanzen zwischen den Institutionen erschweren eine sinnvolle interdisziplinäre Zusammenarbeit.

Welche Rolle wird das integrierte Versorgungsmodell für Ihre Organisation einnehmen?
Die strategische Führung der Spitex Saane-Simme hat eine Absichtserklärung unterzeichnet. In den nächsten Monaten wird intensiv an den Szenarien gearbeitet, wie die Zukunft des Versorgungsmodells mit der Spitex aussehen könnte. Auf jeden Fall ist für die Spitex ein beständiger Partner im Gesundheitswesen wichtig. Von der intensivierten Zusammenarbeit mit dem GSS hätten alle Beteiligten und insbesondere auch die Klienten der Spitex sicher einen grossen Nutzen.


Fragen an Maternité Alpine

Sollte das Gesundheitsnetz zustande kommen, werden auch Sie Teil davon sein. Wie beurteilen Sie das Versorgungsmodell?
Das Geburtshaus Maternité Alpine setzt sich seit Beginn für eine integrierte Versorgung ein. Eine gute und enge Zusammenarbeit zwischen den verschiedenen Dienstleistungserbringern im Gesundheitswesen ist eine Voraussetzung, damit unsere Region auch in Zukunft versorgt sein wird. Momentan schaut jede Institution für sich. Das ist nicht nachhaltig, weder für die Rekrutierung des Fachpersonals noch für die Wirtschaftlichkeit der einzelnen Betriebe. Ohne Maternité Alpine in der Region wäre die wohnortsnahe und stationäre Betreuung der Schwangeren nicht mehr gewährleistet. Nur noch einzelne Hebammen wohnen in der Region, somit wäre eine künftige ambulante Betreuung nicht mehr sichergestellt. Dass Hebammen aus Thun oder Bern die Abdeckung der nachgeburtlichen Betreuung in unserer Region sicherstellen würden, wäre unwahrscheinlich.

Welche Rolle wird das Versorgungsmodell für Ihre Organisation einnehmen?
Das geplante Versorgungsmodell ist gerade aus der Sicht einer interdisziplinären Zusammenarbeit für die Betriebe, die ein stationäres Angebot erbringen, von grösster Wichtigkeit. Eine In-House-Lösung mit direktem Zugang zur Notfallstation war von Beginn weg unser Ziel. Dieses Modell soll nun unsere strategische Ausrichtung ermöglichen. Wir wollen die integrierte Versorgung für die Region mitgestalten, uns aktiv in die Prozesse und Umsetzung einbringen und – aus Sicht der Maternité – die Versorgung der Schwangeren und Frauen mit ihren Neugeborenen auch in Zukunft vor Ort sicherstellen. Die Nutzung der gemeinsamen vorgesehenen zentralen Dienste, sprich IT-Infrastruktur, Patienten- und Finanzadministration, sowie Einkauf und Bewirtschaftung von Material, ist zielführend für alle Beteiligten. Unser Fazit: Ja, wir wollen ein Teil dieses Versorgungsmodells werden, alles andere ist auch für die Maternité Alpine nicht nachhaltig. Ohne Zugang zum 24-Stunden-Notfalldienst im Spital Zweisimmen ist unser Betrieb gefährdet.


Anm. d. Red.: Die Spital STS AG und die Alterswohnen STS AG wollten auf Anfrage keine Fragen zum Gesundheitsnetz beantworten. Sie verwiesen auf die kommende Informationsveranstaltung, bei der sie Fragen beantworten werden, und auf die Abstimmungsunterlagen, die nächstens veröffentlicht werden.


 


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