Jubel am Rellerli: Die erste permanente Downhillstrecke ist eröffnet

  02.08.2016 Schönried

Nun ist sie offen, die erste permanente Downhillstrecke im Saanenland. Der erste Härtetest für die in Fronarbeit gebaute, attraktive und selektive Strecke steht kurz bevor: Vom 12. bis 14. August finden am Rellerli die Schweizermeisterschaften statt.

Am Samstagvormittag war es so weit: Die erste Downhillstrecke im Saanenland wurde mit einer kleinen Zeremonie eröffnet. Er werde die Strecke nie befahren – «sie ist eine Nummer zu gross für mich» –, er freue sich aber, sie symbolisch zu eröffnen, meinte Heinz Brand, Verwaltungsratsdirektor der Bergbahnen Destination Gstaad AG, lachend, bevor er das Band zerschnitt. Und danach konnten die Downhiller, die in Fronarbeit beim Bau der Downhillstrecke mitgearbeitet hatten – allen voran Projektleiter Romeo Cairoli, die Gebrüder Tinner und Chrigel Müllener – ihr «Werk» ein erstes Mal befahren. Die Strecke sei cool und er sei sehr zufrieden, meinte Cairoli im Ziel.

1000 Stunden Fronarbeit
Ein erster Härtetest steht schon in zehn Tagen an: Vom 12. bis 14. August finden am Rellerli die Schweizermeisterschaften statt. Die Baubewilligung für die permanente Downhillstrecke am Rellerli ist erst Ende Juni eingetroffen und seitdem wurde an der Strecke intensiv gearbeitet, um sie rechtzeitig fertig zu bekommen. «Es wurden über 1000 Stunden Fronarbeit geleistet», betonte Romeo Cairoli an der Eröffnung, an der Landbesitzer, Bewirtschafter sowie Vertreter der Gemeinde, der BDG und des GST zugegen waren. Viele der freiwilligen Helfer kommen aus der Downhillszene, aber auch ganze Familien haben mit Schaufeln und Pickeln Hand angelegt. Nur bei zwei Prozent der Strecke sei ein Bagger zum Einsatz gekommen, so Cairoli. «Wir hatten von den Ämtern und Fachstellen die Auflage, dass die Strecke ohne Maschinen gebaut wird.»
Geht alles nach Plan, soll das letzte Teilstück bis zur Bergstation – die Bewilligung umfasst die ganze Strecke von der Berg- bis zur Talstation – noch dieses Jahr fertig werden. Vorderhand liegt der Start jedoch etwas unterhalb der Rellerli-Hütte.

Attraktiv und selektiv
Die ganze Strecke hat eine Länge von gut drei Kilometern und überwindet 600 Höhenmeter. Romeo Cairoli rechnet für die Schnellsten mit einer Fahrzeit von viereinhalb bis fünf Minuten. «Es ist eine der längeren und attraktiveren Downhillstrecken in der Schweiz», so Romeo Cairoli. «Es gibt sehr viele Terrainwechsel – von Wiesen- zu Waldabschnitten.» Man hoffe nun auf viele Fahrten, damit die Strecke gut eingefahren sei für die Schweizermeisterschaften und man allfällige Kinderkrankheiten vorher ausbügeln könne. Die Bikes werden mit der Gondelbahn zur Bergstation transportiert – die Geometrie des Rades sei fürs Herunterfahren ausgelegt und nicht fürs Hochfahren, erklärte Dominik Tinner, ein Kollege von Romeo Cairoli. Die Tageskarte für Biker kostet 38 Franken – «ein fairer Preis», finden die Downhiller.
An den Schweizermeisterschaften starten werden unter anderen Lutz Weber (er fährt für das Swiss-DownhillSyndicate-Team von Hanspeter Tinner), Noel Niederberger (er fuhr früher im Gstaad-Scott-Team) und Carina Cappellari. «Sie fährt regelmässig im Weltcup in die Top 10», so Cairoli. Und ebenfalls starten wird mit Maxime Chapuis der amtierende Schweizermeister. Unter den Einheimischen gebe es keine Elitefahrer, so Cairoli weiter. «Die meisten werden als Helfer im Einsatz stehen.»

Nur für Mountainbiker
Die Downhillstrecke liegt parallel zum Wanderweg/Zubringerstrasse. Ist die Strecke fertig, quert sie den Wanderweg zweimal – auf der verkürzten Strecke einmal. «Die Querungen sind gut signalisiert, die Downhiller werden auf Schildern aufgefordert, das Tempo zu drosseln, und auf der Downhillstrecke gilt ein Fussgängerverbot», betonte Cairoli und fügte hinzu: «Die Downhillstrecke ist nur für Mountainbiker.»

«Ein sehr erfreulicher Meilenstein»
«Der Weg war etwas steinig und schliesslich ist man zum Ziel gekommen, indem man eine zweite Runde gedreht und den Weg mit den Ämtern gefunden hat», blickte Heinz Brand zurück. «Es ist für unsere Destination ehr wichtig, dass wir uns weiterentwickeln», und der Bikesport, die Bikerszene habe Potenzial. Bisher habe man in der Region nur davon gesprochen und noch nicht viel gemacht. «Ich finde es toll, dass man jetzt einen Stein setzen und die Strecke in Betrieb nehmen kann. Somit ist wenigstens für die nächsten drei Jahre gewährleistet, dass es eine Downhillstrecke gibt.» 2018, wenn das Rellerli geschlossen wird, soll die Strecke zurückgebaut werden.
Die Downhillstrecke sei ein sehr erfreulicher Meilenstein und den Initianten gebühre ein Dankeschön, sagte Matthias In-Albon, Geschäftsführer der BDG, auf Anfrage. «Es ist aber unerlässlich, weitere Angebote für mittelgute und schwächere Fahrer zu kreieren, um anschliessend ein Gesamtangebot ‹Bike am Berg› anbieten zu können.» Der momentan hochdefizitäre klassische Sommerbetrieb der Bergbahnen müsse dringend mit verschiedenen Produkten wie beispielsweise dem Biken diversifiziert werden. «Der Berg im Sommer sowie im Winter muss inszeniert werden und verschiedene Anspruchsgruppen ansprechen», so In-Albon.


DOWNHILLEN

Nichts für «Faule»
«Wer meint, Downhillen sei etwas für Faule, da man ja ‹nur› aufs Velo sitzt und herunterfährt, irrt», sagt Romeo Cairoli. «Man muss fit sein – von Kopf bis Fuss. Man muss mit Köpfchen, vorausschauend fahren.» Und es brauche auch Kraft, eine gewisse Grundkondition, damit man das Velo halten könne. «Bei engen Kurven steht man fast still, dann gibt es schnelle Passagen, bei denen man den Mut haben muss, die Bremsen loszulassen und das Velo laufen zu lassen.» Downhillen gehe wegen der Vibration in die Hände und die Unterarme. Nach einem ganzen Tag könne es schon mal vorkommen, dass man die Finger kaum mehr strecken könne. «Das ist aber eine Sache des Trainings.» Wichtig ist auch die richtige Ausrüstung. «Rückenpanzer sind Pflicht», betont Caigeschlossener) Helm, Brille, Knieschoner, Handschuhe und gute Schuhe zu einer guten Ausrüstung. Und selbstverständlich ein gutes Downhillbike.
Mit Biken angefangen hat Romeo Cairoli – er kommt aus einer Bikerfamilie, sein Bruder fährt Rennrad – etwa vor zehn Jahren. «Ich habe gemerkt, dass mir das Runterfahren sehr viel Spass macht.» Und so habe er schon bald ein «abfahrtsorientiertes» Velo gekauft und kurz darauf ein Downhillbike. Er ist Rennen gefahren, hat am Schweizer Cup und am Europacup teilgenommen. 2013 wurde er durch einen Unfall mit dem Bike etwas zurückgebunden. Was ihn aber nicht gross zu stören scheint. «Ich bin nicht mehr so angefressen wie früher.» Ihm sagt vor allem die Atmosphäre in der Downhillszene zu. «Wir sind eine grosse Familie. Man lernt Leute kennen und es entwickeln sich Freundschaften daraus.» Zudem sei es dann 2014 losgegangen mit dem Downhillprojekt am Rellerli.

«Es macht Spass»
Für Dominik Tinner ist Downhillen ein guter Ausgleich zum Studium. «Es macht Spass, man betätigt sich körperlich und es hält einen fit.» Downhillen sei nicht gefährlicher als andere Sportarten, so Tinner. Aber wie bei jedem Sport gebe es natürlich Risiken, diese versuche man aber mit einer guten Ausrüstung und vorausschauender Fahrweise so gering wie möglich zu halten. «Unter den Bikern ist es cool, man schaut aufeinander. Wenn einer stürzt, hält man an, fragt, ob alles okay ist.» Zusammen mit seinem Bruder Pascal hat Dominik Tinner – seine Familie kommt seit Jahren regelmässig ins Saanenland – beim Bau der Strecke mitgeholfen. «Sie ist so gebaut, dass es möglichst wenig Stürze gibt.» Er sehe beim Biken weniger Verletzungen als beim Skifahren, erzählt der Innerschweizer, der früher auch Skirennen gefahren ist. «Wir sind gut geschützt und weniger schnell unterwegs.» Die Bikes seien gut gefedert, die Bremsen ein wichtiges Element. «Es sind meistens 4-Kolben-Scheibenbremsen – die haben ordentlich Power. Da kommt man immer zum Stehen», so Tinner.
Noch Anfängerin in der Männerdomäne Downhill ist Florence Hübner aus dem Turbach. Sie sei die Strecke vorsichtig gefahren, erzählt sie bei der Talstation. «Die Sprünge überlasse ich noch den Jungs …» Auch sie hat beim Bau der Strecke mitgeholfen. «Es hat sich eine richtige Community gebildet. Es steckt viel Herzblut darin.» ANITA MOSER


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