Humoristischer Rückblick auf 40 Jahre Gstaader Messe

  27.10.2017 Ausstellung, Gstaad

Seit gestern ist die Gstaader Messe bereits zum 40. Mal geöffnet. Die ehemaligen Präsidenten geben zu diesem Anlass ein paar Anekdoten und Erinnerungen preis.

BLANCA BURRI
Johann Peter von Grünigen schmunzelt schon, bevor er mit der Geschichte beginnt, denn er hat sie – obwohl vor langer Zeit passiert – noch immer sehr präsent. Früher habe der Messehöck am Sonntagabend einen hohen Stellenwert gehabt und der Verlauf des Abends habe jeweils allerlei Wendungen nehmen können. Einmal habe man nach dem Höck bis in die frühen Morgenstunden noch bei einem Vorstandskollegen weitergefeiert. Schliesslich fragte man sich gegen fünf Uhr morgens, was man noch unternehmen wolle. «Irgendjemandem ist eingefallen, dass der Hotelierverein sich zu einer Reise trifft», erzählt er. Die Gruppe von rund sechs bis acht fröhlichen Männern habe sich also aufgemacht, um die Hoteliers zu verabschieden. Der Reisebus stand beim Bahnhof Gstaad bereit, die Gruppe hängte – in Absprache mit dem Chauffeur – ein paar Messeplakate an den Bus und stieg ein, als wäre sie Teil der Reisegruppe. Als die Reisegruppe eintrudelte, staunte sie nicht schlecht, als die übernächtigten Männer mit auf die Reise wollten. Der Bus fuhr los und hielt in Saanen, um weitere Hoteliers aufzunehmen. «Die Hoteliers, welche in Saanen dazu stiegen, waren neu und kannten noch nicht alle Berufskollegen. Sie hielten uns auch für Gastgeber», lacht von Grünigen. Sie hätten sich gegenseitig seriös vorgestellt. Als der Buschauffeur über die Saanenmöser fuhr, hielt er aber nicht wie vereinbart beim Bahnhof Saanenmöser, sondern gab den Schwarzfahrern einen Seitenhieb, indem er sie erst bei der Marchgrabenbrücke in Reichenstein aussteigen lies. «Von dort marschierten wir nach Saanenmöser zurück, wo wir privat ein wunderbares Frühstück genossen.» Damit nicht genug. Das Grüppchen beschloss, im «Anzeiger von Saanen» einen Artikel erscheinen zu lassen, in dem sie sich beim Hotelierverein für das Taxi nach Saanenmöser bedankten. «Das war ein lustiges Erlebnis, alle haben sich über den gelungenen Streich spitzbübisch gefreut und noch jahrelang davon erzählt.»

Auch heute geht es nicht weniger lustig zu und her. Während der Amtszeit von Christoph Romang stellte ein Aussteller eine mobile Schnapsbrennerei aus. Traditionsgemäss machte sich der Vorstand auf, die Ausstellung zu begutachten. Bei der Schnapsbrennerei habe man einen längeren Zwischenstopp mit dem Vorwand gemacht, sie eingehend zu prüfen. «Die Degustation der Schnäpschen ist dann doch recht grosszügig ausgefallen und wir haben die Autos stehen gelassen», lacht Romang.

Wegen Gstaader Messe schulfrei
Die Gstaader Messe fand zu Beginn im Rütti-Schulhaus statt. Die Räumlichkeiten für die Messe, welche vom Freitagabend bis Sonntagabend dauerte, mussten vorgängig eingerichtet werden und somit gab es dann auch schulfrei. Jedes Schulzimmer sei einer kleinen Gewerbegemeinschaft zugeteilt worden und alle hätten sich bemüht, ein spezielles Ambiente zu schaffen, erinnert sich René Reuteler. «Die Aussteller gaben sich – wie heute auch – sehr viel Mühe mit der Präsentation und dem Angebot.» Charly’s Tearoom sei zum Beispiel während Jahren im obersten Stock anzutreffen gewesen, wo Getränke, Kuchen und Torten verkauft wurden. «Einmal haben wir Softice verkauft, also mussten wir die schwere Maschine mit Manneskraft nach oben schleppen. Einen Lift gab es nicht.» Dasselbe galt für die Getränke und alle weiteren Produkte, die verkauft wurden. An etwas erinnert sich Reuteler besonders gut: «Weil die Messe im Schulhaus stattfand, war es strikte verboten, Alkohol auszuschenken.»

In den Kriegsjahren entstanden
Bemerkenswert ist, dass die erste Gstaader Messe 1943 – während der Kriegsjahre – stattfand. «Damals wurden die Privathaushalte mit Versandkatalogen von Jelmoli und Co. beliefert», erklärt René Reuteler den Grundgedanken der Messe. «Wir wollten den Leuten zeigen, dass sie nicht von auswärts bestellen müssen, sondern alles vor Ort einkaufen können.» Theodor Romang erzählt eine kleine Anekdote aus der Zeit vor der Gründung: «Eines Morgens kam mein Nachbar, Robert Villiger Senior, in mein Schuhgeschäft. Er informierte mich, dass ein paar ‹bessere› Untergstaader Geschäfte mit grellen Farben Kreise an ihre Schaufenster gemalt hatten. Daneben stand: ‹Die fortschrittlichen Geschäfte›. Deswegen beschlossen wir, auch solche Kreise auf unsere Schaufenster malen zu lassen, ohne zu fragen, notabene. Denn schliesslich war das Symbol nicht geschützt. Es kann sein, dass wir vielleicht träge Geschäftsleute waren, wir haben vielleicht zu viel geklagt und zu wenig unternommen. Dieser Vorfall hat uns aber aufgerüttelt und er hat dazu geführt, dass wir Geschäftsleute regelmässig zusammenkamen und schliesslich die Idee der Gstaader Messe entstand.»

Möbel mit Handwagen transportiert
Weil Treibstoff während des Kriegs rationiert war und aus finanziellen Gründen gab es auch in Gstaad kaum Autos. Also mussten die Ausstellungsgegenstände mit Pferdekutschen oder Handwagen ins Schulhaus gebracht werden. «Die Schreinerei Staub zum Beispiel brachte die Ausstellungsmöbel mit einem Handwagen von Saanen nach Gstaad», erzählt Reuteler. «Früher haben wir noch Öfen verkauft und die Ausstellungsstücke nach Feierabend ebenfalls auf Handwagen in die Rütti gebracht», ergänzt Gottfried von Siebenthal-Imhof. Das war bestimmt kein Schleck, wenn man bedenkt, wie schwer sie waren.

Den gesellschaftlichen Höhepunkt für die Geschäftsleute und ihre Angestellten war der Ausstellerabend am Sonntag Abend im Charly’s in Gstaad. Nachdem die Schulzimmer für den Schulbetrieb wieder hergestellt worden waren, traf man sich im Charly’s zum Abschlussabend. «Das wurde mitunter ziemlich spät – oder besser gesagt früh», lacht René Reuteler. Man habe sich gegenseitig mit Sketchs auf die Schippe genommen. Zum Beispiel sei vorgängig in ein Uhrengeschäft eingebrochen worden. Am Ausstellerabend hiess es dann: «An dem Tag, als Peter Kocher all seine Ware auf einmal verkaufte …» Der Ausstellerabend sei ein wichtiger gesellschaftlicher Anlass gewesen, bestätgt auch Gottfried von Siebenthal. «Es kam vor, dass die älteren Geschäftsherren den jüngeren am Ausstellerabend das Du anboten, das war zu dieser Zeit etwas Grosses», sagt er. Auch sehen und gesehen werden sei an diesem Anlass wichtig gewesen. Und: Gottfried von Siebenthal hat an einem Ausstellerabend seine Frau Katharina kennengelernt.

Schon damals galt: Mitglied bei der Gstaader Messe konnte nur sein, wer seinen Geschäftshauptsitz auch im Saanenland hatte. Aber keine Regel ohne Ausnahme: Blumen Wittwer durfte ausstellen, weil es damals kein anderes einheimisches Blumengeschäft gab, das ausstellte.

Grosses Wachstum
In den 70er-Jahren wurden die Räumlichkeiten im Rütti-Schulhaus zu eng und die ganze Messe zog in die Curlinghalle um, die sich damals beim Le Grand Bellevue befand. Bei der Einweihung schnitt das Gründungsmitglied Anneli von Grünigen («Benzin-Anneli») das Band durch. Als das Erdgeschoss zu eng wurde, nutzte man auch den ersten Stock für die Ausstellung, was aber unattraktiv war, weil man nicht mehr mitten im Geschehen war. «Damals ging ich als Messepräsident mit gutem Beispiel voran und bezog mit nur wenigen anderen Ausstellern die erste Etage», erzählt Gottfried von Siebenthal. Hansruedi Kübli ergänzt: Beim Aufstellen war es dort noch warm, aber am Samstag gab es einen Wetterumsturz, es hat geschneit und es wurde sehr kühl. Obwohl man Sofortmassnahmen ergriff, sei das Obergeschoss im ersten Jahr ein undankbarer und kalter Ausstellungsort gewesen. Natürlich habe man aus den Fehlern gelernt und im nächsten Jahr Massnahmen gegen die Kälte getroffen.

Das grosse und kleine Zügeln
«Es ist Brauch, dass der Vorstand am Samstagabend die Stände anschaut und dann kann es vorkommen, dass das eine oder andere Ausstellungsstück plötzlich – aus nicht erklärbarem Grund – bei einem anderen Stand steht», erzählt Hansruedi Kübli. Wegen des «Umstellens» gab es einige lustige Episoden, das hört man von allen Seiten. Und weil das allgemein bekannt sei, begeben sich die Aussteller am Sonntagmorgen relativ früh an ihren Stand, um fremde Gegenstände zu identifizieren oder fehlende Utensilien zu suchen.

An eine Geschichte erinnert sich Hansruedi Kübli besonders gut: «Vor einigen Jahren gab es eine Ausstellungsfirma, welche Securitas-Wächter-Puppen (in Uniform) ausstellte. Diese Puppen wurden in der Nacht müde und begaben sich durch Geisterhand in die Betten, welche bei einem anderen Aussteller aufgestellt waren. Die Uniform der Securitas-Wächter fein säuberlich über den Stuhl gehängt, ‹schliefen› die Puppen friedlich. Leider kam der Aussteller der Puppen am Sonntagmorgen erst nach Messeröffnung an seinen Stand. Der Schabernack der Nachtbuben kam bei ihm nicht gut an, er räumte kurzerhand seinen Stand weg und reiste ab.» Die anderen Aussteller hätten nicht begreifen können, wieso man sich wegen einem Lausbubenstreich so aufregen könne, das Thema blieb aber den ganzen Sonntag über Tagesgespräch und verwandelte sich alsbald in witzige Unterhaltungen.

Von oben beobachten
«Auch Schaufensterpuppen verschiedener Sportgeschäfte wurden ausgetauscht», verrät Thomas Staub. Vielfach hätten die Aussteller nichts vom Nachtbubenstreich bemerkt, so dass die Puppen den ganzen Tag über beim falschen Stand stehen blieben. Einmal habe man die aufgehängten Trockenwürste des Metzgers schön ausgestellt beim Stand einer Versicherung gefunden. Ein weiteres beliebtes Ziel seien die Standschilder gewesen, die fleissig ausgetauscht wurden. Auch dies sei oft erst mehrere Stunden später – oder überhaupt nicht – entdeckt worden. «Am Sonntagmorgen trafen wir uns dann zum Brunch in der oberen Etage, wo wir einen guten Ausblick über die Stände hatten», erzählt Thomas Staub weiter. «Es war amüsant zuzusehen, wie die Aussteller zum Teil nicht bemerkten, dass an ihren Ständen etwas nicht stimmte.» Wenn sie es dann bemerkt hätten, sei die Suche natürlich losgegangen. «Sie mussten dann durch die ganze Messe gehen und ihre Produkte suchen und zurückholen.» Man sei sehr fair gewesen, habe nicht immer dieselben Stände ausgesucht, vielmehr sei kaum ein Stand verschont geblieben. «Aber selbstverständlich durfte nichts beschädigt werden», betont Thomas Staub.

Makaber
An einen besonderen Aussteller erinnert sich Gottfried von Siebenthal, ein Bestattungsunternehmen. Bei der Anmeldung habe sich niemand getraut, dem Aussteller abzusagen, und man sei neugierig gewesen, was er präsentieren werde, habe ihn aber vorsichtshalber am Rand der Messe platziert. In der Tat habe er Grabkreuze und Grabsteine ausgestellt, was beim Publikum wie bei den Verantwortlichen nicht gut ankam. Nach einem lustigen Abend habe man ein Grabkreuz entwendet und damit beim Blumenstand ein Grab gestaltet – auch mithilfe von Brätzeli des Frauenvereins, was nicht von allen goutiert worden sei …


40. GSTAADER MESSE

Wo fand sie früher statt?

1943– 1970
Rütti-Schulhaus, Gstaad
1973–1993
Alte Curlinghalle beim
Le Grand Bellevue, Gstaad
Seit 1995
Tennishalle Gstaad

Gründungsmitglieder

Anneli von Grünigen
Gottfried Bettler
Gottfried von Siebenthal sen.

Präsidenten

Gottfried Bettler (sel.)
Theodor Romang
René Reuteler
Peter Kocher (sel.)
Gottfried von Siebenthal
Fritz Würsten (sel.)
Johann Peter von Grünigen
Hansruedi Kübli
Thomas Staub
Christoph Romang
Jürg von Allmen


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