Scherenschnitte – zwischen Tradition und Moderne

  12.12.2017 Nachbarschaft, Saanenland, Schweiz

«Das Dorffest» ist der Titel einer Wechselausstellung im Musée du Pays-d’Enhaut, die unter einem Dach Scherenschnittkünstlerinnen und -künstler aus dem Saanenland, dem Simmental und dem Pays-d’Enhaut vereint. Diese drei Regionen werden als die Wiege dieser Kunst in der Schweiz betrachtet.

SONJA WOLF
In einem beeindruckenden Ambiente von Gebrauchsgegenständen aus vergangenen Tagen präsentieren sich die Scherenschnitte der zeitgenössischen Künstler aus der Region. Die gewählten Motive zeigen die verschiedensten Szenarien aus dem ländlichen Leben. Gemeinsam ist den Werken jedoch allen, dass sie mit ihrer Liebe zum Detail und der genauen Ausführung zum Verweilen, genaueren Hinsehen, zum Interpretieren und Träumen einladen. Werke, die es den Ausstellungsbesuchern dabei besonders angetan haben, können käuflich erworben werden.

Die Anfänge der Scherenschnittkunst
Eine Etage höher kann der interessierte Besucher die modernen Scherenschnitte der Wechselausstellung mit den ersten Kunstwerken dieser Art von den Meistern aus dem 19. und 20. Jahrhundert vergleichen: dem in Saanen geborenen Hans Jakob Hauswirth und dem in Gérignoz geborenen Louis Saugy. Zusammen mit dem Saaner Scherenschneider Christian Schwizgebel haben diese Künstler als Vorbild viele der zeitgenössischen Künstler beeinflusst.

Künftiges «Schweizerisches Zentrum für Scherenschnitte»
Das 1922 gegründete Musée du Paysd’Enhaut ist in seiner nunmehr fast 100-jährigen Geschichte nicht nur zu einem der bedeutendsten volkstümlichen Museen der Schweiz geworden, sondern es ist gerade dabei, sich zum wichtigsten Kompetenzzentrum für Scherenschnitt zu entwickeln. Konkret möchte in Zukunft der «Schweizerische Verein Freunde des Scherenschnitts» dem Musée du Pays-d’Enhaut 800 Bücher über den Scherenschnitt und 600 weitere Scherenschnitte zur Verfügung stellen. Um diesen Werken einen gebührenden Platz einzuräumen, plant das Museum eine räumliche Erweiterung von 200 Quadratmetern. Ein 3D-Modell ist in den Museumsräumlichkeiten ausgestellt, ebenso wie ein Computer, auf dem man sich die 600 künftig zu beherbergenden Scherenschnitte schon einmal nach Künstler oder Motiv geordnet ansehen kann.

Regelmässige Vorführungen
Eine besondere Attraktion ist das Schauschneiden, das etwa zweimal pro Monat stattfindet. Hier kann der Besucher einem der ausstellenden Künstler direkt bei der Arbeit über die Schulter schauen. Vergangenen Samstag präsentierte Marianne Dubuis ihr Handwerk und gab bereitwillig Auskunft über interessante Facetten ihrer Arbeit. So fertigte sie schon mit 13 Jahren ihren ersten Scherenschnitt als Geschenk für ihre Schwester an, seit 1979 arbeitet sie offiziell als Scherenschnittkünstlerin. Und betrachten Sie doch einmal Ihre nächste Cailler-Schokoladen-Geschenkpackung etwas genauer: Das emotional ansprechende Bild darauf könnte durchaus eine Kreation von Frau Dubuis sein …

Scherenschnittkünstler aus dem Saanenland
Weitere Vorführungen werden folgen, etwa von der Gstaaderin Elisabeth Bottesi-Fischer oder von Regina Martin, der Präsidentin des «Schweizerischen Vereins Freunde des Scherenschnitts». Beide geben – wie Frau Dubuis und viele andere teilnehmende Künstler – ihr Handwerk in Form von Kursen oder Workshops weiter. Ein anderer ausstellender Künstler ist der gebürtige Saaner Michael Villiger, der unter anderem im Palace Hotel als Chef-Patissier mit filigranen essbaren Skulpturen bereits künstlerisch tätig war.

Auch Werke der international bekannten Anne Rosat können im Musée du Pays-d’Enhaut bewundert und erworben werden. Die Künstlerin kam durch ihren Wohnsitz in Les Moulins und ebenfalls beeinflusst durch die Werke von Hauswirth zur Scherenschneidekunst.

Museumsverwalter Jean-Frédéric Henchoz und Ausstellungskommisarin Yvonne Wespi haben es mit ihrer interessanten Mischung aus zeitgenössischen und traditionellen Objekten also geschafft, dem Besucher einen unterhaltsamen, gleichzeitig lehrreichen und nicht zuletzt faszinierenden Besuch im Museum zu bieten.


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