«Gstaad ist Heimat für mich»

  21.06.2019 Kunst

Der Künstler Alex Hank hat in Gstaad seine persönliche Heimat gefunden und das Spiegelhaus mitfinanziert. Mit der öffentlichen Ausstellung «Heimat» in Saanen zeigt er nicht nur eine hochkarätige Auswahl zeitgenössischer Kunst, sondern auch Werke, die sein Leben geprägt haben.

SARA TRAILOVIC
Das Wort «Heimat» gibt es nicht auf Englisch. Der Begriff umschreibt einen Ort oder ein Gefühl der Geborgenheit – auch dieses Wort existiert nur im Deutschen und wurde 2004 zum zweitschönsten Wort der deutschen Sprache auserkoren. Wie kann man Heimat also noch definieren? Der mexikanische Künstler Alex Hank gibt seine persönliche Antwort in Form von 21 Werken aus seiner Sammlung zeitgenössischer Kunst: «Die Ausstellung heisst so, weil ich in Gstaad meine Heimat gefunden habe.» Am vergangenen Montag fand die Vernissage im Kunst- und Kulturraum Tarmak 22 in Saanen statt.

Tarmak 22 als Kulturraum
«Heimat» ist der erste Teil einer Ausstellungsreihe, in der Alex Hank seine Sammlung von verschiedenen Seiten beleuchten möchte. Der Ausstellungsraum befindet sich im Hangar des Gstaad Airport und wurde vor knapp zwei Jahren von Antonia Crespi gegründet. Sie habe im Gebäude und dessen einzigartigen Umgebung grosses Potenzial gesehen. «Tarmak 22 ist mehr als eine Galerie, es ist ein Raum, der Platz für die reiche Kultur Gstaads bieten soll», sagte am letzten Montag auch Tatiana de Pahlen, die sich dem Projekt angeschlossen hat.

Mit der laufenden Exhibition beheimatet der Kulturraum bereits die dritte Kunstausstellung seit seiner Eröffnung 2018. Auf eine kurze Ausstellung von Hauser & Wirth im Gründungsjahr folgte 2019 die offizielle Eröffnung mit Werken von Andreas Gursky – bekannt für seine grossformatigen Fotografien.

«Gstaad ist Heimat für mich»
Alex Hank, der 1973 in Mexiko auf die Welt kam, hat sich im laufenden Jahrhundert mit seiner eigenen Kunst einen Namen gemacht und hat diese auf der ganzen Welt ausgestellt. Als Jugendlicher hat er das Institut Le Rosey besucht – allerdings nur ein Semester lang – danach studierte er in Paris und Mexiko weiter. Offenbar hat die Destination einen bleibenden Eindruck hinterlassen, denn seit eineinhalb Jahren wohnt der Künstler in Gstaad und hat die Realisierung des Spiegelhauses «Mirage Gstaad» mitfinanziert. «Gstaad ist Heimat für mich», begründete Hank seine Niederlassung. Es stellt sich die Frage, wieso sich der Künstler und Kunstsammler ausgerechnet dem Saanenland verbunden fühlt. Heimat sei für ihn ein Ort, an dem er sich selbst sein könne. «Als ich hier als Fremder ankam, kannte ich vielleicht zwei Leute. Doch die Menschen haben mich offen aufgenommen und so akzeptiert, wie ich bin.»

Sein Lieblingswerk der Ausstellung? «Jeden Tag ein anderes», antwortete Alex Hank lächelnd. Am Tag der Vernissage war es das Triptychon – dreiteiliges Kunstwerk – «The Ballad of Max Jensen» aus dem Jahr 1999. Darauf drückt der Künstler Matthey Barney seine innere Zerrissenheit aus. Auf der einen Seite stehen Macho-Fantasien, auf der anderen Verletzlichkeit. Damit beschäftigt er sich mit dem Thema Rollenbilder, auch im Bezug zu seiner Homosexualität.

Werke von 1910 bis 2019
«Die Werke haben für Alex eine starke persönliche Bedeutung. Sie alle haben mit der Suche nach Identität zu tun», erklärte die Kuratorin der Ausstellung, Ana Sokoloff, von der Kunstagentur Sokoloff and Associates aus New York. Auch der Betrachter wird beim Betreten der Galerie auf sich selbst zurückgeworfen und sieht sich in einem zweieinhalb Meter hohen Quader gespiegelt, einem von zwei Werken des Künstlers John McCracken.

Ana Sokoloff hat für die Ausstellung gekonnt mit Licht, Objekt und Raum gespielt. Vor der breiten Fensterfront der Galerie steht eine geometrische Skulptur, welche die Bergkette vor dem Fenster formal aufnimmt. Daneben leuchtet eines der «Monumente», die der Künstler Dan Flavin während den Jahren 1969 und 1970 kreiert hat. Ironischerweise besteht das «Denkmal» aus industriellen und vergänglichen Leuchtstofflampen.

Einige Werke haben eine starke politische Aussage, so zum Beispiel «Hanging» von Jenny Holzer. In LED-Buchstaben erscheinen Pressemeldungen aus den USA, die aus Sicherheitsgründen nie veröffentlicht worden sind und selbst im Kunstwerk nicht abschliessend entziffert werden können. Das aktuellste Werk aus dem Jahr 2019 stammt von Anne Imhof und reflektiert auf abstrakte Art und Weise den fliessenden Übergang von Sexualität und Geschlecht – das englische Trendwort dazu lautet «Gender Fluidity».

Einen Besuch wert?
Der Titel der Ausstellung «Heimat» mag auf den ersten Blick wenig mit den präsentierten Werken zu tun haben. Vielmehr handelt es sich um eine intime Auswahl an Werken, die durch ihre Abstraktheit viel Spielraum für Interpretationen lassen. Es werden Themen aufgegriffen, die für die Identität- und damit vielleicht auch Heimatfindung eines Menschen notwendig sind. Die Ausstellung bringt einige Betrachter ganz sanft und indirekt zur Frage: Was ist Heimat? Aber auch ohne diesen Kontext sind die Werke sehenswert, vereinen sie doch das Schaffen von revolutionären Künstlern und Künstlerinnen aus dem letzten und laufenden Jahrhundert, darunter auch eine Skulptur vom Schweizer Alberto Giacometti.

Die Ausstellung «Heimat» kann vom 5. Juni bis 15. November 2019 in der Galerie Tarmak 22 im Gstaad Airport besichtigt werden. Öffnungszeiten und Details unter: www.tarmak22.com


Image Title

1/10

Möchten Sie weiterlesen?

Ja. Ich bin Abonnent.

Haben Sie noch kein Konto? Registrieren Sie sich hier

Ja. Ich benötige ein Abo.

Abo Angebote