Dr. Hans Reber – ein fast vergessener Gstaader Pionier

  14.06.2019 Saanenland

In unserer Reihe «Aus alter Zeit im Saanenland» erzählen Leser/innen Episoden – Geschichtliches, Erlebtes, Erinnerungen – aus früheren Zeiten.

Dr. Hans Reber (1877–1945) ist es zu verdanken, dass die St.-Niklaus-Kapelle in Gstaad in den 1920er-Jahren nicht abgerissen, sondern restauriert wurde.

Dr. Hans Reber – Dorfarzt und Pionier der ersten Stunde
Geboren in Ins, hat er später an der Universität Bern Medizin studiert und anschliessend in Dublin Gynäkologie. Er wollte Allgemeinmediziner sein und so suchte er eine Praxis, vorzugsweise von einem älteren Arzt. Das erwies sich als überaus schwierig in grösseren Wohnorten und so suchte er in einer abgelegenen Gegend sein Glück. Er wurde aufmerksam auf den Bau der Eisenbahn von Montreux nach Zweisimmen, die damals kurz vor der Vollendung stand. Er dachte, dass die Erschliessung des Saanenlands einen Aufschwung der Wirtschaft und somit ein Wachstum der Bevölkerung bringen würde und damit auch die Möglichkeit, eine eigene Praxis aufzubauen.

Im Jahr 1904 fuhr er nach Zweisimmen und von dort per Postkutsche bis nach Gstaad, denn die Bahnlinie war noch nicht ganz ausgebaut.

Nachdem er sich im Saanenland umgesehen und sich über die Nachfrage für einen neuen Arzt erkundigt hatte, mietete er eine kleine Wohnung im Cadonau-Haus und eröffnete dort seine Praxis im Jahr 1905.

Ein Universitätskollege von ihm, Hans Müller, Pfarrer in Gsteig, machte Hans Reber einen enttäuschenden Empfang, indem er ihm erklärte, dass ein weiterer Arzt im Saanenland gänzlich überflüssig sei in Anbetracht der stetig abnehmenden Bevölkerung, die jetzt nur noch 5019 Einwohner zähle. Diese seien auch allzu konservativ, um sich einem neuen und erst noch jungen Arzt anzuvertrauen. Trotz dieser negativen Aussichten beharrte Hans Reber auf seinem Vorhaben und blieb in Gstaad.

Er konnte von Grossrat Carl Reichenbach an der Gschwendstrasse ein Grundstück erwerben und baute dort im Jahr 1908 das Doktorhaus Chalet «Sunnegg».

Hans Reber lernte in Gstaad die Tochter eines Hotelgastes kennen. Er lud sie mit seinem Pferdeschlitten zu einem Arztbesuch in der sonnigen Lauenen ein, er wollte ihr so nebenbei das schöne Lauenental zeigen, welches damals im Winter noch nicht mit der Postkutsche erschlossen war. Auf der Rückfahrt machte er ihr gleich einen Heiratsantrag und heiratete sie umgehend.

Hans Reber war sehr sportlich, er erlernte im ersten Skikurs von 1908, welcher von Sek-Lehrer Robert Steffen organsiert wurde, das Skifahren. Er nahm auch an Skijöringrennen teil, sei es auf dem Pferd oder auf den Ski. Er unterstützte die Gründung des Skiklubs, den Bau der Dorfeisbahn 1908 und den Bau eines Schwimmbads in Saanen. Er wurde auch der erste Präsident des Verkehrsvereins Gstaad, der im Jahr 1907 gegründet wurde, und leitete den Verein über viele Jahre.

Auch das Schlitteln stand hoch im Kurs, zum Beispiel auf der Strasse von Schönried bis Saanen. Auch seine Frau Klara Reber-Rüfenacht errang einen ersten Platz im Skeleton-Race, das jeweils vom Hotel Alpina durch die Kählen bis an die Dorfstrasse stattfand.

Als Arzt erwarb er zwar eines der ersten Autos in Gstaad, war aber meistens mit dem Pferd oder Pferdeschlitten unterwegs, denn die Strassen waren damals noch nicht geeignet für die damaligen Autokonstruktionen oder ihre Pneus.

Für die Unterbringung seines Pferdes und der Kutsche liess er neben dem Doktorhaus einen Stall bauen.

Trotz der schlechten Prophezeiung vom Pfarrer aus Gsteig konnte sich Hans Reber in Gstaad etablieren und auch Dr. Fritz Ris aus Saanen, ein Studienkollege von ihm. Die beiden jungen Ärzte waren optimistisch und zukunftsfreudig, sahen Potenzial in der Entwicklung des Fremdenverkehrs und entschlossen sich, zusammen eine Klinik zu bauen, die dann auch an dieser Entwicklung des Fremdenverkehrs teilnehmen würde.

Es sollte nicht eine Heilstätte für ansteckende Tuberkulosepatienten werden, sondern ein Ort der Erholung unter medizinischer Aufsicht, in dem aber auch gleichzeitig Angehörige der Patienten wohnen könnten. Der Bau des Palace Hotels, an dem er sich mit dem Kauf von 20 Aktien ebenfalls beteiligte, war der letzte Ansporn und sie engagierten den dortigen Architekten. So plante der in Lausanne wohnende holländische Architekt Van Dorsser das Palace Hotel und die Solsana. Nach einer Überlieferung soll der spätere italienische Diktator Benito Mussolini als Maurer am Bau der Solsana gearbeitet haben.

Bei einer Fahrt mit seinem Ford T Modell überschlug sich das Auto von Dr. Reber auf der steilen Strasse zur Solsana und er brach sich einige Rippen.

Der Bau der Klinik Solsana stand nicht unter einem guten Stern, denn das Haus wurde 1914 eröffnet, genau zu der Zeit, als der Erste Weltkrieg ausbrach. Die erhofften ausländischen Besucher fielen grösstenteils aus und so wurden zwischenzeitlich Schweizer Soldaten in der Solsana untergebracht. Erst nach dem Krieg und in den Zwanzigerjahren blühte die Klinik auf, mit Patienten und Gästen aus der Schweiz, Europa, Amerika und sogar aus Japan.

Die weltweite Finanzkrise von 1929 brachte einen neuen Einbruch der Gästezahl und so hat sich Dr. Ris entschlossen, wieder nach Bern zu ziehen. Dr. Hans Reber war nun alleine da mit diesen Problemen. Die Klinik Solsana beherbergte nun Tuberkulosekranke. Diese Sorgen beeinträchtigten die Gesundheit von Hans Reber, der bereits an Diabetes litt, und seine Kräfte nahmen ab. Nur mit Mühe konnte er seine Praxis bis kurz vor seinem Tod im August 1945, im Alter von 68 Jahren, weiterführen. Die Praxis wurde dann von Dr. Herrmann Greter übernommen und die Klinik Solsana wurde 1946 an den Schweizerischen Blindenverein verkauft.

Hans Ruedi Reber, ein Sohn von Hans Reber, wurde Zahnarzt und hatte jahrelang seine Praxis im Haus der Sparund Leihkasse Thun.

GOTTFRIED VON SIEBENTHAL

Aus dem Buch von Gottfried von Siebenthal-Imhof «Gstaad – Der Weg zum Weltkurort»

Wissen auch Sie noch Begebenheiten aus früheren Zeiten? Zögern Sie nicht, greifen Sie zur Feder und schreiben Sie uns: «Anzeiger von Saanen», Anita Moser, Redaktion, Kirchstrasse 6, 3780 Gstaad, oder per Mail: anita.moser@ anzeigervonsaanen.ch


EINSATZ FÜR DIE ERHALTUNG DER ST.-NIKLAUS-KAPELLE AM GSTAAD

Nachdem im Jahr 1923 die Kapelle nicht mehr als Schullokal benötigt wurde, bestand die Gefahr, dass das älteste Gebäude von Gstaad abgebrochen werden sollte.

Das Zentrum vom neuen Dorf nach dem Gstaadbrand hatte sich mehr und mehr gegen den Bahnhof ausgebreitet, der Verkehr nahm in ungeahntem Ausmass zu, sodass einige Gstaader der Meinung waren, dass die Kapelle dem aufkommenden Strassenverkehr weichen müsste.

Der Weitsicht und Heimatliebe von Dr. Hans Reber ist es zu verdanken, dass er mit Unterstützung von ein paar Gleichgesinnten den Abbruch der Kapelle verhindert hat.

Im Jahr 1926 ist die Kapelle unter Leitung von Dr. Hans Reber restauriert worden. Der Berner Münster-Baumeister, Architekt Karl Indermühle, hat die Restauration geleitet. Beschreibungen und Zeichnungen dienten ihm als Unterlage, um eine möglichst originalgetreue Wiederinstandstellung in Angriff zu nehmen.

Frau Dr. Reber spendete das Glasgemälde im Mittelfenster des Chors, welches den heiligen Nikolaus, den Schutzpatron der Kapelle, darstellt.


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