Reformationsgarten als Erlebniswelt

  22.10.2019 Saanenland

Die evangelischen Kirchen des Saanenlandes haben mit dem Reformationsgarten ein Projekt realisiert, mit dem der Reformationsgedanke, der vor 500 Jahren die klerikalen Strukturen aufbrach, bildhaft dargestellt und ins Heute transportiert werden soll. Er entpuppt sich kurz vor seiner Eröffnung am ersten Wochenende im November als echte Herausforderung für die Initianten.

JENNY STERCHI
Vor 500 Jahren sorgte der Reformationsgedanke dank Huldrych Zwingli auch in der Schweiz für eine neue Struktur im Kirchenwesen. Dies war gleichbedeutend mit dem Ursprung aller evangelischen Kirchen des Landes. Ist aber die Kirche auch heute noch in Bewegung und kommt der Reformationsgedanke bei den Menschen an?

Ostergarten als Ideengeber
Schnell war für die evangelischen Kirchen im Saanenland klar, dass dieses Jubiläum begangen und gegenwärtige Veränderungen thematisiert werden müssten. Auf der Suche nach einem geeigneten Format für eine mitreissende Präsentation des reformatorischen Geschehens in der Schweiz vor 500 Jahren stiessen die Initianten auf den Ostergarten.

Vor sechs Jahren entschieden sich im Saanenland die ehemalige Kirchgemeinde Saanen und das EGW, in den Räumlichkeiten des EWGs die biblische Ostergeschichte mittels belebter Szenenbilder zu erzählen. Der überwältigende Erfolg, den der Ostergarten damals hatte, und die Aufmerksamkeit, die er auslöste, motivierten die Pfarrerinnen Mirjam Schmid (Evangelisches Geimeinschafts Werk EGW) und Marianne Aegerter (evangelisch-reformierte Kirchgemeinde) vor rund anderthalb Jahren dazu, erneut ein solches Projekt zu realisieren. Das Osterkonzept liess sich allerdings nicht einfach so auf den Reformationsgarten übertragen.

Breite Unterstützung
Am Anfang des Jahres wurden die Pläne dann konkret und für das Vorbereitungsteam begann eine intensive Vorbereitungszeit neben dem Arbeitsalltag. «Eine Zeit lang dachten wir, wir seien mit unserer Begeisterung für das Projekt alleine», beschreibt Marianne Aegerter den Verlauf. Dabei bemerkten sie nicht, dass ihre Mitstreiter ebenfalls tätig geworden waren.

Bei der Entwicklung der neuen Bilder wurden die beiden schliesslich von einem wachsenden Organisationskomitee unterstützt. Kornelia Fritz, Pfarrerin in Lauenen und Urs Ramseier, Pfarrer der Evangelisch-methodistischen Kirche Gstaad, beteiligten sich ebenso an der Projektentwicklung wie Daniel von Siebenthal vom Christlichen Begegnungszentrum Gstaad und Katechet Daniel Burri. Auch Kirchgemeinderatspräsidentin Brigitte Zahnd und Ueli Schopfer von der Heilsarmee unterstützten die Umsetzung nach Kräften.

«Wir spüren überall grosse Unterstützung in der Region für den Reformationsgarten, aber die menschlichen Ressourcen, die wir für das Realisieren des Projektes brauchen, sind bis heute eher knapp», bemerkt Marianne Aegerter sorgenvoll. Doch in den letzten Tagen sei dieses Problem glücklicherweise massiv entschärft worden, die Lücken in den Schauspielerreihen für die Führungen durch den Garten seien gefüllt. «Es ist unglaublich, wie viele Menschen sich da in kürzester Zeit zur ‹Rettung› angeboten haben und alles für das Projekt geben.»

Erlebenswertes Jubiläumsprogramm
«Bei der Finanzierung des Jubiläumsprogramms werden wir von zahlreichen Sponsoren und Gönnern der Region unterstützt», erklärt Marianne Aegerter. So könne man auf Eintrittspreise verzichten, sei jedoch dankbar, für alles, was in die Kollekte gehe.

Das Gstaader Programm rund um das Reformationsjubiläum kann sich sehen lassen. Am ersten Novemberwochenende wird der Reformationsgarten im Kirchgemeindehaus Gstaad seine Pforten öffnen und ein hochkarätiges Podiumsgespräch im EGW verspricht ein lebendiges Gespräch und eine facettenreiche Diskussion zum Jubiläum der Reformation. Dazu werden Prof. Dr. theol. Martin Sallmann von der Universität Bern, Dr. theol. Matthias Wenk von Bewegung Plus, Pfarrer Peter Henning, ehemaliger Rektor TDS Aarau sowie Dr. theol. Melanie Werren von der Universität Bern ihren Wissensschatz zur Verfügung stellen. Moderiert wird das Podiumsgespräch von SRF-Moderatorin Sonja Hasler.

Zusätzlich wird in der ersten Novemberhälfte im Kino Gstaad auch der Film «Zwingli» nochmals ins Programm aufgenommen.

Überraschung und Information
Das Wort «Garten» ist in diesem Zusammenhang also weder als landwirtschaftliche Nutzfläche noch als Biotop und Lebensraum für Tiere zu verstehen. «Vielmehr steht der Garten als Synonym für ein Erlebnis», erläutert Marianne Aegerter. Und somit sei auch der Reformationsgarten nicht etwa eine Ausstellung, sondern spreche mit den neun verschiedenen Einzelbildern alle Sinne der Besucherinnen und Besucher an. Und Mirjam Schmid ergänzt: «Im Reformationsgarten kann gekostet, geschmeckt, gehört, geschaut, gestaunt und vor allem mitgemacht werden.»

In interaktiven Führungen, für 15 bis 20 Personen geeignet und von Laienschauspielern durchgeführt, wird dem Besucher die Zürcher Reformation mehr als nur vor Augen geführt. Eine Führung sei, so die beiden Initiantinnen, notwendig, da die Szenenbilder nicht unbedingt selbsterklärend erscheinen. In kleinen Theaterszenen, Filmsequenzen und Interviews wird die Reformation greifbar gemacht.

«Das Ziel des Reformationsgartens ist es, den Besuchern möglichst anschaulich die Auswirkungen der Zürcher Reformation bis heute zu vermitteln», fassen die Verantwortlichen zusammen. «Dabei steht der Zeitgeist eher im Vordergrund als der Lokalbezug zum Saanenland.»

Daten für den Film „Zwingli“ im Kino Gstaad und für den Reformationsgarten unter www. kirche-saanen-gsteig.ch


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