Ist das nun ein «Holzesel»?

  08.11.2019 Bildung

Nino Steiner und Nicola Fankhauser, beide in der Ausbildung zum Zimmermann, haben für ihre Abschlussarbeit ein Velo aus Holz entwickelt. Jetzt nach 430 Arbeitsstunden ist das Modell fertiggestellt.

JENNY STERCHI
Nicola Fankhauser und Nino Steiner laden behutsam das Holzvelo aus dem Auto und befreien das noch nie gefahrene Gerät akribisch von Staubpartikelchen. Mit Spray und Tüchern bringen sie es für den Fototermin auf Hochglanz. Die Bewunderung, die dieses Velo bei den Betrachtern auslöst, erfüllt die beiden Zimmermannslehrlinge mit Stolz.

Erste Ausfahrt sehnsüchtig erwartet
«Es ist noch nie jemand damit gefahren», erklärt Nino Steiner, der einen Teil seiner Familie im Saanenland hat und daher viel Zeit in der Region verbringt. Die beiden Holzhandwerker haben die Premierenfahrt für Ende November vorgesehen, am Präsentationstag der Abschlussarbeiten. Ob das nicht ein bisschen wagemutig sei? «Ich sass bereits drauf und es hat gehalten», sagt Steiner, der in seiner Freizeit schwingt, schmunzelnd. «Es war ein Probesitzen, gefahren ist er nicht», fügt Nicola Fankhauser hinzu.

Die Idee entsteht
Das Thema der Vertiefungsarbeit, die in den Lehrabschluss im nächsten Jahr einfliessen wird, lautete «Just do it», war überaus offen und musste nicht zwangsweise mit Holz zu tun haben. Für Steiner und Fankhauser war jedoch ziemlich schnell klar, dass sie ein Projekt mit Holz entwickeln würden.

Sie sind aktive Freizeitsportler und so kam für beide die Verbindung von Bewegung und Holz wie gerufen. Sie brachten ihre ersten Ideen auf ein Blatt Papier und merkten ziemlich bald einmal, dass sie für die Konstruktion eines tragfähigen Rahmens Unterstützung von Fachleuten brauchten.

Kooperation gesucht und gefunden
Die Suche nach kooperativen Experten gestaltete sich ernüchternd und demoralisierte die beiden, die doch voller Motivation für ihr Projekt steckten. Es sei den etablierten Veloherstellern zu wenig einträglich gewesen. «Design your Bike», ein junges Berner Produktionsunternehmen für individuelle Fahrräder, war hingegen fasziniert von der Idee und bot sofort eine Zusammenarbeit an. Diese Partnerschaft besteht bis heute und die beiden innovativen Zimmermänner in spe, die mittlerweile unter dem Namen «Wood Performance» auftreten, sind sehr dankbar dafür.

Von der Idee bis zur Endmontage des Holzvelos bedurfte es 430 Arbeitsstunden, in denen die beiden angehenden Holzhandwerker neben Schule und Arbeit daran arbeiteten.

Erstklassige Ausstattung
Zu diesem Zweirad dürfe man getrost «Holzesel» sagen, denn die Verwendung von Metallbauteilen wurde auf ein Minimum beschränkt. Für den Rahmen schichteten die beiden in einem aufwendigen Verfahren mehrfach Holz und Glasfaser übereinander. Die Dimensionen und Eigenschaften erarbeiteten sie mit den Berner Velomonteuren. «Holz nimmt die Kräfte anders auf als Metall», erklärt Fankhauser. Sie haben sich für zwei Holzarten entschieden. «Mit Esche, einem eher weichen Holz, konnten wir dem Rahmen die nötige Elastizität geben. Für die Steifigkeit nutzten wir die Härte von Nussbaum.» Am Rahmen sind einzig die zwei Rohre für Sattelstütze und Vordergabel sowie zwei Winkel für die Hinterradaufhängung aus Metall.

Und ganz nebenbei bemerkt, das verwendete Holz ist ausschliesslich Schweizer Holz und stammt aus der Restekiste in Nicolas Ausbildungsbetrieb. Mit diesem Nachhaltigkeitsgedanken könnte das Veloprojekt in Zukunft zusätzlich an Bedeutung gewinnen.

Das Holzvelo rollt auf 27-Zoll-Rädern, verfügt über eine Acht-Gang-Nabenschaltung und durch seine Dreifachlackierung mit Bootslack sollte es witterungsbeständig sein.

Zimmermann als erste Wahl
Die Affinität zu Holz spürten beide bereits als Kinder. «Ich habe es schon als kleiner Bub geliebt, mit Holz etwas zu bauen», so Nicola Fankhauser. Vielleicht sei es genetisch, denn sein Grossvater habe viel mit Holz gearbeitet. Das und die Sicherheit, am Abend das Ergebnis des Tagwerkes zu sehen, habe ihn zur Zimmermannsausbildung geführt.

Nino Steiner erging es ähnlich. Auch er fühlte sich schon als Kind vom Werkstoff Holz angezogen und verbrachte viel Zeit in der heimischen Werkstatt. Nachdem er in verschiedenen Berufe geschnuppert hatte, bestätigte sich seine Vorliebe für die Holzverarbeitung.

Eine Zukunft für das Holzvelo?
Beiden angehenden Zimmermännern merkt man die Begeisterung für dieses Projekt an. Ihre Überzeugung, dass Holzfahrrad mittelfristig in den Verkauf zu bringen, scheint unumstösslich. Warum auch? Wurden sie doch bis heute schon mit mehreren, zum Teil sehr konkreten Anfragen interessierter Kunden überrascht. «Der Lehrabschluss steht bei uns beiden in jedem Fall im Vordergrund», versichert Nino Steiner am Ende des Gespräches. Das bedeute aber keinesfalls, dass «Wood Performance» mit dem Holzvelo auf Eis gelegt werde. «Der nächste Schritt ist, das Velo auf einen offiziellen Prüfstand zu bringen», erläutern sie ihre Pläne. «Mit unserem Berner Partner im Rücken wird es keinen Stillstand geben.»


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