RANDNOTIZ

  06.12.2019 Leserbeitrag

«Wie lang geits no?»

ANITA MOSER
Mit dem Älterwerden ist es so eine Sache. Mal verrinnt die Zeit wie im Flug, mal scheint sie stehen zu bleiben. «Wie lang gots no, bis ich au in d Schuel darf?», quengelte ich als Sechsjährige. Ich wollte auch endlich Hausaufgaben machen wie meine vier älteren Schwestern. Und im Teenageralter konnte ich es kaum erwarten, zu den Erwachsenen zu gehören, in den Ausgang zu gehen, mit Sie angesprochen zu werden. Das Du blieb aber noch relativ lange an mir hängen. Noch als 25-Jährige wurde ich auf dem Sessellift gefragt, ob ich mit den Eltern in den Ferien sei. Mit der Zeit haben mich die Lebensjahre aber optisch eingeholt. «Entschuldigung, sind Sie … ich möchte Ihnen nicht zu nahe treten, aber Ihnen … äh … auch nichts vorenthalten …», stotterte der junge Mann an der Abendkasse. «Sind Sie … äh … Seniorin?», rückte er auf meinen fragenden Blick heraus. Mit etwas Wehmut erinnerte ich mich an die Zeiten, als man mir als längst Erwachsene Tickets zum Kindertarif verkaufen wollte …

«Wie lang muesch no?», werde ich in letzter Zeit immer öfter gefragt. Auch ein Indiz, dass das Leben Spuren hinterlassen hat. Ab und zu zähle ich zwar die Jahre, aber noch nicht die Monate oder gar Tage bis zu meiner Pensionierung. Die mir am meisten gestellte Frage in den vergangenen Wochen war jedoch: «Wie lang geits no?» Arbeitskolleginnen, Freunde und Verwandte waren fast ungeduldiger als ich. Erwartungsvolle Blick bei jedem Klingeln meines Natels, bei jeder Verspätung. «Isches …?» Ja, nun ist es da, mein drittes Enkelkind. Und meine Enkel interessiert es nicht, ob ihr Grosi älter oder jünger aussieht, als es ist. Hauptsache, es hat Zeit. Und die nehme ich mir gerne. [email protected]


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