Konkret sagen, was man von den Kindern will

  14.02.2020 Destination, Saanenland


 

Blanca Burri

«Manchmal hat man im Erziehungsalltag das Gefühl, man sei nur am Feuerlöschen», führte Kathrin Buholzer, die Erziehungsbloggerin mit 60’000 Followern auf Facebook in die Thematik «positive Erziehung» ein. Doch dauerndes Schimpfen und Drohen bringe nichts, ausser einer Negativspirale. «Wir verlieren die Leichtigkeit und sind einfach nur noch froh, wenn die Kinder am Abend im Bett sind.» Dem gegenüber stehe die positive Erziehung, die präventiv ausgerichtet sei. Um in eine Positivspirale gelangen zu können, müsse man aber viel beobachten, selbstkritisch sein und gewisse Mechanismen und Verhaltensmuster verstehen.

Was läuft hier ab?

Die ausgebildete Lehrerin erzählte eine allen Eltern bekannte Situation: «Wenn die Kinder am Mittag von der Schule nach Hause kommen, ist oftmals schon nach zwei Minuten Feuer im Dach!» Die Kinder seien aggressiv, sie beschwerten sich über das Essen und die Schwester nerve. «Um einem Familienstreit zu entgehen, muss man analysieren, was läuft.» Bei ihrer eigene Familie habe sie bemerkt, dass die Kinder besonders schlecht gelaunt gewesen seien, wenn sie bereits um 7.30 Uhr Schule hatten, wenn die Schulfächer viel Stillsitzen erforderten, wenn es in der Klasse Schüler/innen oder Lehrpersonen gegeben habe, die sie nicht besonders mochten und die Mutter mit dem Mittagessen nicht fertig war, wenn sie nach Hause gekommen sind. «Weil sich Kinder den ganzen Morgen anstrengen, müssen sie zu Hause im vertrauten Umfeld einfach Mal Dampf ablassen.» Die Erziehungsberaterin rät also, die ganze Sache nicht persönlich zu nehmen und Strategien zu entwickeln.

Regeln helfen

Um solch schwierigen Situationen zu entgehen, soll man Regeln schaffen. Es sei wichtig, die Kinder in einer ruhigen Minute darauf anzusprechen, was einen störe. «Dann entwickeln die Eltern gemeinsam mit den Kindern Ideen und Vorschläge, wer was beitragen kann, damit die Situationen besser werden.» Diese sehr kurze Regeln gelte es, auf einem Blatt aufzuschreiben oder zu zeichnen und dieses zum Beispiel von den Kindern gestalten zu lassen. «Kommen die Kinder das nächste Mal nach Hause und lassen sie die Schuhe, Jacke und Schultasche wieder auf dem Boden liegen, kann man augenzwinkernd auf die Regel zeigen.» Die Mutter von Jugendlichen sagte aus Erfahrung, dass das Wunder wirke: «Meist erledigen die Kinder sofort, was von ihnen verlangt wird.»

Humor ins Kinderzimmer

Und was macht man mit dem Chaoszimmer? Statt damit zu drohen, dass das Skifahren ausfalle, wenn das Zimmer nicht aufgeräumt sei, solle man besser ein Wettrennen veranstalten. Oder die Lieblingsmusik auflegen, lauthals singen und gemeinsam fünf Minuten investieren. Manchmal helfe nur schon eine lustige Stimme, um die Kinder zu animieren, etwas zu tun, das sie nicht sonderlich mögen. «Denkt daran: Die Kinder wollen uns nicht bewusst ärgern, deshalb dürfen wir ihre Verhalten nicht persönlich nehmen!»

Erziehungsfallen

Die Bernerin machte auf einige Erziehungsfallen aufmerksam, in die alle Eltern immer wieder tappen. Hier nur zwei drei kleine Bespiele: Kinder kopieren, was die Erwachsenen tun. Also heisst es, das vorzuleben, was man sich von den Kindern wünscht. Eine zweite Falle sei, wenn emotionale Botschaften, wie «du Globi», «du Totsch» oder «hesch es jetzt?» ausgesandt werden. Diese verstünden die Kinder nicht, weil sie keine konkrete Aufforderung enthielten. Besser sei es, klare Botschaften positiv zu formulieren: «Räum den Teller ab», «Male am Tisch» statt auf dem Boden. Auch Schreien sei ein No-Go: Es eigne sich nicht, Befehle durchs ganze Haus zu schreien. Die Kinder verstünden die Botschaften im Kinderzimmer, wo noch Musik laufe, oft nicht und schrien zurück, der Lärmpegel steige und das Chaos sei programmiert. Besser solle man zum Kind hingehen und die Anweisung mit Augenkontakt im normalen Ton sagen. «Das Gute daran ist, dass man noch Anteil nehmen kann an dem, was das Kind gerade macht», so die Bloggerin.

Bis fünf zählen

Als weiteren Erziehungstipp sagte Buholzer: «Weniger Anweisungen bedeutet mehr Gehör.» Als Beispiel nannte sie eine alltägliche Situation: «Räum den Tisch ab!» Jetzt sei es wichtig, still zu bleiben. Mindestens fünf Sekunden lang. Nur so habe das Kind die Möglichkeit, zu reagieren und den Auftrag auszuführen. Wenn man sofort hinterherschiebe «hesch Tomate uf de Ohre», «mach jetzt» und mehr, verwirke der Befehl.

Kurze Konsequenzen

Wenn die Kinder nicht gehorchen, gehören laut der positiven Erziehungsmethode von Kathrin Buholzer auch faire und im direkten Zusammenhang stehende Konsequenzen dazu. Wichtig sei, die Bestrafung kurz ausfallen zu lassen. Zum Beispiel einmal die Nachtgeschichte nicht schauen, damit das Kind die Möglichkeit zum Üben habe. Denn bereits der morgige Tag gebe wieder viele Chancen, etwas besser zu machen.

Alle zwei Jahre

«Alle zwei Jahre gibt es vor dem Einschreiben einen Vortrag zum Thema Erziehung», erklärte Christine Oberli, Schulleiterin Rütti. Zum Vortrag waren nicht nur die einschreibenden Eltern, sondern viele weitere interessierte Eltern erschienen, so dass noch ein paar Stuhlreihen aufgestellt werden mussten.

www.elternplanet.ch


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