Das Farben, Schmieren und Verwerfen

  14.07.2020 Leserbeitrag

Das Erste muss man, das Zweite und Dritte darf man. Wenn man eine Karte der ausgespielten Farbe hat, dann muss man sie angeben, dann muss man «farben» (Leih halten) oder mit einem Trumpf stechen. Dem Stich eines Partners eine punktemässig wertvolle Karte beigeben und «schmieren» oder eine Karte einer schwachen Farbe «verwerfen» und einem Stich beigeben, ist jedoch freiwillig und erlaubt.

«Farbe bekennen» bedeutet im Alltag, sich zu einer Sache zu bekennen und seine Meinung offen dazu zu sagen. «Farbe bekennen» ist seit dem 18. Jahrhundert eine bekannte Redensart. Sie hat ihren Ursprung aber beim Kartenspiel. Beim Jassen und im Alltag ist es manchmal eine echte Herausforderung, wenn man «Farbe bekennen» oder eben «Leih halten» muss. Und manchmal tut es sogar weh. Dann zum Beispiel, wenn beim Schieber der Partner ausspielt und der Gegner mit einem Trumpf sticht, aber selber hat man keinen höheren Trumpf und von der ausgespielten Farbe nur das Ass. In diesem Fall geht das wertvolle Ass verloren und schwimmen». Aber auch im Alltag ist es nicht immer angenehm, wenn man «Farbe bekennen», seine Meinung offen und ehrlich sagen oder sich zu Wahrheit bekennen muss. Darum sagt man etwa, dass Schwarz-Weiss-Denker plötzlich rot sehen, wenn sie Farbe bekennen müssen.

Leih halten ist Ehrensache. Wenn man zum Beispiel von der ausgespielten Farbe eine oder mehrere Karten hat, aber aus Versehen eine andere Farbe – ausser Trumpf – spielt, dann hat das Folgen. Wird der Irrtum bemerkt, solange der Stich noch offen auf dem Tisch liegt, wird die falsch gespielte Karte einfach ausgetauscht. Der Stich gehört dann allerdings dem Gegner und die falsch gespielte Karte verliert ihren Stechwert. Wird der Irrtum jedoch erst im Laufe des Spiels bemerkt, dürfen die Stiche nicht mehr gekehrt werden. Erst am Ende des Spiels darf geprüft werden, ob ein Fehler passiert ist oder nicht. Wird dann ein Nichtfarben festgestellt, gehören der betreffende Stich und alle darauffolgenden Stiche dem korrekt spielenden Team. Im Alltag sind irgendwann kommt das Allermeiste dann doch noch ans Licht, wenn jemand nicht Leih gehalten hat.

«Schmieren und Salben hilft allenthalben; hilfts nicht beim Mädchen, hilfts doch beim Rädchen.» Beim Jassen könnte man dieses Sprichwort abändern und sagen: «Schmieren und Salben hilft allenthalben; hilfts nicht beim G’schäfte machen, hilfts doch beim Punkte machen.» Schmieren beim Jassen ist aber nichts Unmoralisches oder Korruptes, sondern eine wichtige Spieltaktik, wenn es darum geht, zu retten, was noch zu retten ist. Denn beim Schmieren wird eine punktemässig wertvolle Karte auf einen sicheren Stich des Spielpartners gelegt. So können wichtige Punkte gesichert werden, die sonst mit grösster Wahrscheinlichkeit verloren gingen. Aber auch das richtige Schmieren muss gelernt sein. Spieler, die zum Beispiel Angst haben um ihre Punkte und auf sicher gehen wollen, schmieren manchmal viel zu früh mit einer Bockkarte, mit der sie im Verlauf des Spiels selber noch einen Stich hätten machen können. Oder ärsich der Sache sicher fühlt und fröhlich schmiert, aber leider nicht alle Trümpfe im Kopf hat. Der Gegner kann dann mit einem starken Trumpf stechen und sich über das Geschenk freuen. Und wer leer ausgeht, kann immerhin noch sagen: «Geschenke erhalten die Freundschaft.»

Wer nicht Leih halten oder mit einer Trumpfkarte stechen kann, verwirft normalerweise eine Karte einer schwachen Farbe. Beim Verwerfen geht es aber nicht bloss darum, schwache Karten loszuwerden und Ballast abzuwerfen, sondern es ist immer auch ein Versuch, mit einer schlechten Karte gut zu spielen. Denn beim bewussten Verwerfen einer Karte versucht man, dem Partner zu signalisieren, wo man schwach und wo man stark ist. Beim Verwerfen kann man auf diese Art und Weise ohne Worte andeuten, in welcher Farbe man «mithelfen» könnte. Wer zum Beispiel Kreuz verwirft, ist vielleicht in Schaufel oder dann Ecken stark, und wer Herz verwirft ist vielleicht in Ecken oder dann Schaufel besser dran.

Mit dem Verwerfen ist oft auch die Erwartung verbunden, dass der Partner auch merkt, welche Farbe man gerne möchte. Wenn er es aber nicht merkt oder vielleicht nicht einhalten kann und dann genau die Farbe ausspielt, die verworfen worden ist, hört man etwa den folgenden Dialog: «Diese Farbe habe ich doch gerade verworfen. Warum spielst du sie trotzdem aus?» Mögliche Antwort: «Oh, das habe ich vergessen!» Oder: «Ich habe nur diese Karten!» Solche Dialoge dürften eigentlich während des Spiels nicht geführt werden. Denn sie können das Spiel verraten. Aber sie bestätigen doch immer wieder, dass Erwartungen nicht nur im Alltag vorprogrammierte Enttäuschungen sind, sondern auch beim Jassen.

ROBERT SCHNEITER


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