Wenn die Korruption nicht versteckt werden muss

  28.05.2021 Leserbeitrag

Ich hoffe, dass Sie im folgenden Zitat mein wohl nicht ganz fehlerfreies Walliserdeutsch entschuldigen. Aber diesen Satz muss man einfach so aufschreiben, wie er gesagt worden ist. Er ist zwar schon ein paar Jahre alt, aber für mich symptomatisch für das, was in der Welt des (grossen und kleinen) Sports alles falsch läuft. Das Zitat stammt vom ehemaligen Fifa-Präsidenten Joseph «Sepp» Blatter. Er sagte – und das muss man sich auf der Zunge zergehen lassen – Folgendes: «Der Wörld Cüp chammu nid chäuffä.»

Es ging dabei um die gewohnten Vorwürfe zur Korruption innerhalb der Fifa. Denn weil die Delegierten der nationalen Fussballverbände bestimmen, wo die Weltmeisterschaften stattfinden, tauchen regelmässig Vorwürfe auf, dass gewisse Nationen sich die WM erkauft hätten. Das trifft (und traf) nicht nur Länder mit diktaturähnlichen Herrschaftsformen wie Russland, sondern auch durchaus demokratische Länder wie Deutschland. Der bisherige Tiefpunkt dieser Mauscheleien war die Vergabe der WM 2022 nach Katar. Wo, wie man wenig später feststellte, im Sommer wegen der Temperaturen eine WM unmöglich durchzuführen ist.

Wechseln wir zum Eishockey: Hier ist die Auswahl der Länder, die eine WM austragen können, deutlich beschränkter. Und das Turnier findet nicht alle vier Jahre, sondern jährlich statt. Trotzdem hat es der Präsident des Welt-Eishockeyverbandes (auch er ein Schweizer) geschafft, einen Skandal zu provozieren. Seine Umarmung mit dem weissrussischen Diktator Lukaschenko ging um die Welt. Und nach langem Zögern musste sich der Eishockeyverband dem öffentlichen Druck beugen: Die WM findet dieses Jahr nicht in Belarus, sondern in Lettland statt. Auch die Leichtathletik-WM blieb nicht frei von solchen Skandalen: Neben Austragungen in China und Russland steht dabei die WM 2019 wieder in Katar im Zentrum. Auch hier hat man wenig nach der Vergabe bemerkt, dass Leichtathletik, Sommerhitze und Wüste nicht wirklich zusammenpassen. Auch hier musste die WM verschoben werden. (Zu) heiss war es trotzdem.

Der wohl schlimmste Sportverband ist der internationale Handballverband: Bestechung, Spielmanipulation, Spesenexzesse. Ein exzentrischer Präsident liess lange nichts aus, um dem Verband zu schaden.

Was lernen wir aus dieser Liste der Schande der internationalen Sportverbände? Offensichtlich ist es nicht das Problem einer Sportart oder einer Person. Sport scheint anfällig zu sein für solche Manipulationen. Mit «public shaming» kann man die Exzesse allerdings nicht verhindern. Und auch wenn die Vorstellung des unpolitischen Sports, bei dem es nur um den fairen Wettkampf und nie ums Geld geht, eine schöne ist: Realistisch ist das nicht.

Es geht also in erster Linie einmal darum, zu akzeptieren, dass wir Sport nicht vom Rest der Welt und der Gesellschaft abtrennen können. Sportveranstaltungen sind immer auch Politik. Und Sportveranstaltungen sind immer auch wirtschaftlich relevante Anlässe (sowohl was die Kosten für die Gastgeber anbelangt als auch die Gewinne für die Verbände). Wollte man nur noch faire Wettkämpfe in «seriösen» Ländern, müsste man den Profisport abschaffen. Ich könnte mir aber eine andere Variante vorstellen: Warum fragt man nicht die Sportler selbst, wo sie den nächsten Wettkampf austragen wollen? Schliesslich ist es mir (abgesehen von der Zeitverschiebung) ziemlich egal, von wo das TV-Bild kommt. Aber für den Sportler, der wochenlang dort leben muss, ist es relevant. Und machbar wäre das auch: Anstatt ein paar Hundert Delegierte der Fifa zu fragen, müsste man halt ein paar Tausend Fussballer fragen, wo sie spielen wollen. Ich bin mir ziemlich sicher, dass sie sich nicht für Katar entschieden hätten.


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