RANDNOTIZ

  18.06.2021 Leserbeitrag

(Schweizer-) Deutsch

SOPHIA GRASSER
Ein Auslandspraktikum in der Schweiz ... Ist denn die Schweiz überhaupt Ausland, wenn ihre Einwohner noch nicht mal eine andere Sprache sprechen? Nichtsahnend und vielleicht auch ein bisschen übermütig zog ich also von Bayern in das Saanenland – und wurde gleich eines Besseren belehrt. «Di nächschti Zytig chunt am Frytig», erklärte man mir an meinem ersten Tag. Meine Kollegin – ebenfalls aus Deutschland – kam mir zu Hilfe und wies mich in die Grundregeln dieses komplexen Dialekts ein: Die deutsche Endung -ung wird zum Schweizerdeutschen -ig, das «ei» zum langen «y». Aha! Die nächste Zeitung kommt also am Freitung – äh Freitag.

Und so nahm alles seinen Lauf. Von diesem Tag an parkte ich nicht mehr mein Auto, ich parkierte. Bei gutem Wetter nahm ich auch mal das Fahrrad, Pardon: das Velo. Das «ß» strich ich aus meinem Wortschatz – wer braucht das schon? – und für Rückrufe hinterliess ich nicht mehr meine Handynummer, sondern meine Natelnummer. Apropos Natel: Mein Chef war dauernd besetzt, obwohl er überhaupt nicht telefonierte.

Trotzdem scheint mich mein Stirnrunzeln häufiger mal zu verraten. «Verschtöter Bärndütsch?», lautet dann die Frage. Ich gebe mein Bestes. Und wie ich hier sitze und mir all die sprachlichen Besonderheiten in Erinnerung rufe, klingen die Vokabularien schon längst nicht mehr so abstrus. Nach fünf Monaten kann ich Ihnen also sagen: Nein, die Schweiz ist für mich tatsächlich kein Ausland (mehr).

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