Geige, Bingo, Begeisterung – Klassik trifft auf junge Neugier
18.03.2025 BildungMuseumsbesuch? Klingt für viele Kinder erst einmal wenig aufregend. Doch als 16 Schülerinnen und Schüler aus Saanen in die Welt von Yehudi Menuhin eintauchen, wird der berühmte Geiger für sie lebendig. Mit Quizfragen, Geigenexperimenten und interaktiven Aufgaben ...
Museumsbesuch? Klingt für viele Kinder erst einmal wenig aufregend. Doch als 16 Schülerinnen und Schüler aus Saanen in die Welt von Yehudi Menuhin eintauchen, wird der berühmte Geiger für sie lebendig. Mit Quizfragen, Geigenexperimenten und interaktiven Aufgaben wird klassische Musik zum Erlebnis – und vielleicht zur neuen Leidenschaft.
SONJA WOLF
Fröhlich-geschäftige Diskussionen und Lachen dringt aus dem Saaner Menuhin Center. 16 Schülerinnen und Schüler aus der 6. Klasse der Primarschule Saanen sitzen im Schneidersitz auf dem Boden des kleinen Museums und tauchen tief ein in das Leben und Wirken von Yehudi Menuhin – und seiner Geige. «Vier Saiten hat die Geige!» kommt die Antwort auf eine leichtere Frage im Quiz, aber auch «pianissimo bis fortissimo» bekommen die 11- bis 13-Jährigen auf die Frage nach den Lautstärken heraus. Und dass Yehudi Menuhin regelmässig mit dem indischen Sitar-Spieler Ravi Shankar zusammen spielte, wird ihnen im Verlauf der interaktiven Museumsführung an diesem Mittwochvormittag auch völlig klar.
Ins Museum?
Zuerst waren die Kinder nicht so begeistert, als ihre Musiklehrerin Salome Schletti fragte, ob sie ins Museum gehen wollten. «Das Wort Museum wirkt halt auf manche Kinder erst einmal abschreckend», sagt Schletti im Gespräch. «Und sie wussten auch gar nicht, was auf sie zukommt, sie hatten kaum Informationen über Menuhin.» Doch dann hätten sie im Vorfeld im Musikunterricht gemeinsam angeschaut, wer Menuhin war, welchen Bezug er zur Region hat und welche Ausmasse das Menuhin Festival hat.
Ins Museum!
Und dann waren sie Feuer und Flamme! Auf der Museumsführung wurde dann auch fleissig geschrieben, gepuzzelt und Bingo gespielt. Lana Zickgraf, die Projektleiterin des Menuhin-Discovery-Programms, hatte auch ganze Arbeit geleistet und ein 14-seitiges Heft voller interaktiver Arbeitsaufträge zum Thema erschaffen, mit denen alle Sinne angesprochen werden: «Ich habe versucht, die unterschiedlichsten Elemente einzubauen – wie das Bingo mit Bildern, die Videos am Laptop, eine Fotoaufgabe zu Zitaten von Menuhin, bei der sie sich mit einer Polaroidkamera ausprobieren konnten oder das Geigenpuzzle. Da habe ich fast einen ganzen Tag dran gebastelt», sagt die Musikvermittlerin mit einem begeisterten Funkeln in den Augen.
Highlight Geige
Die Geige hatte es den Kindern besonders angetan. Denn eine solche liegt im Menuhin Center für alle Interessierten zum Ausprobieren bereit. Gar nicht so leicht, die Geige korrekt unters Kinn zu klemmen, den Bogen richtig zu halten und ein paar Töne herauszubekommen! Doch die Magie der Geige wirkte. Auch an der Magnettafel, an der die Kinder am Ende des Vormittags ihre Impressionen mittels eines kleinen Post-its anpinnen durften, schnitt die Geige bei Weitem am besten ab.
Wenigstens einmal während der Schulzeit in Kontakt mit Yehudi Menuhin
Absolut glücklich über diesen positiven Kontakt der Kinder mit der Geige und ihren Spass an Menuhins Wirken ist der Initiator der Aktion, Çetin Köksal. «Idealerweise sollte jedes Kind aus dem Saanenland wenigstens einmal während seiner Schulzeit mit dem Erbe von Yehudi Menuhin in Kontakt kommen», findet Köksal. Als Präsident des Menuhin Centers kam er auf die Idee mit der interaktiven Museumsführung und wandte sich an die Gstaad Menuhin Festival & Academy AG. Diese bietet den jüngeren Semestern mit ihrem Musikvermittlungsprogramm Discovery ohnehin das ganze Jahr über musikalische Entdeckungsprogramme, um ihnen die Türen zur Welt der klassischen Musik zu öffnen. Die Idee, auch Kinder zu erreichen, deren Eltern eventuell nicht so klassikaffin sind oder die sich die Konzerte während des Festivalsommers nicht leisten können, ist Çetin Köksal und den Verantwortlichen des Gstaad Menuhin Festivals gemein. Und so war die Kooperation geboren. Köksal gab die Konzeption in Auftrag, Musikvermittlerin Zickgraf arbeitete das Konzept aus und leitete die Führung.
Alle Jahre wieder
Wie geht es mit diesem Projekt weiter? Ist eine Wiederholung geplant? Beide Seiten, sowohl das Gstaad Menuhin Festival als auch das Menuhin Center, zeigen sich zuversichtlich. «Wir holen uns nun das Feedback von Frau Schletti ein, wie es den Kindern gefallen hat. Wenn die Rückmeldungen positiv ausfallen, möchten wir die Aktion jedes Jahr durchführen, vielleicht sogar in kürzeren Abständen oder auch mehrmals pro Woche», sagt Lukas Wittermann, der Geschäftsführer der Gstaad Menuhin Festival & Academy AG. Das hänge natürlich von den Kapazitäten des Menuhin Centers und der Koordination mit den Schulen ab. So könne die Person Yehudi Menuhin und sein Wirken in den Köpfen der jungen Generation erhalten bleiben.
ÜBRIGENS...
...die Musiklehrerin Salome Schletti, die ihre Schüler:innen ins Museum begleitete, freute sich besonders auf den Vormittag – denn ihre Familie hatte eine ganz persönliche Verbindung zur Familie Menuhin. Sie erzählt: «Als Yehudi Menuhins Sohn Jeremy im Sommer jeweils mit seiner Familie im Saanenland war, suchte er eine Familie, die in dieser Zeit seine Kinder beaufsichtigt. Von seiner Vermieterin erhielt er die Adresse meiner Grosseltern Annemarie und Martin von Grünigen. So kam es, dass Jeremys Kinder sehr oft auf dem Bauernhof in Gruben waren. Es entstand ein freundschaftliches Verhältnis mit der Familie von Jeremy, welches bis heute besteht. Auch Yehudi war gelegentlich auf dem Bauernhof und ganz angetan von den Tieren. Wir haben einige Fotos zu Hause aus dieser Zeit. Noch heute kommt Jeremy bei meiner Grossmutter vorbei, wenn er im Saanenland ist.»
SWO