Blankenburger Keramik aus dem 18. Jahrhundert neu erfasst
09.06.2023 NachbarschaftDer bisher eher unbekannte Keramikkünstler Abraham Marti (1718 bis 1792) steht auf einmal im Mittelpunkt des Interesses der Fachwelt: Das Bernische Historische Museum hatte Ende Mai zur Vernissage des Buches «Keramik aus Blankenburg» eingeladen.
HANSUELI ...
Der bisher eher unbekannte Keramikkünstler Abraham Marti (1718 bis 1792) steht auf einmal im Mittelpunkt des Interesses der Fachwelt: Das Bernische Historische Museum hatte Ende Mai zur Vernissage des Buches «Keramik aus Blankenburg» eingeladen.
HANSUELI GAMMETER
«Mit dem Band ‹Keramik aus Blankenburg› wird ein wichtiges wissenschaftliches Projekt abgeschlossen: die Erforschung der historischen Keramikproduktion im Kanton Bern mit den vier Schwerpunkten Langnau, Heimberg/ Steffisburg, Bäriswil und Blankenburg», informierte der Direktor des Bernischen Historischen Museums, Dr. Thomas Pauli-Gabi, anlässlich der Vernissage des Buches Ende Mai. Dabei dürfe Abraham Marti mit seinem farbenfrohen, oftmals naiven Malstil, seinen gewählten Motiven und seinen beim Publikum beliebten Töpfersprüchen als einer der ungewöhnlichsten, expressivsten und eigenständigsten Keramikhandwerker der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts im Kanton Bern gelten.
Die Entstehung des Buches
Die grosse Arbeit, die heute noch vorhandenen Erzeugnisse von Abraham Marti in Museen und privaten Sammlungen aufzuspüren und zu katalogisieren, übernahm der Keramikexperte Dr. Andreas Heege. Er fand die gesuchte Ware nicht nur in Schweizer Sammlungen, sondern auch in solchen in Deutschland, England und den USA. Der Katalog umfasst 290 Objekte Geschirrkeramik und neun Kachelöfen. Der Autor hatte bei früheren Projekten die Erfahrung gemacht, dass grosse Projekte nur gelingen können, wenn sie bescheiden angegangen werden: Man sucht die Unterstützung kleiner einschlägiger Stiftungen und weiterer interessierter Kreise, dann fliessen später auch die Beiträge der namhaften Kulturstiftungen. So gelangte er zuerst an die Stiftung Schloss Blankenburg.
Durch seine Vermittlung war es möglich, dass das Bernische Historische Museum den seit dem Abbau des Simmental-Zimmers in Kisten gelagerte Ofen der Schlossstiftung schenkte, damit dieser am Ort seiner Entstehung aufgebaut und bewundert werden kann.
Wer war der Künstler Abraham Marti?
Abraham Marti wurde 1718 in Fraubrunnen als Sohn eines Hafners geboren. Aus der Amtsrechnung der Landvogtei Fraubrunnen geht hervor, dass Abraham Marti in der Nachfolge seines Vaters regelmässig im Schloss und den umliegenden Pfrundhäusern tätig war und dort Öfen wartete, reparierte und gelegentlich auch ein neues Stück setzen konnte. Nach dem frühen Tod seiner Eltern übernahm er den Betrieb. Die übernommenen Schulden und die Abfindung der Brüder überstiegen seine finanziellen Möglichkeiten und das Hafnerhaus musste verkauft werden. Abraham Marti blieb zunächst als Mieter im Haus und führte den Betrieb weiter. Der frühe Tod des einzigen Sohnes im Jahr 1748 muss ihn aus der Bahn geworfen haben, seine Spuren in der Region Fraubrunnen verlieren sich.
Neubeginn in Saanen, später in Blankenburg
Abraham Marti taucht wieder auf in den Amtsrechnungen der Landvogtei Saanen-Oesch. Dort findet sich der Nachweis, dass Hafner Marti, in Saanen wohnhaft, Öfen im Landvogteischloss Rougemont ausgebessert hat. Ob er in Saanen eine eigene Werkstatt betrieb und wo er seinen Beruf ausübte, ist unbekannt. Dass er gut genug war, im Landvogteischloss sämtliche Reparaturarbeiten auszuführen, bei der Bestellung der neuen Öfen nach einem Brand aber übergangen wurde, scheint ihn nachhaltig gekränkt zu haben. Er tauchte spätestens 1759 in Blankenburg auf, als seine Tochter Magdalena an Ostern des genannten Jahres in der Kirche Zweisimmen konfirmiert wurde. In Blankenburg wurde er Hoflieferant des Landvogts Sigmund Zehender. Wie auch heute noch gelegentlich der Heizkessel der Zentralheizung ausgewechselt wird, liess der Landvogt sechs alte Kachelöfen durch neue ersetzen. Diese wurden leider beim Brand des Schlosses im Jahr 1767 zerstört.
Das künstlerische Werk
Die Hauptarbeit des Hafners im 18. Jahrhundert war es, Öfen zu warten, zu reparieren und die Umgebung mit Gebrauchsgeschirr für Küche und Tisch zu versorgen. Die meisten erhaltenen Zeugnisse Abraham Martis sind Teller und Platten, daneben gibt es ein paar Töpfe und Krüge sowie ein paar aufwendig für die Obrigkeit gestaltete Butterfässer und Wandbrunnen. Weiter zu erwähnen sind die neun Kachelöfen. Der Künstler wählte immer wieder ähnliche Motive: Dragoner und Soldaten, Wappen, Frauen und Männer bei ihrer täglichen Arbeit, Haus- und Wildtiere, Blumen. Gelegentlich leistete sich der Künstler – ungeachtet seiner zahlungskräftigen Kundschaft auf dem Schloss – leisen Spott über die aufgetakelten Damen und Herren der Berner Obrigkeit. Typisch für seine Teller und Platten sind die Sprüche, die seine Darstellungen begleiten. Diese Sprüche haben keinen Bezug zum gemalten Motiv und es geht häufig um Liebe und Frauen, Sünde und Moral sowie die Schlechtigkeit der Welt. Was das Werk so einmalig macht für das 18. Jahrhundert, sind eine gewisse Naivität und die starken Farben, die er kontrastierend nebeneinandersetzt. Mit diesen Mitteln erreicht er eine überraschende Expressivität.
Das Buch «Keramik aus Blankenburg» kann bei der Schlossstiftung unter der Adresse rwampfler@ospia.ch zum Preis von Fr. 48.– zuzüglich Versandkosten bestellt werden.