Boltiger Praxisschliessung lässt Fragen offen
28.11.2023 NachbarschaftVergangene Woche hat das kantonale Gesundheitsamt dem Boltiger Hausarzt Mohammed Hussain Al Saad die Berufsausübungsbewilligung entzogen, weil das zuständige Bundesamt den Weiterbildungstitel nicht anerkannt hat. Laut SRF Investigativ sollen Facharzttitel gänzlich fehlen. ...
Vergangene Woche hat das kantonale Gesundheitsamt dem Boltiger Hausarzt Mohammed Hussain Al Saad die Berufsausübungsbewilligung entzogen, weil das zuständige Bundesamt den Weiterbildungstitel nicht anerkannt hat. Laut SRF Investigativ sollen Facharzttitel gänzlich fehlen. Der Boltiger Gemeinderat zeigt sich überrascht, weil er die Unterlagen durch die Gesundheit Simme Saane AG überprüfen liess. Diese nimmt nun Stellung.
Es war eine Hiobsbotschaft für die Boltiger Exekutive: Vergangene Woche vermeldete sie in einer Medienmitteilung, dass dem ortsansässigen Hausarzt Mohammed Hussain Al Saad die Berufsausübungsbewilligung vom kantonalen Gesundheitsamt mit sofortiger Wirkung entzogen wurde. Auf Anfrage der Zeitung «Berner Oberländer» erklärte Gundekar Giebel, Leiter Kommunikation bei der kantonalen Gesundheits-, Sozial- und Integrationsdirektion (GSI): «Die Mebeko hat die Anerkennung der ausländischen Weiterbildungstitel widerrufen. Damit sind die Bewilligungsvoraussetzungen entfallen.» Es handelt sich um die Medizinalberufekommission des Bundesamts für Gesundheit (BAG). Für Mohammed Hussain Al Saad hatte dies zur Folge, dass er nicht selbstständig eine eigene Praxis führen darf, weshalb er die Praxis in Boltigen und eine weitere im Zürcher Unterland, die er ebenfalls eröffnet hatte, schliessen musste. Es wäre ihm allerdings erlaubt gewesen, in einer Praxisgruppe mitzuwirken, wie er dies in der Praxis-Gruppe Schweiz in Brienz tat. Dort hatte er aber bereits auf Ende Jahr gekündigt, wie Verwaltungsratspräsident Joseph Rohrer auf Anfrage des «Berner Oberländers» angab.
SRF-Recherchen: Mutmassliche Urkundenfälschung
Aufgrund des Persönlichkeitsschutzes und des Amtsgeheimnisses durften die Behörden keine Angaben zu den Gründen machen, weshalb Al Saad die Berufsausübungsbewilligung entzogen wurde. Vergangenen Freitag präsentierte SRF Investigativ seine Recherchen: Die Urkunde «Facharzt für Innere Medizin und Kardiologie», die von der Bezirksärztekammer Nordwürttemberg ausgestellt worden sein soll, soll mutmasslich eine Fälschung sein. Wie die Pressestelle der Landesärztekammer Baden-Württemberg auf Anfrage des Schweizer Radio und Fernsehens SRF schreibt, habe am 16. Februar 2021 gar keine Facharztprüfung im Bereich der Inneren Medizin und Kardiologie stattgefunden und gibt weiter an: «Herr Al Saad hat keine Facharztprüfung in Nordwürttemberg absolviert.» Die Landesärztekammer habe bereits Strafanzeige eingereicht, so SRF.
GSS nimmt Stellung
Die Boltiger Gemeindepräsidentin Anna Bieri sagte auf Anfrage von SRF: «Das ist für mich ein Skandal, weil alle Unterlagen von den Behörden geprüft worden sind.» Die Überprüfung der Unterlagen hat die Gesundheit Simme Saane AG (GSS) durchgeführt, die nun öffentlich Stellung nimmt. In einer Medienmitteilung vom Montag schreibt sie, dass ihnen die Bewilligung zur Berufsausübung im Kanton Bern, die Aufnahme als Mitglied in der Ärztegesellschaft des Kantons Bern und der Lebenslauf ausgehändigt worden seien. Die GSS habe in der Folge die Unterlagen mit den Angaben auf dem Medizinalberuferegister verglichen. Zusätzlich habe sie die ZSR-Nummer kontrolliert: die Zahlstellenregisternummer, die an selbstständig tätige Personen oder Organisationen erteilt wird, die zu Lasten der Krankenversicherung tätig sein können. Auf dem Portal der SA-SIS – einer Tochtergesellschaft von Santésuisse, einem Branchenverband der Schweizer Krankenversicherer – sei Al Saad aufgeführt gewesen, so die GSS.
«Aufgrund dieser öffentlich zugänglichen Angaben auf den behördlichen Portalen kamen wir zum Schluss, dass Dr. Al Saad die behördlichen sowie gesundheitspolizeilichen Anforderungen erfüllt», erklärt die GSS. Für die Bevölkerung von Boltigen, die Region Simmental-Saanenland sowie die medizinische Grundversorgung bedeute diese Entwicklung einen weiteren Rückschlag, welche die GSS ausserordentlich bedauere, schreibt sie weiter.
Gegenüber dem «Berner Oberländer» betonte GSI-Sprecher Gundekar Giebel, dass die Gemeindebehörden von Boltigen nichts übersehen hätten. Dass die zuvor geprüften Weiterbildungstitel «nun widerrufen wurden, ist ein Entscheid der Kommission».
PD/JOP