Cantate Chor in Wien und Bratislava
12.05.2023 ReisenNach fünfjährigem, pandemiebedingtem Unterbruch hat der Cantate Chor Ende April wieder eine gemeinsame Reise unternommen.
Diese Kulturreisen unter der kundigen Führung und Programmgestaltung von Klaus Burkhalter gehören bereits zur Tradition des ...
Nach fünfjährigem, pandemiebedingtem Unterbruch hat der Cantate Chor Ende April wieder eine gemeinsame Reise unternommen.
Diese Kulturreisen unter der kundigen Führung und Programmgestaltung von Klaus Burkhalter gehören bereits zur Tradition des Chorlebens, meist auch mit Bezug zum musikalischen Jahresprogramm. Die stattliche Zahl von 44 Reiselustigen wurde nach zwölfstündiger Eisenbahnfahrt im Hotel Europa an der Kärntnerstrasse im Herzen von Wien gastlich mit einem Abendessen empfangen.
Am Donnerstag spazierten wir in zwei Gruppen – geführt von zwei charmanten Wienerinnen – auf einem Rundgang durch die alten Viertel Wiens und erfuhren viel Historisches und Anekdoten aus früheren Zeiten. Nach unserer letztjährigen Aufführung von Mozarts Requiem war es berührend, nun an der Stelle zu stehen, wo Mozart dieses Werk vor seinem Ableben im Alter von 35 Jahren nicht vollenden konnte. Die Kaffeehaustradition Wiens geht zurück auf die entscheidende Schlacht am Kahlenberg 1683, als die Osmanen nach der langen Belagerung Wiens geschlagen wurden und auf ihrem Rückzug volle Säcke von Kaffeebohnen zurückliessen, die zunächst als Kamelfutter fehlgedeutet wurden. Davon zeugt auch das traditionsreiche Restaurant Frauenhuber, in dem die berühmten Musiker des 18. Jahrhunderts, wie Mozart und Beethoven, verkehrten. Im Haus des deutschen Ordens, auf Besuch in Wien im Gefolge des Erzbischofs von Salzburg, soll Mozarts Gesuch um Gehaltserhöhung vom bischöflichen Sekretär mit einem Fusstritt quittiert worden sein, worauf Mozart beschloss, fortan in der grossen Stadt Wien zu leben, wo seine Karriereaussichten viel besser standen. Als froher Lebemensch zerrann ihm allerdings das Geld zwischen den Fingern, sodass er es in den Jahren 1781 bis 1791, während denen er in Wien lebte, nie zu Wohlstand brachte und am Ende in einem Kommunalgrab bestattet wurde. Ein eigener Grabstein stand ihm mangels Liquidität nicht zu. Heute aber erinnern Statuen, Gedenktafeln und viel Touristenkommerz auf Schritt und Tritt an diesen genialen Musiker. Im Viertel hinter dem Stefansdom durchstreiften wir die reizenden Gassen mit den Pawlatschenhöfen (Holztreppen und Balkone in Innenhöfen der Mietshäuser). Ein architektonischer Einfluss der Zuwanderung aus den östlichen Ländern des Kaiserreiches, die nun zum Teil als Gartenbeizen genutzt werden. Der Spaziergang führte uns weiter am Dom vorbei zum Graben mit der bekannten Pestsäule, Kohlmarkt und Michaelertor, wo Joseph Haydns Karriere begann, nachdem er wegen des Stimmbruchs als 14-Jähriger aus dem Knabenchor des Hofs entlassen worden war. Ein kurzer Abstecher in die geschichtsträchtige Hofburg und zur Staatsoper beendete diesen ersten Vormittag.
Der Abend galt dem Heurigen beim Müller in Grinzing bei ausgiebig Speis und Trank und sogar Schrammelmusik mit Evergreens vom legendären Hans Moser.
Am Freitagvormittag gewann jedermann auf einer Bustour einen Überblick auch über periphere Stadtteile und die Geschichte des Städtebaus vom Mittelalter bis zur Neuzeit, anhand der Architektur auch historische Rückblicke auf das Kaiserreich Österreich. Die Fahrt ging durch verschiedene Stadtteile, zum Belvedere, nach Schönbrunn, zum Hundertwasser-Haus und endete im Prater mit einem Schlumberger-Schaumweinapéro in den Kabinen des Riesenrades. Der Nachmittag stand zur freien Verfügung wie bereits am Vortag. Gelegenheit, den individuellen Interessen nachzugehen, z.B. Besuch des reichhaltigen Doms, Aufstieg auf den Südturm mit seinen 7×7×7 Treppenstufen, Kunstgalerien Albertina, Führungen in der Staatsoper, Technisches Museum, Shopping und Besuch der «Beisel» und Kaffeehäuser. Der Höhepunkt des Tages war aber am Abend die fantastische Aufführung von Bizets «Carmen» in der prächtigen Staatsoper.
Der Samstag führte uns mit dem Twin City Liner in anderthalb Stunden auf der Donau nach Bratislava, der zu Unrecht wenig beachteten Hauptstadt der Slowakei. Die wechselvolle Geschichte über die Jahrhunderte mit Eroberungen und Vertreibungen der gerade unterlegenen Volksgruppen haben ihre Spuren hinterlassen, doch die imposante Burg oberhalb der Stadt hat ihren dominierenden Charakter als Wahrzeichen erhalten. Der Dom St. Martin diente den Habsburgern von 1563 bis 1830 als ungarische Krönungskirche und die Stadt gewann in dieser Zeit an Bedeutung. Eine Führung durch diese hübsche und sympathische frühere Hauptstadt des Königreiches Ungarn brachte uns den Problemen der Menschen im früheren Ostblock näher, ihren Anstrengungen, sich in der westlich orientierten EU zu behaupten, ohne ihre slawischen Wurzeln aufzugeben. In der Altstadt wechseln sich enge, reizvolle Gässchen mit grosszügigen Plätzen und Palästen ab und hie und da blitzt der Humor dieses Volkes in Form von unerwarteten kleinen Statuen aus dem täglichen Leben des kleinen Mannes auf. Gegen Abend führte uns der Twin City Liner in rasanter Fahrt auf der Donau durch die geschützte Auenlandschaft der untergehenden Sonne entgegen wieder nach Wien.
Am Sonntag profitierten viele unserer Gruppe von der Möglichkeit, eine Messe mit Chormusik zu besuchen. In der prachtvollen, barocken Jesuitenkirche wurde die Trinitatismesse von Mozart und eine Toccata von Widor dargeboten, in der Augustinerkirche Mozarts Piccolominimesse sowie Werke von Händel und Haydn.
Der abschliessende Höhepunkt war am selben Abend das Konzert der Wiener Symphoniker im Musikverein. Unter der dynamischen Leitung von Adam Fischer wurde mit höchster Präzision Beethovens 4. Symphonie B-Dur, Haydns Kantate «Berenice che fai» und Mozarts Symphonie in B-Dur aufgeführt. Ein absolut krönender Abschluss dieser unvergesslichen Reise, die dann am Montag mit einer langen Heimreise im Zug ihren Abschluss fand.
Ein ganz grosser Dank von allen Teilnehmern für die Organisation und umsichtige Leitung dieser bereichernden und sehr schönen Reise geht an Klaus Burkhalter, unseren unermüdlichen Chorleiter.
CANTATE CHOR/RUDOLF MINNIG