Das Feuer brennt noch
14.02.2023 NachbarschaftDiese Woche kommen 24 junge Musiktalente in Château-d'Oex zusammen, um an den «Rencontres Musicales Alberto Lysy» dabei zu sein. Das Konzert der Dozentinnen und Dozenten zum Auftakt der Meisterkurse lässt einiges erwarten.
JENNY ...
Diese Woche kommen 24 junge Musiktalente in Château-d'Oex zusammen, um an den «Rencontres Musicales Alberto Lysy» dabei zu sein. Das Konzert der Dozentinnen und Dozenten zum Auftakt der Meisterkurse lässt einiges erwarten.
JENNY STERCHI
Adelina Oprean, Igor Keller, Silvia Simionescu und Pablo de Naverán sind Meister in ihrem Fach. Diese etablierten Musikerinnen und Musiker werden 24 Studentinnen und Studenten aus der ganzen Welt in den folgenden Tagen helfen, das Spiel auf Violine, Bratsche und Cello zu verfeinern, zu verbessern, zu entwickeln. Und im Sinne Lysys das miteinander Musizieren ebenfalls in den Mittelpunkt stellen.
Sie musizierten am Samstagabend in der Kirche in Château-d'Oex miteinander und wurden dabei von der Pianistin Petra Besa und dem Pianisten Federico Bosco begleitet. Mit Stücken von Beethoven, Bloch, Bruch und Berio war die Vielfalt des Programms gesichert. Und wie die sechs Musizierenden diese Musik darboten, war für jeden in der gut besetzten Kirche sowohl ein akustisches als auch ein optisches Spektakel.
Weder abgestumpft noch routinemässig
Sie lieferten den Beweis dafür, das Meisterklasse immer noch Raum für Leidenschaft lässt. Die Leidenschaft, mit der Musik Geschichten erzählen zu wollen, Stimmungen hörbar zu machen und ein ganz eigenes Verständnis für jedes Stück zu kreieren. Und dem Zuhörenden die Musik anzuvertrauen mit dem Wissen, dass sie in ihm etwas auslöst. Nichts Grosses. Vielmehr kleine Fantastereien, Vorstellungen und vielleicht auch einfach Ruhe.
Das Musizieren in einem Ensemble – und sei es auch noch so klein – bedarf auch technischer Fähigkeiten. Den gemeinsamen Einsatz zu finden, wird ohne Augenkontakt unmöglich. Die Violinistin sass jedoch mit dem Rücken zum Pianisten gewandt. Bei jedem Einsatz den Kopf drehen? Die Ergonomie des Geigenspiels steht dem im Weg. Und so war es eine Mischung aus Übung, dem Verständnis des Stückes und Intuition.
Der Pianist wartete auf das Atemgeräusch des Cellisten und so erklangen die Saiten des Cellos und die Töne aus dem Konzertflügel messerscharf miteinander.
Melancholie und Menschenbilder
Mit dem Klaviertrio op. 1, Nr.3 c-Moll von Ludwig van Beethoven starteten Adelina Oprean und Pablo de Naverán in den Konzertabend. Am Piano begleitete sie Federico Bosco, der ob seiner sagenhaften Fingerfertigkeit auf den Tasten beinahe übermenschlich wirkte. Die Läufe im vierten Satz machte Bosco zu tonalen Wasserfällen. Das war der Moment, als sich das Raunen der Bewunderung bei einigen Besuchenden nicht länger unterdrücken liess. Das Zusammenspiel mit den beiden Streichern gestaltete sich mal ungestüm, mal schleichend, aber vielfach von einem Höhepunkt zum nächsten. Ein musikalisches Versteckspiel.
Acht Stücke op. 83 für Violine, Bratsche und Piano von Max Bruch sorgten ebenso für Begeisterung. Igor Keller, Silvia Simionescu und Petra Besa am Piano führten die Zuhörer durch die romantisch angelegten Sätze. Sie schienen genau zu wissen, wohin die Melodie jeweils führt und nahmen das Publikum mit. Die Anspannung in den Gesichtern der Musizierenden war gut zu sehen und löste sich, sobald Violine und Cello einander in der Harmonie wieder begegneten.
Wie man Charaktere zum klingen bringt, zeigten Simionescu und Keller mit den Duetten für zwei Violinen von Luciano Berio, die jeweils mit Vornamen wie Piero, Annie oder Henri betitelt und damit nach Persönlichkeiten der heutigen Musikwelt benannt sind.
«From Jewish Life» B. 54 von Ernest Bloch vereinnahmte viele der Besuchenden mit seinem melancholischmelodischen Charakter, den Federico Bosco und Pablo de Naverán präsentierten. Die drei Sätze des Stückes muteten wie eine zwar schwere, aber durchaus weiche Decke an. Eine, die durchaus starr und etwas sperrig zu sein scheint, aber ganz sicher nicht kratzt.
Im Geiste Alberto Lysys
Die in Rumänien geborene Adelina Oprean und der Franzose Igor Keller, beide ehemals von Alberto Lysy an der International Music Menuhin Academy (IMMA) unterrichtet, werden den durchweg talentierten Studentinnen und Studenten die Violine noch näher bringen. Silvia Simionescu stammt ebenfalls aus Rumänien und entwickelte als ehemalige IMMA-Studentin bei Alberto Lysy ihr Spiel auf der Bratsche weiter. Mit Pablo de Naverán ist auch der vierte Lehrer ein ehemaliger Student Lysys. Er ist bis heute an der IMMA als Lehrkraft im Einsatz.
Die Schüler, die dem Konzert aus den Publikumsreihen lauschten, werden vermutlich voller Vorfreude und Wissensdurst die Kirche verlassen haben. Denn Adelina Oprean, Igor Keller, Silvia Simionescu und Pablo de Naverán transportierten das Erleben von Musik, das Miteinander und keineswegs die Unnahbarkeit oder verschreckende Arroganz denen gegenüber, die noch mitten im Lernprozess stecken. Die so garantierten Fortschritte der Studentinnen und Studenten werden an zwei Konzerten Ende der Woche am gleichen Ort zu hören sein.