Das Vereinsleben leben und vorleben
06.06.2024 PorträtEr ist einer der treibenden Motoren im Vereins- und Dorfleben von Gsteig. Christof Walker packt kräftig mit an, damit im Gsteiger Dorfleben alles rund läuft.
SONJA WOLF
Sie kennen ihn sicher. Höchstwahrscheinlich von Ländlerabenden als ...
Er ist einer der treibenden Motoren im Vereins- und Dorfleben von Gsteig. Christof Walker packt kräftig mit an, damit im Gsteiger Dorfleben alles rund läuft.
SONJA WOLF
Sie kennen ihn sicher. Höchstwahrscheinlich von Ländlerabenden als Bassgeigen- und Akkordeonspieler der Familienkapelle Walker. Oder als «Doppelgänger» neben seinem Zwillingsbruder Stefan im Theaterstück des Jodlerklubs Gsteig. Ganz genau, es ist die Rede von Christof Walker. Aber vielleicht haben Sie ihn auch schon bei einer Übung der Feuerwehr oder im Wald bei der Jagd gesehen? Oder als Präsident des Turnvereins, wenn er «seine» Gsteiger Turner nach dem Turnfest abholt und zum Bären begleitet – Akkordeon spielend natürlich. Die Liste ist noch nicht vollständig, kann sie auch gar nicht sein. Denn wollte man alle Funktionen, die der Tausendsassa im Moment innehat oder jemals innehatte, aufführen, würde eine Zeitungsseite wohl nicht ausreichen.
Woher nimmt er die Motivation für sein Engagement? «Damit eine Gemeinde funktioniert, muss man arbeiten. Es ist wichtig, dass man mithilft, das Ganze zu tragen!» Überzeugt kommt sie aus seinem Mund, die Maxime von Christof Walker, die er fast täglich versucht umzusetzen.
Wir sitzen in seinem Gsteiger Chalet am gemütlichen Esstisch auf handgemachten Holzstühlen, in die die Namen der Familienmitglieder eingearbeitet sind. Das Haus ist die ehemalige Scheune des Onkels und der Tante, selbst umgebaut in liebevoller, zeitintensiver Eigenarbeit. «Mithilfe der Bude natürlich», sagt er dankbar. Also seiner Kollegen von der Hauswirth Zimmerei AG Feutersoey, wo er in Teilzeit arbeitet. In der Haushälfte gegenüber wohnt Bruder Bruno mit seiner Familie.
Bereits nach einigen Minuten Gespräch mit Christof Walker wird klar: Hier sitzt ein Familienmensch, ein Teamplayer, ein Macher und vor allem: ein Urgsteiger!
Sein ganz persönlicher Weg, in seiner Heimatgemeinde mitzuhelfen, ist aber nicht etwa auf dem politischen Parkett. Vielmehr mischt er kräftig im Vereinsleben mit, und das schon seit über 25 Jahren, wie er stolz erzählt.
«Wir Kinder haben das Vereinsleben von den Eltern gelernt: Unser Vater war unter anderem Vorturner im Turnverein und unsere Mutter Präsidentin des Damenturnvereins. Auch ich war seit der ersten Klasse in der Jugendriege», sagt er über eine seiner ganz grossen Leidenschaften, den Turnverein Gsteig-Feutersoey.
Nicht genug damit, dass ihn das Turnfieber schon als kleiner Junge packte, der Verein liess ihn auch nie ganz los: Sobald er 18 Jahre alt war, ging er zu den Leitenden über, seit 2017 ist er Vereinspräsident. «Aktiv bin ich auch noch: bei den Ü35», sagt er mit seinem charmanten Lächeln. Sein älterer Bruder Herbert leitet die Gruppe – das Vereinsleben liegt nicht nur Christof im Blut. «Am wichtigsten ist der zweite Teil, nämlich zusammen was trinken gehen! Das ist im Vereinsleben das Entscheidendste: sich auszutauschen in einem sozialen Umfeld», ist er überzeugt.
Und wie sieht es mit dem Nachwuchs aus? Ist es für die Jugend immer noch so selbstverständlich, etwa in den Turnverein, den Skiclub oder zur örtlichen Feuerwehr zu gehen? «Nein, es ist nicht mehr ganz so normal für die jungen Leute», sagt er nachdenklich, aber man müsse den Jungen das Vereinsleben einfach vorleben. Und gerade deshalb ist für ihn der schönste Anlass der TV-Unterhaltungsabend. «Vom Muki (Mutter-Kind-Turnen, Anm. d. Red.) bis zur Männerriege: Jede einzelne Riege hilft bei der Organisation mit. Jung und Alt turnt zusammen auf der Bühne, alle haben das Gefühl: Ich gehöre dazu! Auch wenn es manchmal nicht 100 Prozent super geturnt ist: Es macht allen Freude!» Und hinterher sitzen dann noch einmal alle Generationen am Tisch zum gemütlichen Ausklingen des Abends zusammen. «So geht vorgelebtes Vereinsleben!», findet Walker und seine Augen leuchten.
Organisiert hat er schon immer gerne – freilich nicht alleine, immer mit seiner Frau Cornelia oder mit einigen Kollegen. «Es sind immer dieselben, die mithelfen», sagt er anerkennend. Da war zum Beispiel die Gsteiger Fasnachtsgesellschaft, die er von Anfang an besuchte. Ziemlich rasch trat er der Gesellschaft bei und am Schluss war er gar deren Präsident. Zur Finanzierung der Fasnacht betrieb die Truppe junger Aktiver das Zelt mit Bewirtung, Livemusik und DJ am NJA W Gsteig Märet. Leider wurde die Fasnacht 2012 zum letzten Mal durchgeführt – mit einem Grande Finale. Nach der Auflösung wurde von einem Teil der Fasnachtsgesellschaftsmitglieder die Gsteiger Garde gegründet, «weil wir einfach nicht nichts machen wollten!» Auch dort übernahm er die Rolle des Präsidenten.
Diese Gruppe von jungen Einheimischen, die Anlässe im Gsteig und fürs Gsteig organisieren, liegt inzwischen in der Verantwortung der nächsten Generation. «Das Schönste wäre, wenn auch unsere Söhne später mal bei der Gsteiger Garde mitmachen würden!», wünscht er sich. Lang wird es wohl nicht mehr dauern, wenn sie so jung anfangen wieder Papa – immerhin sind sie schon 10 und 14 Jahre alt.
Die Wahrscheinlichkeit, dass seine Jungs einmal in der Gsteiger Garde aktiv werden, stehen nicht so schlecht. Jedenfalls höher als die, in einer Ländlerkapelle mitzuspielen. Da schmunzelt der Papa: «Es ist im Moment eher Fussball, Fussball, Fussball.» Ein Instrument zu lernen, stehe da weniger auf der Bucketlist. «Aber ich würde sie niemals zwingen.» Auch sie selbst wurden damals nicht gezwungen, ein Instrument zu lernen. «Wir haben es beim Papa gesehen: Er spielt auch Bassgeige und Akkordeon. Wir haben es sozusagen in die Wiege gelegt bekommen.»
Am wenigsten begeistert vom Musikspielen und -üben in der Walkerfamilie war seinerzeit Nesthäkchen Christof. Aber als er dann alle Brüder mit dem Vater zum Auftritt in den Ausgang gehen sah und er zu Hause bleiben musste, war ganz plötzlich auch sein Wunsch da, das Akkordeon und den Bass wieder stärker in sein Leben aufzunehmen...
Das gemeinsame Musizieren macht den vier Brüdern und ihrem Vater auch heute noch Spass. «Wir haben jetzt alle Familie und treffen uns daher seltener, sind aber immer noch sehr aktiv!», berichtet er. «Jeder macht erst mal für sich alleine zu Hause Musik und studiert neue Stücke, aber vier bis sechs Wochen vor einem Auftritt treffen wir uns dann einmal wöchentlich zum gemeinsamen Üben.» Dem Vater tut das Musizieren und das aktive Familienleben sichtlich gut. «Wir halten den Vater jung!», lacht er.
Der Zusammenhalt in der inzwischen recht grossen Walkerfamilie ist riesig. Die Kinder des Zwillingsbruders Stefan etwa sind im gleichen Alter wie die von Christof und Cornelia. «Die sind fast wie Halbgeschwister», findet Familienmensch Christof. Häufig essen die Familien zusammen zu Mittag.
Apropos Mittagessen: Nun muss Hausmann Walker aber wirklich anfangen zu kochen. Bald steht der Bruder mit Familie vor der Tür. Vielleicht steht heute ja Wild auf dem Speiseplan von Christof in seiner Funktion als Küchenchef und Jäger, der immer ein wenig Wildvorrat in der Tiefkühltruhe hat ... Aber das ist eine andere Geschichte und soll ein anderes Mal erzählt werden!
Wir stellen Ihnen Menschen vor, die jenseits der Schlagzeilen die Geschichte des Saanenlandes mitschreiben. Leute, die im Hintergrund Fäden spannen, ihr Umfeld mit ihrer Art bereichern oder ganz einfach anders sind. Die Serie rollt wie ein Schneeball durch die Region: Auf Wunsch von Christof Walker besuchen wir als Nächstes Ruth Wehren aus Gstaad.