Deine Gefühle erzählen dir Dinge über dich selber
11.04.2025 NachbarschaftZahlreiche Frauen aus allen Generationen kamen am letzten Samstag, 5. April in das Kuspo an der Lenk, um beim gemeinsamen Frühstück und dem interessanten Vortrag mit Musik von Monika Liechti zum Thema «Die schöpferische Kraft von Emotionen» eine kleine Auszeit zu ...
Zahlreiche Frauen aus allen Generationen kamen am letzten Samstag, 5. April in das Kuspo an der Lenk, um beim gemeinsamen Frühstück und dem interessanten Vortrag mit Musik von Monika Liechti zum Thema «Die schöpferische Kraft von Emotionen» eine kleine Auszeit zu geniessen. Eigenen Emotionen nachzuspüren, sich diese einzugestehen und sie anzuerkennen braucht Mut. Aber nur so lernen wir uns besser kennen.
Die Frühstückstreffen der Bewegung «Frauenzeit» werden im Frühling und Herbst von engagierten Frauen aus dem Simmental und Saanenland organisiert. Jedes Mal wird ein interessanter Vortrag zu aktuellen Themen angeboten, der Hilfestellungen für den Alltag aus christlicher Sicht bietet. Am letzten Samstag fand das Frühlingstreffen im Kuspo an der Lenk statt. Die Referentin Monika Liechti hatte ihr erstes Bilderbuch «Das geheimnisvolle Leuchten» mitgebracht, das sie während ihrer Zeit in Hongkong geschrieben hatte. Neun Jahre lebte sie mit ihrem Mann und zwei Kindern in der Millionenmetropole in Asien, bevor sie wieder in die Schweiz, nach Maladers/ Graubünden kam.
«Das geheimnisvolle Leuchten»
Als Einstieg in ihren Vortrag «Die schöpferische Kraft von Emotionen» las Monika Liechti aus ihrem Kinderbuch vor, einem Buch, das mit poetischer Kraft durchaus auch Erwachsene an die wichtige Bedeutung von Emotionen erinnert. Das kleine Mädchen im Buch findet an verschiedensten Orten in der grossen Stadt wunderbar schimmernde goldene Steine und macht die Bekanntschaft mit einem weisen Wildschwein. Die Steine stehen sinnbildlich für die Gefühle, die die Menschen auf der Suche nach Glück weggeworfen haben, um das zu vergessen, wovor sie Angst haben: Schmerz, Kummer, Angst, Traurigkeit, Scham, Hoffnungslosigkeit. Das Wildschwein macht ihr Mut: «Die Gefühle erzählen etwas über dich selber. Es braucht Mut, diese schmutzigen Goldstücke aufzuheben, traurige Gefühle, welche die Menschen hier liessen, weil sie dachten, sie schadeten ihnen. Nimm die Goldstücke zu dir und sei bereit, sie mit anderen zu teilen, die sich ihrer eigenen Schätze entledigt haben. Einige Menschen werden sich abwenden, andere werden dich bitten, mehr von dir zu bekommen. Sie verstehen, dass die Schätze ihnen helfen, ganz Mensch zu werden.» Und das kleine Mädchen hob sorgfältig das goldene Häufchen auf und drückte es an sich.
«Tu doch nicht so, hör auf zu weinen»
«Die leuchtenden Steine kennen wir alle», leitete die Autorin und Referentin in das Tagesthema über. Das Spektrum der Emotionen ist vielfältig und vor allem die unangenehmen wie Trauer, Angst, Wut, Ärger oder Sehnsucht versuchen wir meist von uns zu weisen. Bereits den Kindern wird vermittelt, dass negative Emotionen zu vermeiden sind: «Mach nicht so ein Theater.» «Hör auf zu weinen.» Kleine Kinder geben ihren Emotionen sehr authentisch und mit Nachdruck Gehör. Und dies ist schwierig für Erwachsene, vor allem für diejenigen, die nicht gelernt haben, ihre eigenen Emotionen bewusst wahrzunehmen und diese anzuerkennen. Nur wenn ich mich selber kenne, kann ich auf die Emotionen anderer angemessen reagieren. Eine abwertende Bemerkung über die Gefühle der Kinder zeigt die eigene Hilflosigkeit. Je besser wir jedoch unsere eigenen Gefühle kennen, desto besser können wir andere akzeptieren.
Ein Lächeln im Gesicht, aber nicht im Herz
Um dem aus dem Weg zu gehen, haben wir uns die verschiedensten Taktiken angeeignet. Manche sind Meister im Verdrängen. Wir sind voll mit inneren To-do-Listen, müssen den Fokus immer auf etwas anderes haben. Eine andere Reaktion kann auch ein Bad in Selbstmitleid sein («Ich bin eine schlechte Mutter», «Sie ist schuld, was kann ich dafür») oder man lässt sich in einen Strudel aus Empörung verleiten. Das Lästern in Gruppen über andere ist auch ein Ablenken vom eigenen Selbst.
Sehr verbreitet ist auch die herbeigezwungene Positivität: «Alles kommt gut», «Gott ist gut, er schaut mir», «Wir haben es hier ja so gut», auch wenn es vielleicht gerade einmal nicht so gut geht. Die Fassade des Lächelns aufrechtzuhalten ist sehr anstrengend und kräftezehrend. Gelingt es uns nicht, zwischendurch einmal innezuhalten, uns unserer Emotionen bewusst zu werden und wieder zu uns selbst zu finden, besteht die Gefahr, in virtuelle Welten am Computer oder Handy abzutauchen, Essstörungen oder Angstzustände zu entwickeln und auch sich mit Alkohol zu betäuben.
Innehalten und im Körper ankommen
Der Alltag mit Familie und/oder Beruf fordert von den meisten Frauen (und auch Männern) viel. Frauen fällt es oft schwerer, sich Zeit für sich selbst zu nehmen, innezuhalten und nicht dem Perfektionismus hinterherzueilen. Emotionen zeigen sich im ganzen Körper. Monika Liechti motivierte die Frauen, sich regelmässige Rituale anzugewöhnen, zum Innehalten und im Körper anzukommen. Nur so lässt sich spüren, wie es einem gerade geht. Dem nachzuspüren, ohne eine Wertung hineinzulegen, ist eine gute Basis, um sich selber kennenzulernen. Es hilft auch, seine Gefühle vertrauten Menschen mitzuteilen, jemandem, der zuhört, ohne zu urteilen.
Die eigene Vielfältigkeit akzeptieren
Das Kinderbuch hat Monika Liechti für das Ausdrücken und der Verarbeitung ihrer eigenen Emotionen geholfen. Es war für sie ein Prozess des Wachstums, der Heilung, die sie selbst ein Leben lang begleiten. Sie ist gerne kreativ und empfahl den Frauen, öfters wieder kreativ zu sein und so den eigenen Gefühlen Raum zu geben, egal ob wir meinen, Talent zu haben oder nicht. Denn Gefühle der Überforderung entstehen schneller, wenn sich alles um Effizienz dreht und kein Raum für Kreativität ist.
Das Wildschwein im Kinderbuch sagt: «Ich wünsche dir Mut und Neugier, auf Menschen zuzugehen, bring sie an die Orte, wo sie mehr von den Goldstücken finden können. Wenn das geschieht, wird die Stadt nie mehr dieselbe sein.» Ein schöner Wunsch, den Vreni Müllener vom Frauenzeit-Team zum Abschluss mit den Worten «Tja, jetzt haben wir unsere Hausaufgabe auch noch bekommen» freudig aufgriff. Es war ein gelungenes Thema, wo sicher jede für sich etwas mit nach Hause in den Alltag nehmen konnte.
Das nächste Frauenfrühstück findet turnusgemäss im Herbst wieder im Saanenland statt.
KERSTIN KOPP