Dass Marc Amacher kein vorweihnachtliches Konzert im Stil eines Knabenchores abliefern würde, war den «Eingeweihten» schon vorher klar. Doch was der Meister des härtesten Blues der Schweiz am Samstag, 18. November in der reformierten Kirche Zweisimmen lieferte – ...
Dass Marc Amacher kein vorweihnachtliches Konzert im Stil eines Knabenchores abliefern würde, war den «Eingeweihten» schon vorher klar. Doch was der Meister des härtesten Blues der Schweiz am Samstag, 18. November in der reformierten Kirche Zweisimmen lieferte – damit hatte wohl doch niemand gerechnet.
Wohlklang im Geiste von «Stille Nacht, Heilige Nacht»? Nicht mit Marc Amacher. Amacher, der bereits am Anfang des Jahres im Lenker Zelt auf der Bühne förmlich «die Sau rausliess», versprach auch als solistischer Alleinunterhalter einen Abend, den man als Besucher in Erinnerung behalten würde. Und er hielt das Versprechen.
Auch wenn das Konzert mit eher harmonischen Tönen durch Mitorganisator Jules van Enckevort begann, der überzeugend seinen «Vogelisi-Blues» auf der Mundharmonika zur Einstimmung präsentierte. Doch dann war Schluss mit ruhig.
Vom Beinhaus in die Kirche
Aufgrund des grossen Andrangs verlegten die Organisatoren von Zweisimmen Jazz Amachers Konzert kurzfristig vom Beinhaus in die reformierte Kirche. Richtig so. Denn das Beinhaus wäre eindeutig zu klein gewesen. Nicht nur für die Zuhörer, sondern auch für Amachers unendliche Energie.
Und so entstand im ehrwürdigen Kirchgebäude eine beinah surreale Atmosphäre: der Kirchenraum in mystisch dunkelblaues Licht getaucht, der Dompteur des krachenden Sounds mit Hut und dunkler Sonnenbrille auf dem Podium, die Zuhörer brav aufgereiht in den Kirchenbänken.
Und im Hintergrund an der Kirchenwand, das, was dort auch sonst immer zu lesen ist: «Heute, so ihr seine Stimme höret, so verstocket eure Herzen nicht» – Psalm 95.
Härtestes Konzert seit dem Bau
Für Amacher kein Problem: Mit Lust und Engagement spielte der härteste Blueser der Schweiz auf – ohne Rücksicht auf Mensch und Material. Amacher veranstaltete eine Jamsession mit sich selbst und dem Publikum.
Als Alleinkünstler ohne Band angetreten, war der unruhig-energiegeladene Musiker zwangsläufig an seinem Platz festgenagelt. Und so bestand jedenfalls nicht die Gefahr, dass Amacher die Kanzel erklimmen und sein musikalisches Evangelium von dort auf die Besucher niederregnen lassen würde. Gepasst hätte es aber.
Denn Amacher spielte nicht einfach ein Programm ab. Er zelebrierte seine musikalische Messe aus tiefster Überzeugung und mit jeder Faser seines Körpers. Ob auf Englisch oder «Bärndütsch»: Die bluestypisch eher schlicht aufgebaute Musik nutzte Amacher zu extrovertierten Ausflügen und Steigerungen, die sich freilich nicht um die Härte des schwarzen Sklavenlebens drehten, sondern um seine persönlichen Erlebnisse und Aufreger. Da kann auch das Büsi schon mal Thema für ein fast 15-minütiges musikalisches Improvisationstheater werden.
Das vermutlich härteste Konzert, das die reformierte Kirche seit ihres Baus wohl ausgehalten hat, endete nach etwas über zwei Stunden («Sind wir fertig? Also ich könnte noch…») und mehreren Zugaben.
ARMIN BERGER/«SIMMENTALZEITUNG»