Der schwierige Weg zu grüner Wasserenergie
31.05.2024 TurbachDie Gemüter erhitzten sich an der Informationsveranstaltung der Kraftwerk Turbach AG. Es ging dabei vor allem um die Einschränkungen, die für die Bevölkerung und insbesondere die Anwohner durch die Bauarbeiten entstehen. Vom ersten Juli an bis zum Spätherbst und noch ...
Die Gemüter erhitzten sich an der Informationsveranstaltung der Kraftwerk Turbach AG. Es ging dabei vor allem um die Einschränkungen, die für die Bevölkerung und insbesondere die Anwohner durch die Bauarbeiten entstehen. Vom ersten Juli an bis zum Spätherbst und noch einmal vom Frühling bis Spätherbst 2025 wird es Umleitungen geben. Vor allem die Nutzung des einspurigen Tromwegs gab Anlass zu Diskussionen. Eine Stunde lang äusserten die Teilnehmenden Fragen, Kritik und teilweise auch ihren Unmut über die Massnahmen. Der eigentlich positive Aspekt, dass durch das neue Kraftwerk Turbach für 80 Jahre emissionslos eine beachtliche Menge an Strom produziert werden wird, ging über die wenigen Monate der Einschränkungen fast vergessen.
Wasserkraftwerk Turbach: Kopfzerbrechen über Umleitungen
An der Informationsveranstaltung zum neuen Wasserkraftwerk Turbach kritisierten Teile der betroffenen Anwohnenden die einschränkenden Massnahmen, die durch die Bauarbeiten nötig werden. Die positiven Auswirkungen, nämlich sauberen Strom zu produzieren, rückten dabei in den Hintergrund.
SONJA WOLF
An die 100 Interessierte hatten sich zum Informationsabend über das neue Wasserkraftwerk in der Mehrzweckhalle Turbach eingefunden. Bei den meisten Besuchern handelte es sich um direkt Betroffene von den bald beginnenden Baumassnahmen. Es mussten extra Stühle aufgestellt werden. Das Thema bewegte sehr, wie an den zahlreichen Fragen am Ende der Veranstaltung deutlich wurde.
Doch zunächst wurde das Projekt noch einmal vorgestellt und erklärt. Dies übernahmen als Vertreter der Bauherrschaft Patrick Manz, Projektmanager Wasserkraftwerke der BKW, sein Kollege Silvio Zingg von BKW Engineering als Leiter der Planungsphase und Thomas Gruber von Theiler Ingenieure als Projektleiter für die Ausführungsplanung und Verantwortlicher der örtlichen Bauleitung.
Die Präsentation ging relativ flott über die Bühne, denn das Projekt war bereits im vergangenen März in Form einer Medienmitteilung der Kraftwerk Turbach AG vorgestellt worden und der baldige Baubeginn angekündigt worden. (Wir haben berichtet, frühere Informationen siehe auch AvS vom 27.3.2023 und 10.1.2020)
Eckdaten des Wasserkraftwerks Turbach
Das neue Kraftwerk wird eine durchschnittliche Jahresproduktion von rund 7,3 GWh liefern, was den Strombedarf von etwa 1400 Haushaltungen deckt. «Das entspricht etwa einem Siebtel des ganzen Stromverbrauchs des Ortsteils Gstaad», veranschaulicht Manz die Leistung des Kraftwerks. Auch der Winterstromanteil von 27 Prozent sei für ein Wasserkraftwerk im Alpenraum «beachtlich».
Der Bau des Wasserkraftwerks Turbach wird 15 Millionen Franken kosten mit einem Investitionskostenbeitrag vom Bund von maximal 50 Prozent.
Technisch betrachtet wird das Wasser unterhalb der Fangbrücke, welche den Turbach mit der Bissen verbindet, gefasst und durch verschiedene Mechanismen gereinigt, erfährt der Besucher von Silvio Zingg. Dann fliesst es via einer rund 3 Kilometer langen Druckleitung, die in die bestehende Strasse eingelassen wird, zum BKW-ISP-Gebäude in Gstaad. Dort wird in einem Anbau eine neue Kraftwerkszentrale realisiert. (Zusammenfassung Eckdaten siehe Kasten)
Wichtig ist auch die Umweltverträglichkeit: Die Kraftwerk Turbach AG werde sich finanziell daran beteiligen, dass im Bereich oberhalb der Wasserfassung und bei der Einmündung des Turpachbachs in den Louibach die Fischgängigkeit wiederhergestellt bzw. verbessert wird, verspricht Manz.
Bauarbeiten bereiten den Anliegern Kopfzerbrechen
Der Teil, der den Anwesenden am meisten Kopfzerbrechen zu machen schien, ist die Bauetappe zwischen der Kramund Bissenbrücke. Diese werde im Juli beginnen und maximal bis November dauern, je nach Wintereinbruch. Nächstes Jahr wird dann oberhalb der Bissenbrücke an der neuen Turbachstrasse von Anfang März bis Ende Oktober gebaut. Die Graben- und Rohrverlegarbeiten beginnen am höchsten Punkt und werden dann etappenweise talabwärts vorgenommen. «Die neun Unteretappen zwischen der Kram- und Bissenbrücke sind mit den betroffenen Anwohnern und Gewerbetreibenden abgesprochen», berichtet Ingenieur Thomas Gruber. «Alle Liegenschaften werden – mit Ausnahmen – zugänglich sein.»
Gleichwohl wird in der jeweiligen Phase, an der an einer Etappe gebaut wird, die Durchfahrt für den gesamten motorisierten Verkehr unterbrochen sein. Die Umleitung erfolgt bei der Bauetappe zwischen Kram- und Bissenbrücke über die Lauenenstrasse/ Tromweg (siehe Karte) und während des Baus an der alten Turbachstrasse über die neue Turbachstrasse.
Eine Herausforderung stellt vor allem der Tromweg dar: Da während der Bauarbeiten im ersten Halbjahr der gesamte Verkehr, also alle Anwohner aus dem Turbach und der Bissen einschliesslich dem touristischen, landwirtschaftlichen oder Baustellenverkehr über den recht schmalen, einspurigen Weg geführt wird, müssen zusätzliche Ausweichstellen gebaut werden.
Eine Stunde voller Fragen
Eine ganze Stunde lang stellten die Anwesenden Fragen und machten auch teilweise ihrem Ärger Luft. Die wichtigsten Punkte dabei waren:
Thema Sicherheit der Schulkinder
Der Tromweg wird auch von Schulkindern benutzt. Durch den Mehrverkehr wird deren Schulweg gefährlicher.
Lösungsvorschläge: Könnte man Sicherheitskräfte einstellen, welche die Kinder begleiten? Einen Trampelpfad neben der Strasse einrichten? Oder einen extra Schulbus einrichten, damit die Kinder nicht zu Fuss unterwegs sind? Die Bauherren versprachen, diese Punkte abzuklären.
Thema Verkehrshindernis
Der Tromweg ist einspurig. Es wird zwar die zusätzlichen Ausweichstellen geben, aber der Verkehr wird dennoch zu Stosszeiten oder zur Hochsaison zur Herausforderung.
Thema Landwirtschaft, grosse Gefährte
Trotz der Ausweichstellen empfiehlt der Bauherr den Tromweg nicht mit Anhängern über 3,5 Tonnen zu benützen. Dies um brenzlige Situationen zu vermeiden. Viele Landwirte haben aber solche Fahrzeuge und können diese Empfehlung nicht beachten.
Thema Effizienz
Wie könnte die Bauetappe Krambrücke/Bissenbrücke verkürzt werden? Diese Etappe ist die herausforderndste, da die gesamte Bevölkerung aus dem Turbach und aus der Bissen dann über den Tromweg fahren muss. Ein Vorschlag war ein Zweischicht-Baubetrieb, also etwa von 5 bis 14 Uhr und von 14 bis 23 Uhr anstelle der regulär vorgesehenen Bauzeit von 7 bis 18 Uhr. Dies könne laut Manz rein technisch nicht umgesetzt werden, da nicht genügend Personal vorhanden sei. Ausserdem müssen die Vorschriften des Baureglements der Gemeinde Saanen befolgt werden, die zur Hochsaison nur zu bestimmten Zeiten lärmintensive Bauarbeiten zulassen. Auch müsse auf die Einwohner Rücksicht genommen werden, die nicht zu viele Stunden dem Baulärm ausgesetzt werden dürften.
Thema einfachere Zugänglichkeit, flüssigerer Verkehr
Der Vorschlag wurde gemacht, die gesperrten Strassen übers Wochenende offen zu lassen. Dies allerdings wurde vom Rednerteam ausgeschlossen, da der Mehraufwand wegen der zusätzlichen Sicherung wiederum die Arbeiten in ihrer Gesamtheit in die Länge ziehen würde. Ausserdem könne nicht jedes Wochenende die Verkehrsführung geändert werden, alleine schon wegen des Postautos.
Thema Restwasser
Im Winter entnimmt auch die Wasserngrat AG das Wasser zur Beschneiung aus dem Turpachbach. Reicht dann das Wasser? Laut Manz gibt es eine Vereinbarung mit der Wasserngrat AG. Die Beschneiung habe Vorrang. Die Kraftwerk Turbach AG müsse die Restwassermenge dann erhöhen.
Thema späte Information, keine Möglichkeit der Einflussnahme
Viele Anwesende zeigten sich enttäuscht über die späte Informierung. Allerdings wurde erst im März der Baubeschluss gefällt und dann ging noch im gleichen Monat die Medienmitteilung an die Öffentlichkeit. Daraufhin erfolgte die Detailplanung bezüglich der Umleitungen und der Ausweichstellen, um sie an der Informationsveranstaltung Ende Mai zu präsentieren.
Eine Einflussnahme wäre während der Baubewilligungsphase möglich gewesen, aber da wurden keine Einsprachen im Zusammenhang mit dem Verkehrskonzept gemacht. Nun ist die Baubewilligung ausgesprochen und Änderungen schwer möglich. «Allerdings haben wir am heutigen Abend einige Punkte aufgenommen, denen wir nachgehen werden. Wir hoffen, bis zum Baubeginn Lösungen präsentieren zu können», hofft Patrick Manz.
WO ERHALTE ICH INFORMATIONEN WÄHREND DER BAUARBEITEN?
- Whatsapp-Kanal WKW Turbach, Inhalte: aktuelle Bauetappe, Breite des Korridors für Alpabzüge, Zugänglichkeiten
- Website Kraftwerk Turbach, Inhalte: genereller Bauablauf des Kraftwerks, Fragen und Antworten
- Kontakttelefon für wichtige Anliegen: 079 578 3060
PD/SWO
FAKTEN ZUM WASSERKRAFTWERK TURBACH
– Baustart: Juli 2024
– Ort: rund drei Kilometer lange Druckleitung entlang der Turbach- und Lauenenstrasse bis ins Gebiet Gütscheli/Gstaad Wasserfassung: unterhalb der Fangbrücke Kraftwerkszentrale: beim bestehenden BKW-ISP-Gebäude in Gstaad
– Voraussichtlich produzierte Energie: 7,3 GWh/Jahr entspricht dem Stromverbrauch von insgesamt 1400 Haushalten bzw. 1/7 des Stromverbrauchs von Gstaad
– Investitionssumme: knapp 15 Millionen Franken, Investitionskostenbeitrag des Bundes: max 50 Prozent
– Bauherr: Kraftwerk Turbach AG, ein Konsortium aus der BKW (55 Prozent Anteil) und der Baselbieter Stromproduzentin aventron (45 Prozent Anteil)
– Verkehrsbehinderungen während der Bauarbeiten: 2024: Sommer bis Spätherbst 2025: Frühling bis Spätherbst
– Geplante Inbetriebnahme: Sommer 2026
PD/SWO