Eine «saugute» Bilanz

  13.10.2022 Abländschen

Am 31. Oktober geht für das Berghotel Zur Sau in Abländschen die zweite Saison zu Ende. Gastgeber Clà Frei schaut zurück und zieht eine positive Bilanz – auch wenn noch nicht alles läuft wie gewünscht.

KEREM S. MAURER
Am 21. Mai 2021 öffnete das Berghotel Zur Sau in Abländschen seine Tore (wir haben berichtet). Nicht nur der ungewöhnliche Name, sondern auch das Gastrokonzept liessen aufhorchen, denn die Verantwortlichen versprachen: «Wo Abländschen drauf steht, muss Abländschen drin sein.» Mittlerweile ist sehr vieles, was im Berghotel serviert wird, made in Abländschen: Kartoffeln, Käse, Fleisch, Getreide und Gemüse. Wenn nicht in der westlichen «Exklave» des Saanenlandes gezüchtet, dann wenigsten dort aufgezogen und geschlachtet.

Annabelle, Désirée und bald eine Dritte
Die Idee, in Abländschen Kartoffeln anzubauen, sei von vielen Seiten belächelt worden, erinnert sich der Wirt. Trotzdem hat es geklappt. Bereits in den ersten beiden Saisons wurden im Berghotel Zur Sau täglich je nach Angebot entweder Annabelle- oder Désirée-Kartoffeln aus eigenem Anbau serviert. «Wir haben zuletzt drei Tonnen Kartoffeln geerntet. Das reichte, um das Angebot im Berghotel und im Bernerhof abzudecken», erklärt Frei und ergänzt, dass im nächsten Jahr noch eine dritte Sorte für Pommes frites hinzukomme.

Überdurchschnittlicher Milchpreis
Aus der Milch der drei Bauern, die ganzjährig in Abländschen leben, wird Rohmilchkäse für Raclette, Bergkräuterkäse und Fondue hergestellt. Aktuell bieten rund fünfzig Verkaufsstellen Abländschner Käse an. Nun sollen diese Produkte den Weg in die Spitzengastronomie finden, um ihren Bekanntheitsgrad weiter zu steigern, damit der angestrebte Milchpreis von einem Franken pro Liter erreicht wird. Gegenwärtig bezahlen die Verantwortlichen des Berghotels ihren Milchlieferanten 78 Rappen pro Liter. Apropos Käse: Aus der Fondueaktion, welche im Sommer mit der Müller Medien AG durchgeführt worden war, resultierte laut Frei ein – nicht näher bezifferter – Verlust. Dieser wurde von der Stiftung Prospectus Mons (siehe Kasten) übernommen. Diese Stiftung investierte unter anderem in Ställe, damit in Abländschen Duroc-Schweine gehalten werden können.

«Das Geschäft mit den Duroc-Schweinen, die – wie die Perlhühner – als Jungtiere nach Abländschen kommen, wo sie aufwachsen und mit Aussicht auf die Gastlosen ein glückliches Leben führen, läuft gut», sagt Frei. In diesem Jahr wurden zehn Duroc-Schweine aufgezogen, im kommenden sollen es zwölf sein. Unrentabel dagegen seien die Perlhühner. Doch der Gastgeber betont, man halte an ihnen fest und werde sich verbessern, um die Rentabilität in den Griff zu kriegen.

100 Prozent werden es kaum je sein
Auf einem Acker, auf dem Kartoffeln gewachsen sind, sollten nach Expertenmeinung während drei Jahren keine mehr angepflanzt werden – zumindest in Abländschen, weil die für Kartoffeln nötigen Nährstoffe diese Zeit brauchen, um sich zu regenerieren. Daher wird auf diesen Flächen im nächsten Jahr Wintergetreide, Roggen und Dinkel, angebaut. Aus diesem Getreide entsteht Mehl für Brot und Teigwaren. Für eigenes Gemüse bewirtschaften die Angestellten des Berghotels einen rund dreissig Quadratmeter grossen Gemüsegarten. Dazu wird das Berghotel von Einheimischen beliefert. Damit stammen Fleisch, Kartoffeln und Gemüse aus Abländschner Produktion, aber: «Noch ist der Selbstversorgungsgrad im Berghotel Zur Sau zu klein», resümiert Frei. Allerdings steigere sich dieser Anteil mit fortschreitender Saison, weil im Herbst das frisch Geerntete direkt auf den Teller kommt. Die Verantwortlichen bedauern, dass eine vollumfängliche Selbstversorgung in Abländschen nicht möglich ist, aber: «Mit Produkten aus dem nahen Jaun und dem Saanenland erreichen wir gegen 80 Prozent», so Frei.

Erfolgreiches Projekt Abländschen
Im Winter leben 32 Menschen in Abländschen, im Sommer, wenn das Berghotel Zur Sau geöffnet hat, sind es 38. «So gesehen haben wir bereits ein Bevölkerungswachstum von rund 20 Prozent erreicht», sagt Clà Frei lachend. Auch die Sache mit den Events habe sich gut entwickelt. Im ersten Jahr traten lediglich einige Ländlerkapellen auf. In der zweiten Saison entstand daraus das Programm «Kultour Abländschen» mit Kochevents, Literaturabenden mit Autorenlesungen und Jazzkonzerten. Alles kulinarisch umrahmt. Im kommenden Jahr werden sogar drei Konzerte im Rahmen des Gstaad Menuhin Festivals in Abländschen ausgetragen. «Ja», sagt Clà Frei, «das Projekt Abländschen ist ein Erfolg.» Und dieser Erfolg werde am 23. Oktober mit einem «Saufest» mit Juchzern und Ländlermusik gefeiert – mit allen, die dazu beigetragen haben: Lieferanten, Bauern und Einwohnern.

Für Clà Frei haben die nächsten Jahre einiges zu bieten. So wird er auf das Geschäftsjahr 2025 den Bernerhof Gstaad von Thomas und Brigitte Frei übernehmen. Dennoch wird er dem Berghotel Zur Sau verbunden bleiben. «Das Berghotel wird heute schon unter den Fittichen des Bernerhofs geführt, daran wird sich nichts ändern.»


PROSPECTUS MONS: PERSPEKTIVEN FÜR BERGDÖRFER

Schweizweit befinden sich viele Bergdörfer in der gleichen Situation wie Abländschen: wirtschaftliche Erodierung, Abwanderung, Verwaisung. Um nicht nur Abländschen beizustehen, sondern auch anderen Dörfern zu helfen, wurde die Stiftung Prospectus Mons gegründet. Ziel ist es, bedrohten Bergdörfern eine Perspektive zu bieten. Die Stiftung berät und hilft, lokal produzierte Produkte mit dem Markt zu verbinden, damit die Einwohner einen fairen Preis und dadurch nachhaltige Wertschöpfung generieren, womit die Abwanderung gestoppt wird. In Abländschen läuft das erste Porojekt. Von der Alpsauzucht über eigenen Rohmilchkäse bis zum Berggasthof entsteht ein geschlossener Kreislauf für die Dorfbevölkerung.

QUELLE: BERGDORF-ABLAENDSCHEN.CH

 


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