Obergericht bestätigt Urteil im Fall Theodoracopoulos
27.03.2025 Gericht15 Jahre nach dem mutmasslichen Vorfall in Gstaad hat das Berner Obergericht sein Urteil gefällt: Es bestätigte am Dienstag das Urteil der Vorinstanz im Fall Taki Theodoracopoulos, dem eine versuchte Vergewaltigung vorgeworfen wird. Das Strafmass: eine einjährige ...
15 Jahre nach dem mutmasslichen Vorfall in Gstaad hat das Berner Obergericht sein Urteil gefällt: Es bestätigte am Dienstag das Urteil der Vorinstanz im Fall Taki Theodoracopoulos, dem eine versuchte Vergewaltigung vorgeworfen wird. Das Strafmass: eine einjährige Freiheitsstrafe.
HANSUELI GAMMETER
Am Dienstag fand vor dem Obergericht des Kantons Bern die oberinstanzliche Beurteilung eines Vorfalls statt, der sich vor 15 Jahren in einem Chalet am Gstaader Oberbort zugetragen hatte. Der Beschuldigte Taki Theodoracopoulos – ein bekannter griechischer Kolumnist und Publizist – hatte das Urteil des Thuner Einzelrichters vom 5. Oktober 2023 durch Berufung an das Obergericht weitergezogen.
Die Szenerie: ein klassischer Gerichtssaal im Obergerichtsgebäude oberhalb des Hauptbahnhofs Bern, die Gerichtspersonen leicht erhöht und mit Holzpulten von den Parteien und ihren Rechtsvertreterinnen und -vertretern abgegrenzt, an der Wand ein Gestell mit alten, in Leder gebundenen Entscheidsammlungen, über dem Gestell eine reich verzierte Uhr aus Berns goldener Zeit mit der lateinischen Inschrift: «Ihr Menschensöhne, urteilt gerecht und hört beide Seiten an.» Die Menschentöchter hatten damals weder Stimmrecht noch waren sie zum Richteramt zugelassen.
Drei Oberrichterinnen – die Verhandlung führende Vorsitzende und zwei Beisitzerinnen – hatten über den Fall zu befinden.
Was geschah im Gästezimmer des Beschuldigten?
Die Privatklägerin schilderte das Skiwochenende in Gstaad, wie sie dies bereits vor erster Instanz getan hatte (siehe AvS vom Dienstag, 10. Oktober 2023). Der Beschuldigte lud einen Bekannten, den Vorsitzenden einer englischen Mediengruppe, für ein Wochenende in sein Chalet in Gstaad ein. Der Gast brachte drei junge, dem Beschuldigten bis zu diesem Wochenende unbekannte Frauen mit, darunter die Privatklägerin. Die Privatklägerin teilte mit einer der Mitreisenden das Zimmer, Letztere reiste bereits am folgenden Tag weiter. Der Flug war verspätet, so dass man das Haus erst zu vorgerückter Stunde verliess, um auswärts essen zu gehen. Nach der Rückkehr feierte man zu Hause weiter, trank Alkohol und hörte Musik. Nach 3 Uhr morgens ging man zu Bett.
Am folgenden Tag unternahm der Beschuldigte mit seinen Gästen einen Ausflug und lud sie zum Mittagessen ein, nach der Heimkehr ging die Privatklägerin spazieren. Wie am Vortag fand das Abendessen auswärts statt und man vergnügte sich weiter zu Hause. Dabei hätten die Damen mit dem Beschuldigten «auf leichtherzige Art» geflirtet. Als sich die Privatklägerin zurückgezogen hatte und bereits im Bett lag, ging die Türe auf und der Beschuldigte trat ins Zimmer. Sie richtete ihren Oberkörper auf. Er setzte sich aufs Bett und versuchte, sie zu küssen. Darauf drückte er sie mit aller Kraft aufs Bett und wollte mit ihr Sex haben. Sie überlegte sich, ob sie dies geschehen lassen solle, da sie es mit einem athletischen Mann zu tun hatte, wehrte sich dann aber, bis er von ihr abliess und wegging. Am nächsten Morgen stellte sie fest, dass ihre Schenkel Blutergüsse und Prellungen aufwiesen.
Beschuldigter bestreitet Tat
Demgegenüber bestritt der Beschuldigte den Vorfall und sagte, er sei ein Freund der Frauen und würde einer Frau nie etwas antun. Ausserdem habe er sich am fraglichen zweiten Abend frühzeitig, das heisst vor Mitternacht, zur Ruhe gelegt, da es ja am Vorabend sehr spät geworden sei. Die Privatklägerin habe sich am folgenden Morgen bei ihrem Abschied überschwänglich bedankt für das schöne Wochenende.
Weitere Indizien
Zunächst stellte sich die Frage, weshalb die Privatklägerin erst zehn Jahre nach dem Vorfall die Polizei in London aufgesucht hatte, um den Vorfall zu melden. Oder weshalb sich diese, wie sie selber bestätigte, beim Beschuldigten bedankte für das schöne Wochenende, als wäre nichts geschehen. Für beides hatte sie eine für das Gericht nachvollziehbare Erklärung: Ihr Begleiter sei damals Chef der Zeitung gewesen, für die sie geschrieben habe, ausserdem sei sie damals mit ihrem ersten Buchprojekt beschäftigt gewesen. Auch sei der Begleiter mit dem Beschuldigten freundschaftlich verbunden gewesen. Sie habe damals keinen Skandal verursachen wollen, um ihre Karriere nicht zu gefährden. Ausserdem habe sie den Beteiligten das Wochenende nicht verderben wollen. Sie habe zunächst versucht, das Vorgefallene zu vergessen, später, das Vorgefallene in einer Therapie zu verarbeiten. Als aber viel später eine Kolumne des Beschuldigten publiziert worden sei, in der er die Opfer sexueller Gewalt diffamiert und die Täter in Schutz genommen habe, sei für sie das Mass voll gewesen und sie habe sich bei der Polizei gemeldet.
Ausserdem wurden später drei verloren geglaubte Briefe zu den Akten gereicht, die der Beschuldigte anlässlich des Skiwochenendes ins Zimmer der Privatklägerin gelegt hatte. Diese richten sich an den Liebling A (geänderter Anfangsbuchstabe des Vornamens der Privatklägerin) und enthielten Passagen wie: «Unbändiger Hunger nach deinem Körper» oder «Diese letzten 24 Stunden – und ich bin sehr traurig, dass du die Wahl getroffen hast, mich zurückzuweisen».
Verurteilung auch durch das Obergericht
Für die Urteilseröffnung, die am Mittwochmorgen erfolgte, kam der Beschuldigte nicht nach Bern. Er hatte sich am Vorabend mit den Worten verabschiedet, er fühle sich wohl in den Händen der schweizerischen Justiz und habe volles Vertrauen in sie. Dieses Vertrauen scheint sich im Laufe der Verhandlung aufgebaut zu haben. Am Morgen hatte er noch behauptet, das Verfahren vor dem «Village Court», dem Dorfgericht in Thun, sei schlecht gewesen, die Übersetzerin sei schlecht gewesen und der Richter sei auf das theatralische Verhalten der Privatklägerin hereingefallen.
Die drei Oberrichterinnen bestätigten das Urteil der Vorinstanz: Der Angeklagte wurde für schuldig erklärt und zu einer bedingten Freiheitsstrafe von zwölf Monaten verurteilt. Ausserdem wurde er zu einer Genugtuung an die Privatklägerin von 5000 Franken und zur Übernahme der Verfahrenskosten verurteilt. Auch bei der Begründung des Urteils hielten sich die Richterinnen weitgehend an die Begründung der Vorinstanz: Bereits die Entstehungsgeschichte der Aussagen der Parteien zeige, dass die Aussagen der Privatklägerin vertrauenswürdiger seien. Der Beschuldigte habe zunächst alles abgestritten und immer gerade so viel zugegeben, wie dies aufgrund des Prozessverlaufs angezeigt gewesen sei. Demgegenüber habe die Privatklägerin den Sachverhalt abgesehen von unbedeutenden Einzelheiten bei der Polizei, bei der Staatsanwaltschaft und beim Gericht immer gleich wiedergegeben.
Dabei hätten ihre Aussagen verschiedene Realkennzeichen erhalten: So seien ihre Schilderungen konkret und anschaulich gewesen. Sie habe Empfindungen wiedergegeben und sich an Details erinnert. Sie habe zugegeben, sich an gewisse Dinge nicht mehr zu erinnern. Sie habe sich auch selber belastet, als sie sagte, sie habe mit dem Beschuldigten geflirtet und sich beim Abschied bedankt. Zusammen mit den Briefen des Beschuldigten habe man ein Fundament, das keine Zweifel an der Version der Privatklägerin offenlasse.
Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig.