Kunst als Botschafterin
06.02.2025 KunstDie sechste Ausgabe der Kunstbiennale Elevation 1049 präsentiert unter dem Titel «Energies» die vielfältigen Auseinandersetzungen internationaler Künstler mit dem Thema Energie und deren Ressourcennutzung. Bis am 16. März sind in der «Station» ...
Die sechste Ausgabe der Kunstbiennale Elevation 1049 präsentiert unter dem Titel «Energies» die vielfältigen Auseinandersetzungen internationaler Künstler mit dem Thema Energie und deren Ressourcennutzung. Bis am 16. März sind in der «Station» in Saanen, in der Carpentry Schönried und auch im Freien Kunstwerke ausgestellt, die sich dem Ausstellungsthema verschieden annähern.
Der einst in blaue Glanzfolie eingehüllte Transformatorenturm an der Bellerivestrasse ist erneut Teil der Elevation 1049. Eine sieben Meter hohe digital gestaltete Malerei der Künstlerin Louisa Gagliardi lockt das Auge des Betrachters. Gut erkennbar werden zwei Glühbirnen vom Schein einer dritten erleuchtet. Ein Kunstwerk, das weniger abstrakt auch dem Laienbetrachter etwas bietet, vermittelt das übergeordnete Thema Energies, welches die diesjährige Ausstellung Elevation 1049 überschreibt, ziemlich anschaulich.
Die Jahreszeiten in Gefahr
Diese Verständlichkeit erstreckt sich über viele andere ausgestellt Objekte, die bis Mitte März noch in Schönried und Saanen zu sehen sind. Die Diversität im Umgang mit dem Begriff «Energies» ist bestechend. Vier Läufer aus Drahtgeflecht hängen in der Carpentry in Schönried von der Decke der Industriehalle und bilden mit eingewobenen farbigen Folien die vier Jahreszeiten ab. Was das mit Energie zu tun hat? Für die Künstlerin Maria Loizidou war es zentral, die Instabilität der bisher in unseren Breitengraden angestammten Klimabedingungen abzubilden. In einem zwei Jahre währenden Prozess fertigte sie als Teil eines achtköpfigen Künstlerteams diese Objekte und verband somit Klimawandel und Energiewende auf ihre eigene Weise.
Strom aus der Drogenküche
Die niederländische Künstlerin Vibeke Mascini ist mit einem alten Heizkörper Teil der Elevation 1049. Diesen Radiator beheizt sie mit Strom, den sie aus der Verbrennung des Rauschgiftes Kokain gewonnen hat. Das «Koks» stammt aus Drogenfunden, die der Zoll im Hafen von Rotterdam bei verschiedenen Razzien sichergestellt hatte. So weit entfernt diese Art des Energiegewinns auch vom konventionellen Energieverständnis entfernt liegen mag, so genial erscheint diese Idee. Mascini ist bekannt dafür, dass sie Energie aus eher ungewöhnlichen Quellen entnimmt. Unterstützt durch Regierungsbehörden und Forschungsteams hatte sie in der Vergangenheit auch schon Strom und Wärme aus gestrandeten Walen sowie schmelzenden Gletschern gewonnen. Und somit hat sie sichtbar gemacht, dass in schier allen Dingen, die dem Menschen begegnen, Energie steckt.
Allerlei Ideen
Von der Videoinstallation zur Entstehung einer Briefmarke über ein Gerüst voller Schlagzeuge, die von fliessendem Wasser umspült werden, bis hin zu einer aus Papprollen gefertigten Roboterfigur bietet die Winterausstellung den Betrachtern viel Raum für Überlegungen und Gespräche. Die Elevation 1049 macht mit ihrer aktuellen Ausgabe auf den Umgang mit, den Verbrauch und nicht zuletzt den Gewinn von Energie aufmerksam.
PD/JST
ELEVATION 1049
Im Jahr 2014 gründeten Maja Hoffmann, Olympia Scarry und Neville Wakefield die Kunstbiennale Elevation 1049, die ihren Namen aus der geografischen Höhe Gstaads erhielt und so fest mit ihrem Standort verankert ist.
Erklärtes Ziel dieser Ausstellung ist ein belebter Dialog zwischen der kreativen Gemeinschaft und der Region. Maja Hoffmann ist zugleich Gründerin und Präsidentin der LUMA-Stiftung, die sich Kunstprojekten mit dringenden Themen wie Kultur, Natur, wissenschaftliche Forschung und Ökologie zuwendet.
Mittlerweile hat sich dieser künstlerische Winteranlass sowohl lokal als auch in der internationalen Künstlerszene etabliert. In diesem Jahr wirkt Stefanie Hessler, Direktorin des Swiss Institute New York, als Gastkuratorin für die Elevation 1049.
JST
Überfahren von der Ambivalenz
JENNY STERCHI
Die Objekte, die an der diesjährigen Elevation 1049 ausgestellt sind, präsentieren eine unglaubliche Vielfalt der Auseinandersetzung mit dem Thema Energie. «Energies» – so der Titel der diesjährigen Ausgabe – führte die Künstler auf verschiedene Wege. Während Klimawandel, Verknappung konventioneller Energiequellen und neue Technologien Raum finden, werden auch Kriminalität und Migration thematisiert. In der Eröffnungsrede wurde betont, wie wichtig die Auseinandersetzung mit diesen Themen sei, wie deutlich man den Klimawandel besonders in den Berggebieten spüre. «Mit einem vielfältigen Spektrum an Arbeiten denkt Elevation 1049 die Dynamiken der Energie neu und eröffnet neue Möglichkeiten für energetische Zirkulation und Transformation», so heisst es in der Pressemitteilung.
Und ich halte diesen Diskurs zwischen kreativen Künstlerköpfen und wachsenden Problematiken der Gesellschaft, vielleicht sogar der Menschheit, für sehr wertvoll. Auch wenn die Kunst nur wenig an den operativen Abläufen des alltäglichen Geschehens ändern kann, so ist ihr dennoch die Aufmerksamkeit der Betrachtenden sicher. Ob die Intention dabei verstanden wird oder ganz andere Gedankengänge auslöst, ist vermutlich gar nicht so wichtig. Kunst ist hier meiner Ansicht nach ein Geistöffner, ein Blick mit surrealer und doch auch optimistischer Note.
Eigentlich beflügelt von diesem Gedanken nahm ich am Rande der Eröffnung jedoch auch die Masse der Autos der Besuchenden wahr, die sich von Saanen nach Schönried bewegten, und Unterhaltungen unter den Besuchenden, die das Reiseverhalten einiger Anwesender thematisierten. Flugreisen gehören demnach zum Alltag, die Autos sind gross und leistungsstark. Sind das nicht wesentliche Ursachen dessen, womit sich die Kunst bei Elevation 1049 nun auseinandersetzt?