«Reden ist Silber, Zeigen ist Gold!»
27.05.2025 PorträtEr ist ein wandelndes Sportlexikon, verschenkt zweimal im Jahr Lebkuchen und trägt das Herz auf dem rechten Fleck. Und wenn Eugen Dornbierer-Hauswirth etwas anfängt, bringt er es auch zu Ende, selbst wenn es um ein Buch mit über 13’000 Seiten geht.
...Er ist ein wandelndes Sportlexikon, verschenkt zweimal im Jahr Lebkuchen und trägt das Herz auf dem rechten Fleck. Und wenn Eugen Dornbierer-Hauswirth etwas anfängt, bringt er es auch zu Ende, selbst wenn es um ein Buch mit über 13’000 Seiten geht.
KEREM S. MAURER
Auf dem Tisch im heimeligen Zimmer eines Gstaader Chalets liegen zahllose Broschüren, Textentwürfe, Bücher, Fotos und prall gefüllte Sichtmäppli in allen Farben. Der Mann, der das scheinbare Chaos überblickt und genau weiss, was er wo findet, ist Eugen Dornbierer-Hauswirth. Er tanzt schrittsicher auf vielen Hochzeiten, bringt aber gewissenhaft zu Ende, was er anfängt. Wer den quirligen 82-Jährigen kennt, weiss, dass dieser aus seinem Leben viel Spanendes zu erzählen weiss. Nach seiner Lehre als Feinmechaniker verschrieb er sein Leben voll und ganz dem Sport, in den Jugendjahren fokussierte er sich aufs Kunstturnen. Abseits des Rampenlichts legte er eine erstaunliche Karriere hin. Er war Diplomsportlehrer beim BASPO (Bundesamt für Sport), Swiss-Olympic-Diplomtrainer der Hochsprung-Frauen, technischer Direktor des Schweizerischen Volleyballverbandes, Dozent am Sportwissenschaftlichen Seminar der ETH Zürich für angehende Sportlehrer und Ausbilder, Berater mit Schwerpunkt Unfallprävention in der Freizeit beim Schweizer Unfallversicherer SUVA. Daneben bekleidete Dornbierer das Amt des kantonalen Sportverantwortlichen im Kanton St. Gallen, war im Gemeinderat von Wolfenschiessen NW und sass während sechs Jahren in der Schulkommission der Stadt St. Gallen. Und das sind bei Weitem nicht alle Stationen, die Dornbierer durchlaufen hat. Im Sportlehrerstudium an der Sportschule Magglingen lernte er Ursula Hauswirth kennen, heiratete sie und landete schliesslich bei ihr in Gstaad. Ursula war damals bereits Skilehrerin. Um mit ihr in Gstaad gemeinsam Skifahren zu können, erwarb Dornbierer das Skilehrerpatent.
Wer sich die Zeit nimmt und dem vielseitig interessierten Rentner, der seit seiner Pension kaum einen Gang zurückgeschaltet hat, zuhört, erfährt Erstaunliches. Dornbierer weiss zum Beispiel, wie das Zählsystem bei Tennismatches entstanden ist und wie er den Rückwärtssprung im Hochsprung, den sogenannten «Fosbury Flop» in der Schweiz eingeführt hat. «Wie ein Wanderprediger tingelte ich damals von Leichtathletikklub zu Leichtathletikklub und brachte den Verantwortlichen bei, wie dieser Sprung zu bewerkstelligen ist», sagt Dornbierer lachend. Im nächsten Atemzug erzählt er, wie er als Swiss-Olympic-Trainer-Leichtathletik seine Hochspringerin an die Olympischen Spiele von 1972 in München geführt hatte. In den vielen Jahren, in denen Eugen Dornbierer selbst als Lehrperson Sportlehrer:innen ausgebildet hat, sei ihm eines klar geworden: «Reden ist Silber, Zeigen ist Gold!» Er habe schnell begriffen, dass Vorturnen mehr bringe als zu erklären, wie ein gewisser Bewegungsablauf vonstatten gehe. Und: «Wenn man etwas im Leben wirklich können will, muss man es immer und immer wieder repetieren. Dranbleiben ist die Devise.»
Unwillkürlich fragt man sich, ob der Mann, der sich in einem Porträt über ihn – erschienen im «Das Magazin» vor rund zwanzig Jahren – selbst als «kleiner, magerer Siech» bezeichnete, im Leben alles richtig gemacht hat. «Nein, bei Weitem nicht», sagt er und hebt abwehrend die Hände. Er habe 1972 mit der damals besten Schweizer Hochspringerin, Trix Rechner, hinsichtlich der Olympischen Spiele dummerweise zu viel Technik trainiert. «Und zwar so lange, bis sie das Gefühl hatte, technisch nicht zu genügen, obschon sie als amtierende Hallen-Europameisterin im Hochsprung (1,85m) definitiv gut genug gewesen sei. Mental geschwächt durch die falschen Trainingseinheiten, habe sie die bescheidene Qualifikationshöhe von 1,75 Meter nicht geschafft. «Das war dumm von mir», reflektiert er selbstkritisch. Auch als technischer Direktor des Schweizerischen Volleyballverbands sei nicht alles wunschgemäss gelaufen. Dornbierer lancierte ein Regelwerk, das besagte, dass ein Klub – egal wie reich er war – nur drei Ausländer beschäftigen durfte. Dies, damit alle Klubs die gleichen Chancen hatten. Und obschon die Regel in einer demokratischen Abstimmung vom Verband angenommen worden war, habe ihn der Präsident in der Folge «gehen lassen». Doch nichtsdestotrotz sei er nur ein halbes Jahr später von eben diesem Präsidenten wieder in seiner alten Funktion eingesetzt worden. Mit reduziertem Pensum zwar, aber immerhin. In der Position des technischen Direktors sei er von vielen Seiten her verheizt worden, erinnert sich Dornbierer.
Eugen Dornbierer arbeitete an zahlreichen Lehrmitteln mit, verfasste unzählige Broschüren – unter anderem auch eine über die Seilmacherei im Saanenland. Eine enorme Fleissarbeit, über die schon bald etwas im «Anzeiger von Saanen» zu lesen sein wird. Daneben arbeitet er seit zwölf Jahren an einem Buch über die Entwicklung des Sports im Saanenland von 1896 (die ersten olympische Spiele der Neuzeit) bis zu den olympischen Spielen von London 2012. Dieses umfangreiche Werk, welches neben dem Sport auch den jeweiligen Zeitgeist sowie politische und touristische Strömungen beleuchtet, wartet mit stolzen 13’000 Seiten auf – ohne Fotos – und dürfte bald fertiggestellt sein. Eine «Riesenbüetz!» «Auch wenn das ‹Fueder› überladen ist: Wenn man etwas anfängt, bringt man es auch zu Ende!», zitiert Dornbierer eine weitere Lebensweisheit, die er auf seinem langen Weg gelernt hat. Im Rahmen der Recherchen für dieses Werk, die Eugen Dornbierer sehr oft ins Archiv des «Anzeigers von Saanen» führten, wurde er von Verleger Frank Müller ermutigt, als freier Journalist für dessen Lokalzeitung zu schreiben. Auch etwas, das Dornbierer seitdem mit viel Freude und Gewissenhaftigkeit nebenbei noch macht.
Im Rahmen seiner Tätigkeit als Gemeinderat für Soziales in der Nidwaldner Gemeinde Wolfenschiessen hat Eugen Dornbierer angefangen, den über 80-jährigen Einwohnenden der Gemeinde an Ostern und Weihnachten Lebkuchen zu schenken. «Selbst gemacht nach Mutters Rezept», betont er und lässt eine weitere Sport-Anekdote folgen: «So habe ich auch der Mutter der einstigen Skirennfahrerin Erika Hess Lebkuchen gebracht.» Eugen Dornbierer führt diese Tradition auch im Saanenland fort. Warum macht er das? «Es soll eine Wertschätzung sein für diejenigen, die mir etwas bedeuten.»
Wir stellen Ihnen Menschen vor, die jenseits der Schlagzeilen die Geschichte des Saanenlandes mitschreiben. Leute, die im Hintergrund Fäden spannen, ihr Umfeld mit ihrer Art bereichern oder ganz einfach anders sind. Die Serie rollt wie ein Schneeball durch die Region. Als Nächste besuchen wir Margot (Mägi) Kunz.
ZUR PERSON
Eugen Dornbierer (1943) ist in Oberwil am Zugersee aufgewachsen und Vater von zwei erwachsenen Kindern. Neben seiner beruflichen Laufbahn führte er als Hauptmann eine Tessiner Landwehrkompanie und später, als Major, war er Sportoffizier in der Gebirgsdivision 9. Er war Chef Langlauf im Ostschweizer Skiverband, Volleyball-Ausbildungschef bei Swiss Volley und Volleyballtrainer. Heute betätigt er sich unter anderem als freier Journalist und Buchautor. KMA