Das Ventil ist geschlossen, jetzt gehts in den Ruhestand!
09.01.2025 PorträtDer langjährige Gsteiger Brunnenmeister Ruedi Kistler wurde Ende 2024 pensioniert. Obschon ihn der Gedanke reizt, selbst über seine Zeit verfügen zu können, wird er auch danach noch den einen oder anderen «wässrigen» Einsatz leisten. Denn gar nichts mehr ...
Der langjährige Gsteiger Brunnenmeister Ruedi Kistler wurde Ende 2024 pensioniert. Obschon ihn der Gedanke reizt, selbst über seine Zeit verfügen zu können, wird er auch danach noch den einen oder anderen «wässrigen» Einsatz leisten. Denn gar nichts mehr zu tun, ist für ihn keine Option.
KEREM S. MAURER
Es war einmal vor langer Zeit – man schrieb das Jahr 1982 – als ein ausgebildeter Fahrrad- und Motorradmechaniker in Schaffhausen eine neue Arbeitsstelle suchte. Er stiess auf eine Annonce in einem Zweiradmagazin und ahnte nicht, dass diese sein Leben grundlegend verändern würde. Denn das Geschäft, welches einen Mechaniker suchte, befand sich in Gstaad. «Ich musste eine Karte zur Hand nehmen, um herauszufinden, wo Gstaad liegt», sagt Ruedi Kistler schmunzelnd und räumt ein, zuvor von dem mondänen Voralpendorf noch nie etwas gehört zu haben. Kistler bekam die Stelle und verabschiedete sich vom Munot, um ins Saanenland zu fahren, wo er vorerst nur zwei Jahre lang blieb. Zwei Jahre nach der Rückkehr in seine alte Heimat, kehrte Ruedi Kistler erneut nach Gstaad zurück, lernte hier seine zukünftige Frau kennen und eröffnete ein eigenes Zweiradfachgeschäft in Feutersoey. Dieses Mal war er gekommen, um zu bleiben. «Mein Geschäft war eine klassische One-Man-Show. Über den Sommer hatte ich viel Arbeit und zehrte im Winter davon, sodass ich im Frühling jeweils wieder bei null anfangen musste», erinnert er sich. So konnte es nicht weitergehen, Ruedi Kistler gab sein Geschäft auf und begab sich wieder auf Jobsuche.
Vom Notnagel zum Brunnenmeister
Im Jahr 2003 fand er – nach einigen Zwischenstationen als Haustechniker – eine Anstellung bei der Gemeinde Gsteig. Der Job beinhaltete laut Kistler die Robidog-Tour, das Hauswartamt im Schulhaus Feutersoey, die Wasserversorgung und diverse andere Arbeiten. «Dieser Job war für mich eigentlich bloss ein Notnagel», sagt er retrospektiv, doch es kam ganz anders. Im gleichen Zeitraum sei die Generelle Wasserversorgung (GWP) eingeführt worden, der eine gründliche Bestandesaufnahme der gesamten Gsteiger Wasserversorgung zugrunde lag. «Diese förderte einen grossen Handlungsbedarf mit Umsetzungspflichten zu Tage», erinnert sich Kistler. Neben der Sanierung der Wasserreservoirs und dem Neubau eines Pumpwerks, wurde auch ein modernes Leitungssystem eingeführt. Damit war Kistler – als Branchenfremdling notabene – für die gesamte Wasserversorgung der Gemeinde zuständig. «So geht das nicht», sagte er sich und beantragte bei der Gemeinde, den Lehrgang für den Unterhalt von Hydranten absolvieren zu dürfen. Die Gemeinde genehmigte den Antrag. Dann wurde eine Bestandesaufnahme der rund 90 Hydranten durchgeführt, die eine «desolate Zustandslage» offenbart habe. Kistler bekam eine weitere Ausbildung genehmigt. Diesmal ging es um den Brunnenmeister mit eidgenössischem Fachausweis. Durch eine glückliche Fügung konnte er diese Ausbildung auch ohne entsprechende Berufserfahrung im Jahr 2005 beginnen.
Viele Aufgaben, grosse Verantwortung
Trinkwasserversorgungen gelten gemeinhin als Lebensmittelbetriebe und müssen entsprechend geführt werden, erklärt der Brunnenmeister, denn: «Ohne sauberes Trinkwasser geht nichts. Auch die Landwirte müssen ihre Milchbehälter mit sauberem Wasser säubern, damit es nicht zu Verunreinigungen in der Milch kommt.» Das Aufgabenspektrum eines Brunnenmeisters reicht vom Erstellen von Qualitätssicherungssystemen über die Aufrechterhaltung eines Pikettdienstes im Falle von Leitungsrohrbrüchen bis hin zur Ausstellung von Anschlussbewilligungen bei Neubauten und Gebäudetechnischen Abnahmen. «Auch die Liegenschaftsentwässerung, also Sauber- und Schmutzwasserentsorgung inklusive Kanalisationsnetz sowie die Organisation und der Unterhalt der Wertstoffsammelstellen für Papier, Glas, PET und Kleider etc. gehörten zu meinem Aufgabengebiet», zählt Ruedi Kistler auf, «das alles war enorm spannend und vielseitig!»
Trinkwasserversorgung war nie beeinträchtigt
Rund acht Jahre bevor das Hotel Sanetsch saniert wurde, schlug das Leitsystem Alarm und meldete einen erheblichen Wasserverlust. «Natürlich war es mitten in der Nacht, im Winter, bitterkalt und gruusig», erinnert er sich. Es habe sich herausgestellt, dass eine Wasserleitung im Hotel gefroren und infolgedessen geborsten war. Der Keller stand unter Wasser und der Haupthahn musste letztlich von Hand geschlossen werden. Das wohl gravierendste Erlebnis seiner über zwanzigjährigen Karriere als Gsteiger Brunnenmeister sei die Überschwemmung im letzten Winter gewesen, aber: «Glücklicherweise war die Trinkwasserversorgung damals und auch sonst während meiner Tätigkeit nie beeinträchtigt», hält Kistler fest.
Gar nichts tun ist keine Option
Am 27. Dezember 2024 wurde Ruedi Kistler nach 21 Jahren bei der Gemeinde Gsteig offiziell pensioniert. «Mich reizt der Gedanke, selbst über meine Zeit verfügen zu können», sagt er. Dann würde er sich wohl öfters aufs Velo schwingen. Der rüstige Pensionär betont, er halte persönlich nicht viel von E-Bikes, sondern steige vorzugsweise mit seiner eigenen Muskelkraft in die Pedale. Dennoch wird er das Arbeiten nicht ganz lassen können. «Ich habe bereits die eine oder andere Anfrage für Aufgaben im Bereich des Gewässerschutzes erhalten und werde auch nach der Pensionierung hin und wieder noch für die Gemeinde im Einsatz stehen – einfach gar nichts mehr tun, kann ich mir nicht vorstellen.» Und dann gäbe es auch im Bereich Velo noch das eine oder andere Projekt.
Manchmal brauchts ein dickes Fell
Seit dem ersten Mai dieses Jahres führte Ruedi Kistler seinen Nachfolger, Urs Kohli, in das breite Aufgabengebiet ein. Was gab Kistler ihm mit, als Urs Kohli seine Nachfolge antrat? «Wichtig ist, dass man in allen Situationen einen kühlen Kopf behält, ruhig bleibt und nicht gleich nervös wird», riet Kistler seinem Nachfolger, und: Manchmal sei beispielsweise im Zusammenhang mit der Wertstoffsammlung ein dickes Fell wichtig, weil man als Gemeindemitarbeiter oftmals anecke, obschon man ja die Gesetze nicht selbst mache. «Aber ich bin sicher, dass Urs Kohli alle für diesen Job notwendigen Voraussetzungen mitbringt.»
ZUR PERSON
Ruedi Kistler arbeitete 2003 als Fachangestellter Wasserversorgung, Abwasser und Kehricht bei der Gemeinde Gsteig. Er ist 1959 in Schaffhausen (SH) geboren und dort aufgewachsen. Ruedi Kistler ist Vater von drei erwachsenen Söhnen. Nach seiner Ausbildung als Fahrradund Motorradmechaniker, absolvierte er die Neue Handelsschule in Thun und liess sich zum Brunnenmeister mit eidgenössischem Fachausweis und später zur Fachperson Grundstücksentwässerung VSA
weiterbilden. Nach 21 Jahren als Mitarbeiter der Gemeinde Gsteig ging Ruedi Kistler Ende des Jahres 2024 in Pension.
KMA