«Schüpfeni» aus Abländschen
14.04.2023 AbländschenMan findet sie auf Dächern und Fassaden: die «Schüpfeni». Rund 400 Quadratmeter entstehen in der Werkstatt bei Hans Dänzer in Abländschen. Die Produktion ist gar nicht so einfach – erfährt Marlies Remy.
Vor einiger Zeit war ich bei ...
Man findet sie auf Dächern und Fassaden: die «Schüpfeni». Rund 400 Quadratmeter entstehen in der Werkstatt bei Hans Dänzer in Abländschen. Die Produktion ist gar nicht so einfach – erfährt Marlies Remy.
Vor einiger Zeit war ich bei Hans Dänzer zu Besuch und wurde herzlich eingeladen, in ein paar Wochen vorbeizukommen, wenn die «Schüpfeni»-Produktion im Gang sei. Gesagt getan, die Strasse nach Abländschen ist nun schneefrei, vor dem Haus von Vreni und Hans werde ich vom Enkel Simon begrüsst.
Simon wirtet mit seiner Frau Heidi im Restaurant Zytbödeli, das seine Grosseltern Vreni und Hans aufgebaut haben. Heute ist «Wirtesamstag» und da Simon nicht nur Koch sondern auch Zimmermann gelernt hat, geht er gerade seinem Grossvater zur Hand. Vor dem Haus sind geschälte «Holzrugel» aufgeschichtet. Auf kleinem Raum ist alles nötige in Griffnähe und Simon erklärt mir seine Aufgaben. Er spaltet mit der Spaltmaschine die auf eine bestimmte Länge gekürzten Baumstämme und schichtet sie in eine Schubkarre. Ist diese voll, bringt er sie zu Hans. Während der Arbeit erklärt mir Simon, dass die Qualität des Holzes schon stimmen müsste. Holz, das dreht, geht gar nicht und Äste sind nicht brauchbar. Hier wird also ein erstes mal aussortiert, damit die nächsten Schritte flotter vonstattengehen.
Simon bringt mich zu Hans hinter die Werkstatt, er fräst gerade die «Dussel» die Simon eben gemacht hat. Auch hier sitzt jeder Handgriff und Hans erklärt mir, wie und wieso die «Schüpfeni» die bestimmte Form haben müssen. Wir gehen in die geheizte Werkstatt, wo Peter Rauber die vorgefertigten Scheite nun in 16 möglichst gleichgrosse «Scheiben» teilt. Dies geschieht mit einem Messer und einem Hammer. Einmal aufgeschlagen, kann der Spalt mit biegen nach oben oder unten noch gelenkt werden.
Was sich etwas theoretisch und unverständlich anhört, möchte ich gleich selber ausprobieren. Ich setze mich auf den freien Arbeitsplatz und Simon gibt mir Anweisungen. Schon beim ersten Schlag ist mir mein Daumen spürbar im Weg. Das Werkzeug muss andersherum angefasst werden, weiss mein Lehrmeister. Also nochmals, Messer ansetzen, nicht bewegen, drauf schlagen, im Holzblock einklemmen, um nach oben oder unten zu ziehen und schon habe ich erfolgreich Abfall produziert. Eine Kante ist gebrochen statt gespalten, das Messer war nicht richtig angesetzt.
Die drei Herren nehmen es gelassen, das sei alles Übungssache. Es ist auch schon Zeit fürs Znüni und in der Küche wird zu Kaffee, Tee, Kuchen und einem Gläsli gefachsimpelt. 224 «Schüpfeni» werden zu einem Bund zusammengefasst, der ungefähr einen Quadratmeter Fläche deckt. Ein Dach sowie eine Fassade kann mit «Schüpfeni» oder Schindeln eingekleidet werden, Dicke und Verlegetechnik unterscheiden die beiden Arten voneinander. Letztes Jahr entstanden in der Abländschner Werkstatt rund 400 Quadratmeter «Schüpfeni».
Hans ist 80 Jahre alt, er hat manches erlebt und kann viel erzählen. Nun sei es an der Zeit, die Jungen machen zu lassen. Aber so lange es geht, geben ihm seine Hobbys eine Aufgabe, die er zufrieden erfüllt. Die meisten Schindeln werden an Lucien Carrell verkauft, den bekannten Tavilloneur in Vaulruz. Aber auch im Saanenland hat er seine Abnehmer. Die drei Männer sind schon wieder an ihrer Arbeit während ich die sonnenbeschienen, runden «Bünggla» vor dem Haus festhalte. Das Holz ist zum Teil mehrere hundert Jahre alt und hat nicht nur die Tradition dieser Verarbeitungsart in sich gespeichert. Eindrücklich, was da in Abländschen entsteht und anderswo noch manche Jahre Dächer und Fassaden ziert.
MARLIES REMY