Schuldunfähig, aber weiterhin inhaftiert
20.04.2023 GerichtEin 38-jähriger, geständiger Täter, dem mitunter versuchte schwere Körperverletzung vorgeworfen wurde, ist laut psychiatrischem Gutachten schuldunfähig. Das Gericht verlängerte die Sicherheitshaft und ordnete eine stationäre therapeutische Massnahme ...
Ein 38-jähriger, geständiger Täter, dem mitunter versuchte schwere Körperverletzung vorgeworfen wurde, ist laut psychiatrischem Gutachten schuldunfähig. Das Gericht verlängerte die Sicherheitshaft und ordnete eine stationäre therapeutische Massnahme an.
KEREM S. MAURER
Versuchte schwere Körperverletzung, vorsätzliche einfache Körperverletzung, Diebstähle, Sachbeschädigungen, Beschimpfungen, Missbräuche einer Fernmeldeanlage, Drohungen, Nötigungen, Hausfriedensbrüche, wiederholter Ungehorsam gegen amtliche Verfügungen und Widerhandlungen gegen das Betäubungsmittelgesetz. Deswegen musste sich am Mittwoch ein heute 38-jähriger Mann, der die Taten zwischen Juli 2021 und März 2023 in Rougemont, Château-d’Oex, Saanen und Gstaad begangen hatte und seit März 2022 im Regionalgefängnis Burgdorf einsitzt, vor dem Regionalgericht Oberland verantworten. «Ich entschuldige mich für alles, was ich getan habe», sagte er zu Beginn seiner Einvernahme.
Drei strittige Punkte
Der Angeklagte gab zu, seine Ex-Freundin mehrfach in ihrem Wohnwagen auf einem Campingplatz im Saanenland oder im Chalet, wo sie arbeitete, aufgesucht zu haben – obschon ihm dies mittels amtlicher Verfügungen untersagt war. Dabei kam es wiederholt zu Hausfriedensbruch, Tätlichkeiten, Drohungen, zu leichten und schweren Körperverletzungen ihr und einem Bekannten gegenüber. Der Beschuldigte bestritt lediglich, die Ex-Freundin mit einem Stein und den Bekannten in den Unterleib geschlagen zu haben. Nach den Ausführungen der Staatsanwältin räumte er ein: «Wenn sie (die Ex-Freundin) sagt, ich hätte sie mit einem Stein geschlagen, dann habe ich das vermutlich auch getan.» Ebenso konnte er sich nach eigenen Angaben nicht mehr daran erinnern, die beiden mit dem Tod bedroht zu haben.
Schuldunfähig infolge psychischer Störung
Ein psychiatrisches Gutachten, das vom Gericht als «schlüssig und nachvollziehbar» erachtet wurde, bescheinigte dem Beschuldigten während des Zeitraums der obgenannten Taten Schuldunfähigkeit. Der Beschuldigte habe damals an einer undifferenzierten Schizophrenie sowie unter dem Kokain-Abhängigkeitssyndrom gelitten. Dies habe zu einer schweren psychischen Störung geführt, die eine Realitätseinschätzung verhindere, sodass der Beschuldigte das von ihm begangene Unrecht nicht vernünftig einschätzen könne, erklärte das Gericht und stellte im Urteil fest, der Beschuldigte habe «im Zustand der Schuldunfähigkeit» die im zweiten Abschnitt erwähnten Tatbestände erfüllt.
Verfahren wegen Sachbeschädigung und Hausfriedensbruch eingestellt
Um sich Geld zu beschaffen, gab der beschuldigte zu, Opferstöcke in Kirchen, sowie Münzautomaten von Waschräumen in Personalhäusern aufgebrochen zu haben. Seine Begründung: Als Arbeitsloser habe er Geld gebraucht, um Lebensmittel zu kaufen. Das Gericht erachtete allerdings hinsichtlich seiner erwiesenen Drogensucht eine Beschaffungskriminalität als wahrscheinlicher.
Wegen Rückzugs oder in Anbetracht unzureichender Begründung und Bezifferung wurden die Verfahren wegen Sachbeschädigung und Hausfriedensbruch in den Personalhäusern eingestellt.
Stationäre therapeutische Massnahme
Der Beschuldigte wurde wegen vierfachen Diebstahls, nämlich in zwei Kirchen in Rougemont und Château-d’Oex, sowie in zwei Personalhäusern in Gstaad, sowie wegen zweifacher Sachbeschädigung in den besagten Kirchen und wegen Widerhandlung gegen das Betäubungsmittelgesetz schuldig gesprochen. Er wurde unter Einbezug einer früher bedingt ausgesprochenen und nunmehr zu vollziehenden Strafe im Sinne einer Gesamtstrafe zu einer Geldstrafe von 65 Tagessätzen zu 30 Franken verurteilt. Ebenso zu einer Übertretungsbusse von 200 Franken. Ferner ordnete das Gericht eine stationäre therapeutische Massnahme an. Die Untersuchungshaft und Sicherheitshaft werden an die freiheitsentziehende Massnahme angerechnet. Der Beschuldigte wird vorerst für drei weitere Monate in Sicherheitshaft belassen.