Trauer kann sich sehr vielfältig zeigen
05.04.2023 NachbarschaftDie Bewegung «Frauenfrühstück» (jetzt «Frauenzeit») gibt es schweizweit mittlerweile seit über 40 Jahren. Sie steht für ein wohlwollendes und überkonfessionelles Miteinander, mit dem Ziel die geistliche sowie die persönliche Entwicklung ...
Die Bewegung «Frauenfrühstück» (jetzt «Frauenzeit») gibt es schweizweit mittlerweile seit über 40 Jahren. Sie steht für ein wohlwollendes und überkonfessionelles Miteinander, mit dem Ziel die geistliche sowie die persönliche Entwicklung der Frau zu fördern. Das Frauenfrühstück soll ein Ort der Begegnung sein. Nebst einem feinen Zmorge und Zeit zum Austausch unter Frauen wird jedes Mal ein interessanter Vortrag zu aktuellen Themen organisiert. Mit diesem werden den interessierten Frauen Hilfestellungen aus christlicher Sicht angeboten.
Am letzten Samstagmorgen kamen über 80 Frauen in das Kuspo an die Lenk. Zum einen, um die Geselligkeit unter den Frauen zu geniessen, aber auch um dem Vortrag von Susanna Freiburghaus zum Thema «Wenn Mitmenschen trauern – Ermutigung zu einem hilfreichen Umgang mit Trauernden» zu hören. Für Susanna Freiburghaus ein sehr wichtiges, persönliches und auch emotionales Thema. Sie selbst wurde erstmals mit acht Jahren durch den Tod ihrer Mutter mit dem Verlust von nahestehenden Angehörigen konfrontiert. Später verloren ihr Mann und sie ihren ältesten Sohn während seiner Ausbildung an einem plötzlichen Herztod – völlig unerwartet. Um dieses einschneidende, schockierende Erlebnis verarbeiten zu können, begann sie sich aktiv mit dem Thema Trauer auseinanderzusetzen. Sie las Bücher, nahm an einem Trauerseminar teil und schrieb ein Trauertagebuch, aus dem sie beispielhaft für die verschiedenen Trauerphasen sehr berührend persönliche Gedanken vorlas.
Was ist Trauer – oder warum trauern wir Menschen?
Jeder Mensch erlebt in seinem Leben Trauer und so verschieden wie jeder Mensch ist, wird auch die Trauer anders durchlebt und auch in verschiedenem Ausmass, abhängig von der aktuellen Lebenssituation und der Bedeutung des Verlusts für einen selbst. Jeder Trauerprozess ist einmalig und auch von Faktoren wie dem kulturellen Hintergrund, den glaubensmässigen Überzeugungen, der Lebenserfahrung oder natürlicher Resilienz abhängig. So trauern Frauen und Männer oft unterschiedlich.
Das Gefühl des Trauerns entsteht aber nicht nur beim Tod eines nahestehenden Menschen, es kann auch durch andere Umstände ausgelöst werden, z. B. bei Trennungen von Partnern, zerbrochenen Freundschaften oder bei Verlust von vermeintlichen Sicherheiten wie z.B. bei einer schlimmen Krankheitsdiagnose (bei sich selbst, aber auch beim Partner oder Kindern), Verlust der Selbstständigkeit oder des Besitzes. Selbst eine so freudig erwartete Pensionierung kann bei Menschen, die sich ihr ganzes Leben lang über ihren Beruf identifiziert haben, eine Trauer auslösen (Verlust der Identität).
Jegliche Veränderungen und damit verbundene Abschiede können ebenfalls Trauer auslösen: Der Abschied von der Jugendphase und das Älterwerden, die Feststellung, dass man weniger leistungsfähig ist, ein Umzug oder auch der Auszug von den Kindern aus dem Haus. Bei manchen Menschen lösen auch die schlimmen Nachrichten über Kriege, Erdbeben und Nöte auf der ganzen Welt, denen wir machtlos gegenüberstehen, Formen der Trauer aus.
Verschiedene Phasen des Trauerns
«Trauer stellt eine lebenswichtige Aufgabe dar, um Verluste bewältigen zu können», so Susanna Freiburghaus, «und ist wichtig, um das seelische Gleichgewicht wiederherzustellen.» Trauer kann weder vergessen noch durch die Zeit «geheilt» werden. Die vier Trauerphasen (nach Verena Kast), «Nicht-Wahrhaben-Wollen», «Aufbrechende Emotionen», «Suchen und Sich-Trennen» und «Neuer Selbst- und Weltbezug» sind keineswegs deutlich von einander zu trennen. Sie können sich abwechseln und manchmal erleben Menschen, die geglaubt haben, über einen Verlust hinweggekommen zu sein, nach Jahren noch starke Gefühlsausbrüche und schmerzende Trauererfahrungen.
Der Trauer einen Platz zuweisen
Auf jeden Verlust reagieren wir Menschen mit Suchen. Was suchen wir in der Trauer? Den verlorenen Menschen, das gemeinsame Leben? Für Susanna Freiburghaus ist es eine schöne Idee, der Trauer einen Platz zuzuweisen, z. B. einen Koffer mit Sachen des Verstorbenen und einer Kerze. Es kann ein Ritual geschaffen werden, dass zu bestimmten Zeiten der Trauer Raum gegeben wird. Diese kann sich auch im Zwiegespräch mit dem Verstorbenen ausdrücken. Anschliessend «verabschiedet» man sich von dem Trauermoment und lebt sein Leben weiter. Ist der Tod akzeptiert, und der verlorene Mensch sozusagen zu einer inneren Figur geworden, kann Neues entstehen. Ein Neuanfang wird möglich.
Wie können trauernde Mitmenschen unterstützt werden?
So unterschiedlich Trauer erlebt wird, so unterschiedlich sind auch die Bedürfnisse der Trauernden. Susanna Freiburghaus ermutigte die anwesenden Frauen, «nicht die Strassenseite zu wechseln», sondern den Trauernden möglichst natürlich zu begegnen und Begleitung anzubieten – ganz nach den eigenen Möglichkeiten. Dies kann in Form von praktischer Hilfe sein (Einkaufen, Taxifahrten, Kinder hüten …) oder auch gemeinsame Aktivitäten wie Spazierengehen, Erledigungen, Sport. Helfen kann auch, dem Trauernden Mitgefühl und Betroffenheit auszudrücken, diesem zuzuhören und ihn von dem Verstorbenen erzählen zu lassen. Dabei darf auch Hilflosigkeit zugegeben werden und vielleicht fliessen gemeinsam Tränen.
Susanna Freiburghaus gab in ihrem Vortrag viele gute Ideen mit auf den Weg und auch Bücher-Empfehlungen. Zusätzlich wurde der Vortrag aufgenommen und ist auf Wunsch auf CD beim Frauenzeit-Team erhältlich.
KERSTIN KOPP
Das nächste Frühstück findet am Samstag, 4. November im Landhaus Saanen statt. Brigitte Roffler hält einen Vortrag über «O je, du fröhliche Weihnachtszeit». (Inserat folgt)