Über eine Pariser Hutfedernfabrik zum J Ferienhaus Heitimatte

  08.11.2022 Saanenland

Er wanderte aus, gründete in Paris eine Fabrik und wurde reich. Bevor er starb, vermachte er ein Teil seines Vermögens dem Wohl der Jugend seines Geburtsortes: Alcide Saladin aus Grellingen stiftete ein Ferienheim, das fast ein Jahrhundert nach seiner Geburt eingeweiht wurde und wo sich die Schulkinder bis heute wohl fühlen.

KEREM S. MAURER
Die Ursprünge des Jugend-Ferienhauses Heitimatte in Gsteig reichen bis ins vorletzte Jahrhundert zurück. Am 19. Oktober 1874 kam Alcide Saladin in Grellingen (BL) auf die Welt. Nachdem er in Zwingen aufgewachsen war, wanderte Saladin zu einem unbekannten Zeitpunkt nach Frankreich aus, wo er sich in Paris niederliess und eine Hutfedernfabrik gründete. Diese führte er, gemäss der Chronik des Jugend-Ferienhauses Heitimatte, sehr erfolgreich und wohnte bis zu seinem Tod am 3. April 1946 zusammen mit seinem Hausdiener Georges Queyret in einem Eigenheim im Pariser Vorort Le Raincy.

Für die Jugend und die Armen
Alcide Saladin vererbte testamentarisch seinen vorwiegend aus Wertschriften bestehenden Schweizer Vermögensteil der Gemeinde Grellingen. Ebenso vermachte er der Gemeinde sein Pariser Wohnhaus mit der Auflage, dass sein Diener und Haupterbe Georges Queyret bis zu seinem Tod frei und kostenlos darin wohnen konnte. Ferner heisst es in Saladins Testament: «Die Gemeinde Grellingen hat für mich und einige Glieder meiner Familie verschiedene Auslagen gemacht, welche ich durch diese Gebung zurückbezahlen will. Wenn dann alle diese Kosten abgezogen sein werden, so möchte ich, dass mit dem Rest eine Stiftung gemacht werde ...» Damit verband er den Wunsch, jährlich ein Jugendfest auszurichten und dass Bürgerfamilien von Grellingen sowie in Armut lebende Verwandte seiner Familie unterstützt werden. Gemäss einem Sitzungsprotokoll vom August 1959 wurde Saladins Wertschriften- und Barvermögen auf 99’325 Franken beziffert.

Hausverkauf und Stiftungsgründung
Da der Diener nach wie vor in der Pariser Liegenschaft wohnte, wurde bis ins Jahr 1969 hinein das Erbschaftsvermögen durch die Gemeinde Grellingen verwaltet und auf 163’377 Franken erhöht. Am 25. Juni 1969 wurde die Alcide Saladin-Stiftung gegründet mit dem Zweck, die Grellinger Schuljugend in kulturellen, sportlichen und unterhaltenden Belangen zu unterstützen.

Ab 1969 korrespondierte der Stiftungsrat wegen der Pariser Liegenschaft mit dem Eidgenössischen Politischen Departement im Bern. Über die Botschaft in Paris wurde ein Vertrauensanwalt eingeschaltet, der vor Ort die Interessen der Stiftung vertrat und dafür sorgte, dass die Liegenschaft rechtmässig in den Besitz der Stiftung überging. Auch sollte das Wohnrecht des Dieners geregelt werden. Doch dieser verstarb am 4. April 1970, noch während den Verhandlungen und die Liegenschaft wurde verkauft. Im Oktober 1971 wurde der Erlös in Höhe von 180’000 Franken dem Konto der Stiftung gutgeschrieben, womit sich deren Vermögen auf 340’000 Franken erhöhte.

Urs Gehret mit dem besten Projekt
Schon vor der Alcide Saladin-Stiftung wurden die Skilager der Grellinger Schulen durch die Gemeinde finanziell unterstützt. Die Schwierigkeiten, geeignete Lokalitäten für die Skilager zu finden und die Möglichkeit, einen grösseren Teil des Stiftungsvermögens als Sachwert anzulegen, brachten den Stiftungsrat schliesslich dazu, den Bau eines eigenen Jugend-Ferienhauses zu planen. Zusammen mit den Schulkommissionspräsidenten diskutierte die Lehrerschaft diese Idee. Danach suchte man einen geeigneten Standort. Kandersteg, Lenk und Gsteig vermittelte Architektenkontakte, was zu Vorprojekten führte, welche im Mai 1972 vom Stiftungsrat geprüft wurden. Lenk und Kandersteg schieden im Rahmen der weiteren Verhandlungen aus preislichen und projektbezogenen Gründen aus dem Rennen. Übrig blieb letztlich Gsteig mit einem, wie es in der Chronik heisst, «interessanten Projekt von Architekt Urs Gehret aus Feutersoey». Gehrets Projekt umfasste auf einem Grundstück von rund 20 Aren ein dreigeschossiges Chalet mit Raum für 60 bis 70 Personen. Dazu vermerkt die Chronik des Ferienhauses «ein hohes Mass an Interesse und Unterstützung durch die Behörden und den Verkehrsverein von Gsteig».

Grundsteinlegung war am Osterdienstag, 24. April 1973. Und wieder wird das Gsteiger Engagement löblich erwähnt: «Der Bau schritt dank des grossen Einsatzes von Architekt Urs Gehret zügig und ohne besondere Probleme und Zwischenfälle voran.» Die offizielle Einweihung und das Aufrichtefest fanden am 8. Dezember 1973 statt, fast hundert Jahre nach Alcide Saladins Geburt.

Mit Cheminée und Einzellavabos
Heute besticht das Haus äusserlich durch seine liebevollen dekorativen Elemente an den Aussenfassaden. Seine inneren Werte spiegeln sich in einem edel anmutenden Cheminéezimmer, der als Aufenthaltsraum dient. Und darin, dass jedes Kind ein Einzellavabo hat. Wo sonst gibt es das? «Es ist ein Haus, in dem man sich einfach wohlfühlt. Wir alle sind immer wieder sehr gerne hier», sagt Nadja Keusch, Präsidentin der Alcide Saladin-Stiftung und Stiftungsrat Karl Zuber, der schaut, dass es dem Haus gut geht, ergänzt: «Man merkt, dass es gebaut wurde, damit sich Kinder darin wohlfühlen.»


JUGENDFERIENHAUS-HEITIMATTE

Total 64 Schlafplätze

3 mal zwei Betten, Leiterzimmer mit Lavabo
1 mal vier Betten, Leiterzimmer mit Lavabo
1 mal sechs Betten
6 mal acht Betten

Übernachtungen im Schlafsack sowie mit mitgebrachten Fixleintüchern sind erlaubt, Wolldecken sind vorhanden.

Zum Haus gehört ein grosser ebener Spielplatz sowie ein Spielraum mit Tischtennis und Dart. Beachvolleyball zur Mitbenützung.


FERIENHEIME IM SAANENLAND

Rund 20 Ferienheime stehen mitunter an bester oder schönster Lage im Saanenland. Viele von ihnen sind im Besitz von auswärtigen Schulen oder Vereinen, andere sind seit Generationen im Besitz einheimischer Familien. Die meisten dieser Häuser wurden ursprünglich als Gruppenunterkünfte gebaut, andere dienten jedoch erst landwirtschaftlichen Zwecken, bevor sie in Herbergen umfunktioniert wurden. So unterschiedlich ihre Geschichten auch sind, eines haben sie gemeinsam: Wer einmal in einem Ferienlager im Saanenland gute Zeiten erlebt hat, kommt irgendwann wieder hierhin zurück. So sind Ferienheime mehr als nur Herbergen, sie sind Lebensschulen, Erinnerungsstätten und manchmal auch Sehnsuchtsorte. In loser Folge porträtieren wir einige von ihnen.

KEREM MAURER


Ferienheime im Saanenland

1 Chalet Saanenwald, Hornbergstrasse, 3777 Saanenmöser
2 Tubegrabe-Stafel, Turbachstrasse 159, 3781 Turbach
3 Ferienlager Eggli, Oeyetliweg 26, 3792 Saanen
4 Gässlihof, Gässli 23, 3784 Feutersoey
5 Ferienheim Länggass, Simneweg 4, 3777 Saanenmöser
6 Ferienheim Region Fraubrunnen, Erliweg 5, 3778 Schönried
7 Clubhaus Rüeblihorn, Lätzgüetliweg 7, 3777 Saanenmöserr
8 Bümplizerhuus, Hornbergstrasse 25, 3777 Saanenmöser
9 Ferienheim Buebebärg, Hubelstrasse 83, 3778 Schönried
10 Clubhaus Spitz, Skiclub Weyermatt, Alte Saanenmöserstrasse 2, 3776 Oeschseited
11 Ferienheim Heitimatte, Campingstrasse 10, 3785 Gsteig
12 Ferienlager Gemeinde Lauenen, Kirchstrasse 21, 3780 Lauenen
13 Lovell Mountain Lodge, Hubelstrasse 88, 3778 Schönried
14 Münsinger Ferienheim, Zügelweg 4, 3777 Saanenmöser
15 Pfadfinderheim Kuonolf, Waldmatte 95, Schönried
16 Sport Lodge (Sportzentrum Gstaad AG), Sportzentrumstrasse 5, 3780 Gstaad
17 Solothurner Ferienheim, Bergmatteweg 21, 3777 Saanenmöser

 


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